kondolenzbuch ll

Es ist ein freudloses Begräbnis gewesen.

Auf einem freudlosen Begräbnis sei er gewesen, wie sich der Bekannte bei einem Cappuccino ausdrückte. In früheren Jahrzehnten war ein Begräbnis ein gesellschaftliches Ereignis. Die Kränze, Gestecke und Kerzen rund um den Sarg des Toten strahlten Würde aus, zeugten auch von Hilflosigkeit gegenüber dem Tod. Keine Verabschiedung ohne die Trostworte des Pfarrers an die Hinterbliebenen und der Verweis auf ein paar Highlights im Leben des Verstorbenen. Manchen Anwesenden fiel dazu im Stillen noch etwas ein. Wer Vereinsmitglied bei einem Gesangsverein war oder gegen Bezahlung, für den gab es zu Herzen gehende Abschiedslieder mit Kärntner Schwermut. War jemand in einer öffentlichen Körperschaft tätig, so gab es einen Nachruf von höherer Stelle. Im Gastzimmer des Kirchenwirt in St. Paul lösten sich, beim Leichenschmaus, die betroffenen Gesichter der Trauergäste. Dort  munkelten die Hinterbliebenen darüber, wer noch ein außereheliches Kind des Verstorbenen sein könnte. Ob es wirklich stimmt, dass er beim Kauf vom Traktor einen Teil des Kaufpreises abgestritten hat?  Manche Ungewissheit lässt sich auch bei einer Portion Gulasch, einer Semmel und einem Bier nicht klären. Ein paar Geheimnisse nimmt der Verstorbene mit in das Jenseits. Mancher Vorwurf und Beleidigung gegen den Toten, welche unter den Trauergästen grassiert, werden mit dem dritten Krügel Bier zu Grabe getragen.

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