Die Diskrepanz beim Menschen, zwischen geistiges Wissen und tätigem Handeln, gibt es seit Jahrhunderten. Für mich ein innerlicher Widerspruch und daher meine Frage an den Vortragenden: „Haben die vielen Schriften, Bücher und Belehrungen für einen würdigen Lebenswandel versagt? Wir müssten ansonsten dem Paradies sehr nahe sein, dem Paradies über die Jahrhunderte wenigstens nähergekommen sein?“ Die Antwort des Psychologen und Theologen war keineswegs hoffnungslos, auf jeden Fall ehrlich: Er sah die Ursache für diese offen zutage tretende Diskrepanz darin, dass die Verbesserungen der Lebensgewohnheiten nicht von einer Generation zur Nächsten weitergegeben werden können. Jede größere Gemeinschaft, jede neue Generation muss jeden Tag aufs Neue damit beginnen die Welt besser und sinnvoller zu gestalten. Wir können uns nicht zurücklehnen und davon zehren, dass vor uns schon soundso viele an einer menschlicheren Gesellschaft gearbeitet haben.
Dabei kommt mir Sisyphus, der König von Korinth, in das Gedächtnis. Er war von den Göttern dazu verdammt täglich einen Stein den Berg hochzustemmen. Im letzten Moment rutschte er ihm wieder aus der Hand und den Abhang hinunter. Der Mensch ist dazu genötigt täglich mit seinen Aufgaben neu zu beginnen mit der Hoffnung, dass es ihm gelingen wird. Mit der Ablöse der Vielgötterei durch den Monotheismus sind die Aufgaben und Unbilden für uns dieselben geblieben. Gnädig ist keine Eigenschaft des Göttlichen. Aus dem Tagebuch vor Corona…