In den sechziger Jahren hatten die wenigsten Haushalte auf dem Land ein Telefon. In unserer nächsten Nachbarschaft, im mittleren Drautal, befand sich ein Gasthof und dort gab es einen öffentlichen Fernsprecher. Dieses Telefon wurde zumeist von den Bauern in Anspruch genommen um mit dem Viehhändler, Holzhändler, dem Tierarzt oder dem Lagerhaus Geschäfte zu erledigen. Bei einer Wetterkatastrophe konnte man die Feuerwehr oder bei einem schweren Krankheitsfall den Hausarzt verständigen. Der Gasthof bildete auch eine Tauschbörse für die Neuigkeiten, weil man zu den Wirtsleuten ein paar Worte darüber verloren hat, zu wem und warum man telefoniert hat. So ist der Inhalt des Telefonats nicht geheim geblieben und vorschnell könnte es mit dem Telefonieren gleichgesetzt werden, wie wir es heute in der Öffentlichkeit erleben. Heute hören wir zwangsweise viele Handygespräche von uns fremden Menschen mit, im Omnibus, im Cafe oder im Park. Wir können ihnen nicht ausweichen. Der Unterschied zu damals liegt darin, dass es sich heute zumeist um völlig fremde Menschen handelt, die vor uns ihre Probleme ausbreiten. Beim Austausch im Gasthof handelte es sich um eine Nachbarschaft, die sich gegenseitig gekannt und notfalls auch gegenseitig unterstützt hat. In dieser dörflichen Gemeinschaft hatte jeder seine ihm zugewiesene Rolle, seine Identität besessen. Für die Meisten von ihnen wurde dafür schon mit fünfzehn Jahren das Fundament gelegt, ich möchte sagen einzementiert.
In der Folge begann die Post verbreitet öffentliche Telefonzellen auch in kleineren Ortschaften aufzustellen. Sofern man kein eigenes Festnetztelefon besaß, benützte man diese. Hierbei musste man nicht mehr den Grund des Telefonats mit den Wirtsleuten teilen und schützte so seine Privatsphäre. Für das damalige Zeitverständnis konnte in kritischen Situationen so rasch Hilfe geholt werden.
Stammtisch.