Steht eine Bahnreise bevor, sitzt man geistig schon im Zugabteil, bevor man dort ist. Man macht sich Gedanken welchen Platz man bekommen wird und wer die übrigen Mitreisenden sein werden, besonders die unmittelbaren Nachbarn. Man hat keinen Blick für das Treiben auf dem Bahnhofsvorplatz und in der Bahnhofshalle, weil man zu knapp auf dem Bahnhofsgelände eintrifft und es sehr eilig hat den Zug zu erreichen. Einmal den neu gestalteten Bahnhofsvorplatz in Villach vor der Abfahrt zu genießen habe ich mir gegönnt. Der Platz, eigentlich sind es zwei Plätze, einer links und einer rechts der Bahnhofsstraße ist offen, luftig und leicht, sowie praktisch gestaltet. Nach dem Berufsverkehr ist eine Gruppe von Volksschülern, alle mit gelben Sicherheitswesten, unterwegs. Zu den umliegenden Geschäften eilen die ersten Vertreter, ein Monteur von Thyssen macht sich am Fahrstuhl zu schaffen. Beim Billa besorgen sich die Frauen die fehlenden Lebensmittel, ein junger Schlosser holt die Jausenbrote und das Bier für seine Kollegen. Ständig überqueren Rad- und Zugtouristen den Vorplatz. Bei den Cafétischen sitzen die ersten Raucher bei einem Cappuccino und einer Zigarette. Das Lieferauto von Ölz parkt rückwärts ein.
Das Zugabteil ist unterbesetzt, die meisten suchen nach einem Fensterplatz oder einem Platz mit Fußfreiheit. Auf der anderen Seite von mir hat ein junger Bursche seinen Laptop am Ausziehtisch und neben sich eine Tasche mit der Aufschrift: Studieren in Innsbruck. Der Zug fährt pünktlich ab. Schmerzhafte Laute, Aufschreie, kommen von einer Frau die einige Bänke vor mir sitzt. Sie hat einige Illustrierte neben sich liegen, blättert darin und beginnt mit sich selbst zu reden. Dabei wird sie lauter und beschuldigt jemanden sie betrogen und hintergangen zu haben. Es gibt kein Gegenüber. Dann sinkt sie zusammen und stimmt in ein Jammern ein. Beim Schaffner erkundigt sie sich nach dem Tunnel. Die meisten fühlen sich gestört, es ist eine angespannte Situation, im Grunde sind wir Mitreisenden hilflos, wissen mit der Situation nicht umzugehen. Die unmittelbaren Sitznachbarn befreien sich davon, dass sie den Platz wechseln. Hoffentlich gibt es einen Lichtblick nach dem Tunnel. Tauerntunnel.
Der wirklich einzige Unterschied zwischen der Frau und uns ist der, daß wir lautlos, also in Gedanken klagen über Untreue, Erlittenes, über Unrecht und seelische Schmerzen. Das ist oft unser täglich Brot. Es gibt da einen kulturellen Mechanismus, der das alles drinlässt – bei der Frau existiert er nicht, that’s all.
Hallo Gerhard!
Vielleicht hat sie auch keinerlei Bezugspersonen, ihr fehlt jemand, bei dem sie sich aussprechen kann, so wählte sie die “Öffentlichkeit”. Dies kann man öfters in Parks, in Bahnhofshallen oder auf Stadtplätzen beobachten.
Gruss schlagloch.
Am vergangenen Montag wäre wohl auch der Namenstag
der oststeirischen Märtyrerin Anna Suppan begangen
worden, die man der Vergessenheit anheimfallen ließ.
“Annentag” – “Annen-Kirtag” – “26.7.”: Ist aber nicht
“Anna”, ganz gewiß, ein Fabelwesen? Welche Quelle, die
Beachtung verdienen würde, kennt eine Gestalt Anna
als Mutter der Mutter Jesu? Und ein Machwerk – der
“Gnosis” – ist meines Erachtens auch das “Thomas-
Evangelium”. Das “Logion 1 (Incipit)” in der Ausgabe
von Uwe-Karsten Plisch, 2007, lautet: “Das sind die
verborgenen Worte.”