2.Teil
Vor zwei Jahrzehnten rechnete Edmund nicht damit, dass seine Drogerie, infolge der Konkurrenz durch immer neue und größere Drogeriemärkte, so lange existieren wird. Gemeinsam mit anderen Geschäftskollegen haben sie jährlich eine Verkaufsaustellung, verbunden mit einem Gewinnspiel und Unterhaltung für Kinder, abgehalten. Damit wurde versucht die Einkaufsstimmung in einer Landgemeinde zufördern und Atmosphäre zuschaffen. Die kaufmännischen Bemühungen waren einem Hamster ähnlich, der in seinem Käfig auf der Stelle tritt. Die üppige Weihnachtsbeleuchtung der Bezirksstadt strahlt in jedes Wohnzimmer der umliegenden Orte. Vor dem Nikolaustag kommen vermehrt Kunden, um sich bei den Düften und Kosmetika beraten zu lassen, manche greifen zu den liebevoll arrangierten Geschenkpackungen. An einem Nachmittag, zehn Tage vor Weihnachten, sitzt Edmund am Schreibtisch im Magazin, vor sich Lieferscheine, Rechnungen und Kassenbelege. Er hat die Absicht sie in das Wareneingangs- und Kassabuch einzutragen. Durch das Fenster blickt er in den Innenhof und kann beobachten, wie der Schnee auf dem Mauersims Zentimeter um Zentimeter wächst. Der Neuschnee drückt die Äste der Sträucher bis zum Boden, die Spitzen haben weiße Hauben bekommen. Die fallenden Schneeflocken strahlen eine Stille aus, die sich bis in das Magazin ausbreitet, an der Vorderseite des Hauses rollt der Nahverkehr vorbei. Die letzte Weihnachtssaison, vor seiner Pensionierung, ist angebrochen. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich seine Notenmanuskripte mit den kaufmännischen Aufzeichnungen vermischt, alles wird er fein säuberlich trennen und aus dem Büroschrank entfernen. Den Sitzplatz am Schreibtisch, eine Stätte zwischen Musikberieselung aus dem Verkaufsladen und Innenhof, wird er räumen müssen, für jemanden den er erst kürzlich kennen gelernt hat. Beim Verbuchen der Rechnungen merkt Edmund einen Rückgang bei den Lieferungen, manche der Waren wurden nicht mehr nachbestellt. Der Inhaberwechsel wird einige Veränderungen im Geschäft mit sich bringen. Für Edmund eine gedankliche Entlastung, da er sich nicht um den Einkauf der nächsten Saisonartikel kümmern muss. Im Geschäft ist es die die letzten Monate ruhiger geworden, eine Ruhe die beim Puls spürbar ist. Er hat sein Arbeitstempo reduziert, wie ein Pferd, das sich dem Ziel nähert. Solche besinnlichen Momente gab es wenige, viel öfter Aufregungen und Wutausbrüche. Eine Gelassenheit die er sich für den Tag wünscht, an dem er vom Schreibtisch und vom Verkaufsraum Abschied nehmen wird. Fortsetzung folgt …..