Seit einer Stunde sitze ich am Spitz der Halbinsel in Piran vor einer Kapelle und habe mir einen freien Blick auf das Meer erschwindelt. Auf dem kleinen unverbauten Streifen stehen drei Parkbänke, wo sich müde Spaziergänger ausruhen könnten. Von Portoroz bis hierher ist man eine Stunde an der Küste entlang unterwegs. Diesen Platz müssen sich die ruhebedürftigen Spaziergänger mit den parkenden Autos teilen. Die Parkplätze in Piran sind beschränkt und nur wer über eine Parkberechtigung verfügt, darf in die Stadt einfahren. Bei der beschränkten Anzahl von Abstellplätzen verwundert es nicht, dass die Autos von den Sitzbänken gerade so weit entfernt sind, dass ich die Füße ausstrecken kann. Mit Unterstützung der Mittagssonne ist der Aufenthalt im Freien trotz leichten Winds schon Ende April ein Genuss. Die Freude wird etwas eingetrübt, da mein Blick nicht auf das Meer geht, sondern auf das Heckfenster eines Hunday x20. Nach fünf Minuten nähert sich eine junge Dame dem Hunday, sperrt ihn auf und fährt weg. Damit ist die Sicht auf das Meer frei. Blitzschnell erkenne ich im nächsten Autofahrer, welcher nach einem freien Parkplatz sucht, eine Gefahr. An der Kirchenmauer stehen ein paar Kegel mit roten Streifen, wie sie zum Absperren von Gehsteigen oder dem Sichern eines beschädigten Kanaldeckels verwendet werden. Einen dieser verwendungslosen Kegel packe ich und stelle ihn auf den leeren Autoabstellplatz. Mit dieser Aktion sichere ich mir für die Dauer meines Aufenthaltes den ungestörten Meerblick. Es gibt Versuche hier einzuparken, aber der Absperrkegel wird von den Autofahrern respektiert und nach einem anderen Parkplatz gesucht.In der Küstenstadt Piran sind die Sitzgelegenheiten, handelt es sich nicht um ein Cafe oder Restaurant, rar. Man wird, sucht man nach einem ruhigen Platz am Meer, fast gezwungen etwas zu konsumieren. Die, dem Meer zugewandte Südseite der Stadt, ist zugepflastert mit Fischrestaurants und Pizzerias. In den Nischen, man kann sagen in den Mauernischen, befindet sich noch ein Cafe oder ein mobiler Eisverkäufer mit seiner Eisvitrine.
So freue ich mich darauf, nach dem Spaziergang und einem Cappuccino, ohne Konsumzwang, in der RoRoRo Monographie über Martin Heidegger zu lesen und dabei den schönen Blick auf das Meer zu genießen. Öffnet sich mir, hier am Meer, ein anderer Zugang zu Heideggers Begriffen vom Entbergen und der Wahrheit? Mit jedem Wellenschlag zerspringen viele Wassertropfen und entlassen das Leben. Sie geben dem Geist die Freiheit und er tritt die Luftherrschaft an, von da waltet er über allen Dingen. Welcher Geist verbreitet sich hier, der des Urmeeres, des Urschöpfers?
Drachenkopf