Denke ich an das Symposium „Archive für Literatur. Der Nachlass und seine Ordnungen“ im April in Linz zurück, so sind es zuallererst die interessanten, aber teilweise auch aberwitzigen Vorträge und Aussagen. Vor allem die undurchsichtigen, nicht steuerbaren Vorgänge, welche sich in den Archiven abspielen. Dabei war hauptsächlich von den Nachlässen der Schriftsteller_innen die Rede, teilweise auch vom Staatsarchiv. Wer annimmt, man könnte an Hand der Archivmaterialien die Arbeitsweise eines Schriftsteller nachvollziehen, der übersieht dabei die Struktur der inneren Macht, die inneren Prozesse, die in einem Archiv ablaufen. Es beginnt damit, dass von den Nachlass Verwaltern, den Erben, die vorhandenen Briefe, Urkunden, und Manuskripte sortiert werden. Dabei werden eventuelle Unterlagen die ein schräges Bild auf den Verstorbenen werfen könnten, schon einmal vorsorglich aussortiert. Zumeist werden diese Unterlagen nicht vernichtet, sondern nur zurückgehalten. Dies erklärt auch das Phänomen, dass Jahrzehnte später plötzlich neue Fakten über Politiker, Schauspieler, Künstler und Literaten auftauchen. Von Anna Freud ist bekannt, dass sie viele Briefe ihres Vaters lange Zeit unterdrückt hat. Dies ist ein Akt des Verbiegens.
Die Schriftsteller befinden sich in guter Gesellschaft, da wir von Johann Wolfgang von Goethe wissen, dass er selbst mit der Archivierung seiner umfangreichen Schriften begonnen hat. Die klassische Archivbox war noch nicht erfunden. Goethe verwahrte Manuskriptseiten, Notizen, Entwürfe und vieles mehr in Papiersäcken auf.
Goethe schreibt am 10. Januar 1798 an Schiller: „Indessen habe ich in diesen farb- und freudlosen Stunden die „Farben“ wieder vorgenommen und um das, was ich bisher getan recht zu übersehen, in meinen Papieren Ordnung gemacht. Ich hatte nämlich von Anfang Acten geführt und dadurch sowohl meine richtigen Schritte, besonders aber alle Versuche, Erfahrung und Einfälle conservirt; nun habe ich diese Volumina auseinandergetrennt, Papiersäcke machen lassen, diese nach einem gewissen Schema rubricirt und alles hineingesteckt.“
Kassation
Ein Freund von mir aus der Wissenschaft ist seit Jahren daran, seine Notizen, Bücher, Zeitungsausschnitte mit seinen aufgegebenen Institutsunterlagen zusammen auf engstem Raum zuhause unterzubringen.
In dieser Wohnung ist nur das Bett benutzbar. Das war es schon, als er noch gearbeitet hat.
Hallo Gerhard!
Diesen “Platzmangel” kann ich mir gut vorstellen. Es ist erstaunlich, wie viel an Material es für den Besuch einer Lehrveranstaltung an der Uni gibt. Zumeist habe ich einen Teil der Unterlagen nach der Abgabe der Seminararbeit entsorgt. Trotzdem füllt das restliche Material zumeist einen halben Ordner. Nicht einkalkuliert der Lesestoff als Buch.
Früher habe ich interessante Zeitungsartikel aufgehoben und archiviert, heute verlasse ich mich darauf, dass diese online zum Nachlesen sind.
Gruss schlagloch