01.04.2004 GUTEN . MORGEN . ÖSTERREICH
Als ich am Mittwoch um neun Uhr Vormittag in Spittal an der Drau in das Stadtcafe komme sitzen an der Theke zwei unrasierte und ungepflegte Männer mit Zahnlücken. Sie bestellen sich gerade jeder ein weiteres großes Bier und rauchen eine Zigarette nach der anderen. Die Gesichter sind verzerrt und die Wangen eingefallen. Beide tragen abgewetzte blaue Jeanshosen, einer dazu einen grünen Pullover, der Zweite einen blauen Pullover. Sie sitzen sprachlos nebeneinander, verfolgen jede Handbewegung der Bedienung und jeden Gast der das Cafe betritt. Man sieht ihnen das unterstandslose Leben an. Ein Kumpel von ihnen kommt, mit einem weiß-schwarzem Hund an der Leine zur Tür herein und setzt sich zu ihnen. Der Hund legt sich auf den Boden und schaut die Gäste mit seinem treuem Blick an. Vor der Tortenvitrine bleiben die feinen Spittaler Damen stehen und suchen sich zum Capuccino ein Stück Torte aus. Der Kumpel bestellt sich ein großes Bier und einen Schnaps. Er hebt sein Glas und sagt :
„Guten Morgen Österreich, Prost.”
Kommentare:
S. am 1. April 2004 um 07:55
Ja, guten Morgen Österreich, guten Morgen Kärnten, guten Morgen Welt! Solche oder ähnliche Szenen kann man wohl an vielen Orten der Welt beobachten, besonders häufig allerdings in Österreich und dann gibt es nicht mal ein “Knoppers” dazu. Schön beobachtet, schön aufgeschrieben. Guten Morgen.
W. am 1. April 2004 um 10:42
Guten Morgen Österreich. Schöne Geschichte.
schlagloch am 3. April 2004 um 07:51
Bitte was sind Knoppers? Ich habe zuerst in meinen Wörterbüchern und dann im Lexikon nachgeschaut, um dann bei Yahoo Suchmaschine zu erfahren, dies sei das bekannteste “Frühstückchen” Deutschlands.
05.04.2004 BLAU . ROTE . OSTERN
Die Osterwoche gehörte in meiner Kindheit zu den schönsten Wochen des Jahres. Es war schulfrei und es wurde endlich Frühling. Es war warm und wir Kinder konnten wieder im Freien spielen. Die Wiesen wurden grün, der ganze Obstgarten war voll von Schnee-Glöckchen. Rund um das Haus und den Stall wurde aufgeräumt, die Bäume beschnitten, das Laub zusammen-gerochen und alles bei einem kleinen Feuer verbrannt. Die Schafe waren die ersten Tiere welchen den Stall nach dem langem Winter verlassen konnten. Das Palmbesen-Tragen am Palmsonntag war der erste Höhepunkt der Osterwoche. Der Palmbesen war ein Buschen aus Palmkätzchen und Kranewitzweigen, darin vier Holz-Spieße an denen Äpfel und Orangen aufgespießt wurden. Zusammengehalten wurde der Buschen von roten, weißen, grünen und blauen Stoffbänder. Auf die Bänder aufgefädelt waren Schokolade- und Salzbrezeln. Wir nahmen den Palmbuschen, der an einem Stil befestigt war über die Schulter und marschierten etwa vier Kilometer von Politzen nach St. Paul in die Kirche zur Palmweihe. Wir waren immer darauf bedacht, dass keine Köstlich-keiten verloren gingen.
Auf dem Heimweg von der Kirche war es mit unserer Geduld zu Ende. Der Eine und der Andere brach vom Palmbesen einen Brezel ab und aß ihn auf. Zu Hause angekommen mussten wir zuerst das Haus und den Stall mit dem geweihtem Palmbesen dreimal umrunden. Dadurch sollte der Hof vor Unwetter und Unglück verschont werden. Erst danach durften wir die Süßigkeiten des Palmbesen essen. Dieses Jahr konnte ich am Palmsonntag beobachten, dass man bei vielen Palmbesen blaue und rote Bänder zum Zusammen-binden verwendet hat.
Es wird umgefärbt. Blau. Rot.
13.04.2004 EMAUS . GANG
Von der Ortschaft Sonnwiesen blickt man auf das breit geöffnete Drautal wo jetzt, im April, die Felder grün werden. In der Mitte des Tales fließt die blaugrüne Drau. Die Berggipfel entlang des Drautales sind frisch verschneit. Aus allen Sträuchern und Bäumen treiben hier, auf der Sonnseite, die Knospen. Man geht vorbei an frisch erbauten Einfamilienhäusern ohne Außenputz, in den Fenstern hängen schon die Vorhänge. Im Garten vor den Häusern stecken die Palmbesen und es blüht bereits kräftig. Auf den Feldern weiden weiße und schwarze Schafe. Rund um die Bauernhäuser wird Holz gemacht. Das fertige Holz wird mit schwarzen und grünen Plastikbahnen oder mit verrostetem Blechstreifen abgedeckt. Auf einer schmalen Zufahrt zu einem Gehöft kriecht der blau-weiße Milchwagen hoch. Von den Bäumen blicken die Nistkästen auf die Emauswanderer herab, keine Überwachungskameras, wie auf dem Hauptplatz in der Bezirksstadt. In den Stauden neben der Strasse liegen, jetzt wo der Schnee geschmolzen ist, die leeren Cola Pappbecher, die Verpackungen von den Bic Mäc und die leeren Tragtaschen von den Juniortüten. Auch die Landjugend isst bei Mc Donald. Den Emaus-gang beschließt eine hl. Messe in St. Jakob.
Die Sonne verdecken Wolken.
Kommentare:
B. am 15. April 2004 um 02:34
Erst kam ich ins Träumen, dann wurde ich jäh herausgerissen, McDonalds allgegenwärtig. Dennoch ein gewohnt schöner Eintrag.
17.04.2004 BODEN . PROBEN
Im Leben werden wir immer wieder auf die Probe gestellt. Die erste Probe gibt es in der Schule. Der Lehrer stellt uns auf die Probe, ob wir zu hause etwas gelernt haben. Beim Eintritt in das Berufsleben gibt es die Probezeit. Nach der Führerscheinprüfung bekommt man den Probeführerschein. Vor der Hochzeit gibt es die Ehe auf Probe. Viele Fabrikanlagen erhalten erst nach dem Probebetrieb die Betriebsgenehmigung. Bei neuen Theater- und Konzertaufführungen gibt es lange Probe-Zeiten und zum Schluss eine Generalprobe. Heute gibt es keine Sicherheiten mehr, alles ist eine Probe für das nächste Leben. Was findet man in einer Gailtaler Bodenprobe? Beim Autobahnbau die Festigkeit des Untergrundes, bei der Flussregulierung den Grund-Wasserspiegel und bei einer Fabrik die Umweltbelastung. Geistige Proben aus den Gailtaler Köpfen hat Engelbert Obernosterer in seinem Buch „Bodenproben” gezogen. Eine Probe :
„Frau N. lässt es keine Ruhe, dass das fremde Auto schon den ganzen Tag so komisch dastehe, so schlampig, wie bei uns keiner sein Auto hinstelle, nach Balkan sehe das aus oder nach Türkei. Aber auch so katholisch stehe es da, so freiheitlich, ergänzt ihr Mann, der Zyniker”.
19.04.2004 BLOG . GEDANKEN
Seit einem Jahr veröffentliche ich in meinem Weblog unter der Rubrik „TAG . GEDANKEN„ Erlebnisse und Beobachtungen aus dem Alltag. In dieser Zeit habe ich mir Gedanken über das Bloggen gemacht. Ich habe bei den Einträgen nicht die Menge zum Ziel. Wie viele Zeichen verträgt der Mensch, Leser? Als Richtlinie für einen Eintrag nehme ich cirka tausend Zeichen. Für eine Nachricht im Fernsehen stehen cirka fünfzehn Sekunden zur Verfügung. Ich möchte nicht nur Nachrichten in meinem Weblog weiterverbreiten. Mit Nachrichten werden wir heute im Minutentakt überfahren. Die aktuellste Schlagzeile ist auch immer die, welche am schnellstem im Schlagloch der Zeit verschwindet. Ich versuche kurze Geschichten zu erzählen. Das moderne Leben hat einen Mangel an Geschichtenerzähler.
Geschichten braucht das www.
22.04.2004 UR . NATUR
Die große Kälte ist vorbei und der meiste Schnee geschmolzen. Wir sind dabei den Baumschnitt durch-zuführen. Im Garten und rund um das Haus dulden wir keinen Wildwuchs. Alles wird zugeschnitten, die Bäume, die Hecken und im Sommer der Rasen. Alles was nach Natürlichkeit aussieht ist gegen die Art der meisten Gartenliebhaber. Es soll alles seine Ordnung haben, am besten in Reih und Glied. Den meisten Menschen fällt es schwer sich in der urwüchsigen Natur wohl zufühlen. Kaum haben sie im Garten sauber gemacht, bricht das Unkraut über den Zaun herein. Um die Natur vor dem totalem Zubetonieren und Verbauen zu bewahren verordnet der Mensch Naturschutzgebiete und feiert sich als Schöpfer dieser Naturparks. Zuerst wird Landschaft vernichtet und dann werden die Retter der Natur gefeiert.
Schütt ist urwüchsig.
24.04.2004 FAMILIE . ÖSTERREICH
Wenn man eine Familie mit dem österreichischen Staat vergleicht, dann ist der Vater der Bundeskanzler und die Mutter der Bundespräsident. Wir Staatsbürger sind die Kinder. Der Vater, sprich Bundeskanzler kümmert sich um das Geschäft und das Geld. Die Mutter, sprich der Bundespräsident kümmert sich um das Zusammenleben und die Sorgen in der Familie, sprich Staatsbürger. Heute ist die Rollenverteilung in der Familie nicht mehr so eindeutig, für meinen Vergleich bleibe ich dabei.
Wenn am Sonntag bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich zwei Kandidaten, sprich Mütter zu Wahl stehen, dann ist mir die Mutter, sprich der Kandidat lieber, welcher von sich sagt, er wird 90% seiner Amtszeit in Österreich verbringen, das heißt zu Hause bei der Familie sein. Eine Mutter, sprich Präsidentschafts-Kandidatin die 70% ihrer Amtszeit im Ausland verbringen will ist für ein Kind, sprich Staatsbürger keine schöne Vorstellung.
Kevin allein zu Hause.
Kommentare:
E. am 24. April 2004 um 08:58
Toller Vergleich! Stimmt wirklich was du da sagst!
K. am 27. April 2004 um 12:37
Sehr originell, aber einleuchtend. So habe ich es noch nie gesehen. Obwohl, wäre ich Österreicher, wohl doch die reisefreudigere Mutter gewählt hätte. Unsere nächste deutsche Mutter macht ja auch auf weltläufig und redet außerdem zuviel.
schlagloch am 27. April 2004 um 20:08
Die Österreicher haben für die Mutter am Herd entschieden. Man kann gespannt sein, was von den Wahlversprechen übrig bleibt.
28.04.2004 GRIASS DI . ZIVJO . MANDI
Anlässlich des Beitrittes von Slowenien zur EU finden in Kärnten mit den Nachbarn viele gemeinsame Veranstaltungen statt. Eine Veranstaltung wird versuchen vom Faaker See eine Menschenkette über die Karawanken nach Kranjska Gora zu bilden. Diese Veranstaltung hat großen Symbolwert. Die Karawanken sollen nur als geografischer Begriff weiter existieren. Die nächste Aufgabe ist die geistigen Grenzen in den Köpfen der Bevölkerung zu überwinden. Auch im Länderdreieck von Slowenien, Friaul und Kärnten, wo die Völkerver-ständigung wie eine Litanei in allen öffentlichen Ansprachen heruntergebetet wird, kann es vorkommen, dass die Errichtung eines Kebab Imbissstandes im Ort von den Anrainern abgelehnt wird. So nahe will man die neuen EU Nachbarn nicht haben.
Die Karawanken wanken.