URBAN:IX

Beim zweitem Spaziergang hatte er die Möglichkeit, eine Wahrnehmung aus dem ersten Spaziergang zu überprüfen, ob sie mit der Wirklichkeit übereinstimmte und nicht nur seinem Bewusstsein entsprungen war. Er konnte es nicht erwarten, an der Futterhütte vorbeizugehen, um zu überprüfen, ob seine Erinnerung an die Futterhütte nur ein Fantasiegebilde gewesen war, Schlussfolgerungen von Wahrnehmungen, die sich in vielen Jahren im Gehirn gesammelt und nichts mit seinem Spaziergang gemeinsam hatten. Urban freute sich, weil er erkannte, wie nahe er der Beantwortung, ob seine Beschreibungen der Wirklichkeit im wörtlichen sinne entsprachen, anhand der Futterhütte kam. In diese Erwartungen mischten sich die Windgeräusche eines Laubbaumes. Die Beantwortung der Frage, ob die Bilder aus dem Bewusstsein die Wirklichkeit waren, wurde immer verschwommener, bis keine Hoffnung mehr bestand, die Frage zu beantworten. Dies bedeutete den Anfang der urbanischen Hoffnungslosigkeit. 

Aus den Windgeräuschen war es ihm möglich, das Geräusch eines einzelnen Laubbaumes herauszuhören. Er hatte sich auf diesen einen Laubbaum konzentriert, der noch das Laub vom Herbst getragen hatte. Der belaubte Laubbaum war ein Außenseiter unter den anderen kahlen Laubbäumen. Der Laubbaum hatte an diesem Umstand selbst keine Schuld. Urban kann sich mit diesem Laubbaum identifizieren. 

Das Klicken beim Kraftwerk hat auch heute nichts von seiner Faszination auf ihn verloren. Er versucht über den Spaziergang hinaus in seinen Erinnerungen zurückzugehen, ob er diesem Geräusch schon einmal begegnet ist. Aus der starken Beziehung zu dem metallischen Klicken schließt Urban, dass es in ihm aufgrund eines angenehmen Erlebnisses in seinem Unterbewusstsein bereits vorhanden ist. Urban hört ein Wort und kann sofort sagen: Dies ist die Briefträgerin, das sind die Wohnungsnachbar, das ist die Drogistin, ohne die betreffende Person mit den Augen gesehen zu haben. Eine Stimme sagt einem alles über eine Person. Jedes Geräusch wird jemandem zugeordnet, zu ganz bestimmten Bewusstseinsbildern. Für das Klicken findet Urban keinen Gegenstand, dem er es hätte zuordnen können.

3 Gedanken zu „URBAN:IX

  1. Bonjour Grey Owl Calluna, good morning Schlagloch,

    das Laub der Hainbuche erinnert mich daran: mein in
    Berlin geborener akademischer Lehrer verwendete “hane-
    büchen” natürlich abwertend. In der Oststeiermark – in
    Oststeiermark – gab es das Wort “h o b e n b u a c h a n”
    im Sinne von “hart” – “harte Jungens”. Aber zu fragen
    habe ich: vor weniger als 1 Stunde glaubte ich hier oben
    beim “Kreuz-Wirt” auf einem gelben Kastenwagen die
    Werbeaufschrift “Jetzt kommt Rein das Beste!” zu lesen.
    Voller Rechtschreibfehler, nicht?
    Wenn zuletzt aber jemand behaupten wollte, das heiße,
    daß jetzt dem ältesten existierenden Zisterzienserstift,
    R e i n bei Graz eine “super” Idee gekommen sei?
    N e i n ! Wird jemand, der ernsthaft ist, rufen: eine sol-
    che Spielerei wäre unfaire Werbung. Man soll nicht in un-
    fairer Weise Aufmerksamkeit zu erregen versuchen. Nie-
    mand möchte doch selbst so belästigt werden.
    Das vielleicht am heftigsten sein Territorium verteidigen-
    de Tier ist das Rotkehlchen: “Erithacus rubecula (Linnaeus
    1758)”. [Dessen] “Grad der Verstädterung … ist in Wien
    und Hamburg etwa gleich.” Das steht in dem Buch – man
    würde ein solches für den nunmehrigen Großraum Graz
    auch haben wollen – DIE VOGELWELT WIENS, 2009, ISBN
    978-3-902421-37-1, 384 Seiten: hier auf dem Tisch.
    Empfindet aber jemand das Rotkehlchen in seiner Art, Auf-
    merksamkeit zu erregen, als taktlos? – Dem Rotkehlchen
    sind auch die Seiten 260-277 in dem Buch von Johann
    Friedrich Naumann, 1780-1857 u.Z., dem “Begründer der
    Vogelkunde in Mitteleuropa”, DIE VÖGEL MITTELEUROPAS,
    gewidmet: ebenfalls hier auf dem Tisch liegend, ein Ge-
    schenk. – Ein “G i m p e l” – “Pyrrhula pyrrhula (Linnaeus
    1758)” – soll nun aber laut DUDEN – DEUTSCHES UNIVER-
    SAL-WÖRTERBUCH, 1983, auch hier auf dem Tisch liegend,
    ein “einfältiger, unerfahrener, unbeholfener Mensch” sein.
    Könnte es sich – psychologisch – da aber nicht um eine Pro-
    jektion handeln?

  2. Hallo GreyOwl!

    Er hat jedenfalls mehr dem Gehörten getraut, als dem, was er gesehen hat.

    Gruss schlagloch.

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