Über schlagloch

Er hat es sich zur Aufgabe gemacht mehrmals die Woche eine kleine Studie zu verfassen und teilt dies per Weblog „schlagloch“ einer stetig wachsenden Internetgemeinde mit. Einzelne Leser treten auf der Internetplattform mit ihm auch in eine Diskussion über das Geschriebene ein. Vom Deutschen Literaturarchiv Marbach werden ausgewählte Online-Publikationen, so auch das Blog „schlagloch“ auf der Plattform Literatur-im-Netz langzeitarchiviert. Einige „Schlaglöcher„ hat er materialisiert und zu Büchern gemacht: Zeitenwandel (2009); Die Beobachtungen (2011); Bruchstellen (2015).

kondolenzbuch

Dem Toten nicht zu nahe kommen.

Bei einem Begräbnis, der letzten Zuwendung die der Mensch erfährt, haben die online Dienste zugenommen. Todesnachrichten werden per Email verschickt und per WhatsApp getrauert. Im Internet kann man im digitalen Kondolenzbuch eine Kerze für den Verstorbenen anzünden, ein paar Trostworte schreiben und ein Smiley mit ein oder zwei Tränen hinzufügen. Die Aufbahrungshallen werden gemieden, dem Toten will man nicht zu nahe kommen. Lieber den Daumen digital nach oben, ein andermal nach unten drehen. Bei einem Cappuccino erzählte mir ein Bekannter von einem freudlosen Begräbnis. Die Teilnahme an einem Begräbnis hat mit Freude wenig bis nichts am Hut, freudlos, was könnte da gewesen sein? Fehlte es den anderen Trauernden an Herzlichkeit? Die Urne mit der Asche des Verstorbenen, befand sich in einer Abstellkammer der Aufbahrungshalle auf einen Tisch. Keine brennenden Kerzen und kein Blumenschmuck. Es hat Jahrzehnte gegeben, da wurde im Krankenhaus ein Schwerkranker, ein Sterbender in einen Abstellraum oder in einen Geräteraum abgeschoben. Die Urne hat der Zeremonienmeister einem Familienangehörigen in die Hand gegeben, er eilte der Trauergesellschaft vorneweg auf den Friedhof. Die Asche wurde in eine kleine Grube geleert, es fehlte jeder Blumenschmuck.

Keine Trost- oder Abschiedsworte von nahen Angehörigen oder Freunden. Die Anwesenden wurden vom Bestatter aufgefordert ein gemeinsames Vaterunser zu beten. Dann verflüchtigte, um nicht zu sagen ergriff der Zeremonienmeister die Flucht.

albrecht dürer haus

Haften bleiben die skurrilen, die schreckhaften oder lustigen Episoden.

Wie soll man eine Führung durch eine Bilderausstellung, zur Zeitgeschichte, zur Umweltfrage, einen Stadtrundgang oder durch ein historisches Gebäude, nacherzählen? Was bleibt nach einer Führung von etwa eineinhalb Stunden im Gedächtnis haften? Es werden Erinnerungen sein, welche an eigene Erfahrungen anknüpfen, an ein Vorwissen oder man hat sich mit einer speziellen Frage an den Führer gewandt. Eine Besichtigung lebt zumeist davon, ob es der Führer versteht, seine Klientel mitzunehmen. Vorteilhaft erweist sich, wenn er eine kurze Umfrage macht, woher die Besucher kommen, welche an der Führung teilnehmen. Zumeist bleiben einem die skurrilen, die schreckhaften oder lustigen Episoden haften. Schnell verlieren die Teilnehmer das Interesse, wenn die Ausführungen mit Jahreszahlen bespickt sind und es zu viel in das Detail geht.

Bei meinem Besuch in Nürnberg folgte ich der Einladung von Frau Agnes, Ehefrau von Albrecht Dürer, an einem Rundgang durch das guterhaltene Wohn- und Arbeitshaus der Familie am Tiergärtnertor teilzunehmen. Dabei will sie uns aus dem Alltag der Künstlerwerkstatt und dem Eheleben erzählen. In einer mittelalterlichen Tracht stellte sich Michaela als Frau Agnes vor und zeigt gleich ihre Dursetzungskraft. Sie duldet nicht, dass Fragen, welche sie an eine Person richtet, von anderen beantwortet werden. Agnes bewältigte zu ihrer Zeit den Haushalt, tätigte die Einkäufe für die Malerwerkstätte, führte aber auch Verhandlungen mit Auftraggebern, bei Abwesenheit von Albrecht. Im Eingangsbereich vom Dürerhaus, die sogenannte Tenne, hatte sie in erhöhter Position ein kleines Zimmer, von wo aus sie die Malergesellen und die Haushaltshilfen beaufsichtigen konnte. War sie das eine- und andere Mal mit dem Arbeitseifer nicht zufrieden, dann ließ sie ihre kräftige Stimme erschallen.

pflegeroboter

Unterhaltung mit einer KI ablehnen?

In Nürnberg gibt es ein Zukunftsmuseum  wo ich beim Eintreten in die Ausstellungsräume von einer sprechenden KI- Dame empfangen wurde. Mit einem freundlichen Lächeln und gekonnten Handbewegungen wurde ich eingeladen Fragen zu stellen. Für die autonom agierende Dame war es selbstverständlich, dass alle sozialen Defizite und Umweltprobleme durch die künstliche Intelligenz überwunden werden können. Ist eine Unterhaltung mit einem KI gesteuertem Gegenüber abzulehnen? Fragwürdig oder doch besser als allein und einsam vor sich hinzudösen? Im schlimmsten Fall beginnt man nach vielen Jahren der Einsamkeit Selbstgespräche zu führen. Im ländlichen Bereich finden sich bis heute Angehörige und  Nachbarn welche Zeit haben, sitzt man vor dem Haus auf der Rentnerbank, ein kurzes Schwätzchen zu halten. Ist es körperlich möglich an der Sonntagsmesse teilzunehmen gibt es danach auf dem Kirchplatz Anknüpfungspunkte zu einem Tratsch. Früher einmal war das Zusammenstehen auf dem Kirchplatzl  nach der Messe den Männern vorbehalten. Die Frauen haben sich zumeist rasch voneinander verabschiedet und sind nach Hause geeilt um das Mittagessen zuzubereiten.   

Im städtischen Bereich wo die Menschen auf kleinem Raum zusammenwohnen könnten Pflege Roboter, da das Pflegepersonal knapp ist,  gute Dienste leisten. Bei meinen Rescheren im Internet interessierte mich eine Frage, warum ist es notwendig, dass der Pflegeroboter darüber Bescheid  wissen muss, ob die betreuende Person Links- oder Rechtshänder ist? Die Anschaffung eines Pflegeroboters würde sich für einzelne Stadtteile bestimmt auszahlen.  Er braucht keine Pause, macht Überstunden und benötigt keinen Urlaub. Technische Störungen werden in der Zukunft der Vergangenheit angehören, da die Systeme einen Selbstcheck durchführen. Sie weisen rechtzeitig darauf hin, dass dieses und jenes Teil getauscht werden muss. Zumeist können heute digitale Störungen online erledigt werden.  Für die Energie wird der KI gesteuerten Pflegeassistenten selbst sorgen, indem er seine freien Stunden nützt um seine Batterien in der Sonne aufzuladen. Futuristisch ist meine Annahme, dass der Pflegeroboter auch aus den Berührungen am Menschen Energie ziehen kann. Ein weiterer Schritt zur Anpassungsfähigkeit an das Menschliche wo es öfters vorkommt, dass die Pflegebedürftigen den pflegenden Angehörigen ihre Energie rauben.

gütigergott

Schaden von der Seele fernhalten.

Großes Bedauern wird demjenigen teil, wenn jemand für unser Empfinden zu jung verstorben ist. Wann ist es ein früher Tod? Dabei gibt es eine feine Unterscheidungen, wurde der Tod durch eine bösartige Krankheit, eine grauenhafte Tat oder einen Unfall herbeigeführt. Von einem Baugerüst gestürzt, bei einer Explosion zu Tode gekommen oder ein Verkehrsunfall, in jungen Jahren eine häufige Todesursache. Unser mobiles Leben fordert seinen Tribut, an der Umwelt und unserem Leben, die kostbarste Währung. Die größere Erschütterung verursacht, ich würde das Alter bis zu vierzig Jahre festsetzen, eine unheilbare Krankheit. Gleichwertig der plötzliche Tod, ein Gehirnschlag, Herzinfarkt oder eine grauenhafte Tat. Für die Familienangehörigen, Partnerin mit Kindern, Geschwister, Eltern und Arbeitskollegen eine Katastrophe.

Die Zuordnung, ab wann jemand alt ist wird immer weiter nach hinten verschoben, auch die Jahre wie lange gehören wir zur Jugend werden angehoben. Vierzig ist das neue Dreißig. Stirbt eine Person vor dem vierzigsten Lebensjahr, dann bedauern wir, dass er so früh sterben musste. Gibt es bei den Jahren ein zu früh? Bleibt das Leben derjenigen unvollendet oder hat es immer seine Vollendung erfahren? Können wir als Hinterbliebene dies beurteilen oder reichen unsere Geisteswerkzeuge dazu nicht aus? Aus diesem Grund stellen wir der ansonsten kaum beachteten Instanz, Gott, die Frage, warum hat er diesen jungen Menschen nicht vor dem Tode bewahrt? Er hatte viele Pläne und andere hätten noch gerne an seiner Seite schöne Stunden verbracht. Nach welchen Kriterien triffst DU deine Auswahl, gütiger Gott? Bist du um unsere menschlichen Anliegen bemüht oder siehst du über unsere menschlichen Erwartungen hinweg? Geht es DIR darum Schaden von der Seele fernzuhalten? Eine diesseitige Antwort auf dieses Auswahlverfahren werden wir nicht finden.

weltveränderung

Einen Mosaikstein hinzufügen.

Überfliege ich die Todesanzeigen in der Rubrik Villach und Villach Land, dann geht es darum, habe ich den Verstorbenen gekannt, in welchem Alter ist er verstorben? Meine persönliche Frage, ist er jünger oder älter gewesen als ich. War er älter, wie viele Lebensjahre bleiben mir noch rein rechnerisch, sind es noch drei, fünf oder mehr Jahre? Dieses mathematische Exempel hat etwas beklemmendes, selbst wenn es sieben oder zehn Jahre sind. Zudem setze ich diese Zeit in Relation zu meiner vergangenen Lebenszeit.  War der Verstorbene jünger als ich, was müsste ich von meinen Erlebnissen und Erfahrungen streichen?  Bei zehn oder fünfzehn Jahren vieles, auch die kollektive Erfahrung der Coronapandemie. Eine Strategie aus der Situation herauszufinden ist mich meinen Plänen zu widmen, keinen großen Plänen der Gesellschaft- und Weltveränderung, sondern dem Machbaren. Etwas was das bisherige Leben und Wirken ergänzt, dem schon Erlebtem einen Mosaikstein hinzufügen. Wie aus der Geschäftspraxis im Papierhandel, einen Zusatzverkauf zu tätigen. Beim Verkauf einer Füllfeder die passenden Patronen und einen Tintenlöscher mit anzubieten.

 Während der Coronapandemie habe ich einen wichtigen Schritt gemacht um mein Lebensende erträglicher zu gestalten. Von mir wurde eine Firmenchronik, welche die Ortsgeschichte und öffentliche Aufgaben miteingeschlossen hat erstellt und dem Kärntner Landesarchiv übergeben. Beim Archivieren habe ich mehr dem Papier vertraut, als dem Digitalen. Der Direktor freute sich über das Archivmaterial und mitgeteilt, es gibt wenige Dokumente im Landesarchiv zur Geschichte der Kaufmannschaft in ländlichen Gebieten. Wer glaubt, dass es für eine solche Sammlung zu früh ist, kann sich dazu beim Besuch eines Museums vorstellen, auch diese Exponate waren einmal zu jung. Heute erfahren sie unsere Aufmerksamkeit.