Mit dem Beten nichts am Hut haben.
Wie eigenartig wir mit dem Tod umgehen erschließt sich auch, ab wann wir die Todesanzeigen in der Regionalzeitung lesen. Bis zu meinem sechzigsten Lebensjahr habe ich diese Seite automatisch überblättert. Einen Blick auf die Todesanzeigen zu werfen ist für mich nicht in Frage gekommen. Es musste unumgänglich sein, wenn ich an einem Begräbnis im Ort teilgenommen habe. Zumeist bei dem in Kärnten üblichen Beten und Wachen in der Totenhalle, am Vorabend des Begräbnisses. Dabei ist der Anblick des Sarges nicht verstörend, der Verstorbene ist noch mitten unter uns, für mein Gefühl hört uns der Verstorbene beim Rosenkranzbeten zu. Er fragt sich, warum haben sich so viele Menschen hier versammelt? Ich bin mitten unter euch, ich verstehe euch, leider könnt ihr meine Worte nicht hören. Etwas ist zwischen mir und euch unterbrochen worden. Blicke ich aus meinem Unterschlupf auf eure Reihen in der Aufbahrungshalle, so wundere ich mich über einige, dass sie hier sind. Von manchen war ich als BBU-Arbeiter geringgeschätzt. Mir war zu Lebzeiten wichtig eine saubere Arbeit zu hinterlassen und ein kühles Bier im Waldcafé zu trinken. Wo ist eigentlich der Kumpel, dem ich im Garten geholfen und auf Wunsch mit dem Auto in den Ort geführt habe?
Eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, welche sich an meinem Sarg zum Beten und Wachen eingefunden hat. Darunter einige Kollegen, welche mit dem Beten nichts am Hut haben. Bei dem einen und anderen Glas Bier davon überzeugt waren, mit dem Tod ist es aus. Aus ihrer Überzeugung auch kein Hehl gemacht haben, es gibt kein Jenseits, keinen Himmel und keine Hölle, es hilft auch kein Beten. Jetzt haben sie ihre Hände wie Kinder zum Beten gefaltet. Dieser Anblick wärmt mir das Herz, ist es noch das Herz, was mich am Leben erhalten hat?