zweitteller

Ein leerer Teller war in diesem Sommer im Tourismusland Kärnten der Aufreger der Saison. Hieß das anstößige Ding Leerteller oder Zweitteller? Ein Ehepaar bestellte in einem Restaurant am Wörthersee, um sich eine Speise zuteilen, beim Ober einen zweiten Teller. Zur Überraschung fanden sie auf der Rechnung, dass der leere Teller mit acht Euro in Rechnung gestellt wurde. Zu Unrecht fand das Ehepaar und ging mit der Rechnung in die Öffentlichkeit. Die Vorgehensweise des Gastronomen brachte, den schon heißen Sommer in Kärnten, vollends zum Überkochen. Es bildeten sich in der Öffentlichkeit, wie üblich, zwei gegenüberstehende Lager. Die Einen bezeichneten die Verrechnung von acht Euro für das Servieren eines leeren Tellers eine Unverschämtheit. Diese Vorgehensweise wird in ihren Augen den Ruf der Gastronomie am Wörthersee, einige meinten für ganz Kärnten, schwer schädigen. Der Wirt und auch andere Gastronomen verteidigten die Verrechnung von acht Euro. Der Zweitteller muss serviert und abgewaschen werden. Zumal verwies der Gastronom darauf, dass er diesen Platz an einen Gast hätte vergeben können, welcher mehr konsumiert hätte. Die acht Euro wären kein Ersatz für den Umsatzverlust.

Die aufgebrachte Diskussion berührte mich aus persönlicher Nähe. Meine Schwester hat in den sechziger Jahren im Sommer in diesem Hotel als Stubenmädchen und als Serviererin gearbeitet. Konnten wir die Schwester in den Schulferien auf ihrem Saisonarbeitsplatz am Wörthersee besuchen, war dies für uns ein besonderes Erlebnis. Wir, Vater und Geschwister, haben sie damals im Hotel Miralago an einem Sonntag während der Zimmerstunde besucht. Ich erinnere mich noch, wie beeindruckt ich von der tollen Aussicht auf den Wörthersee war. Bestimmt hat sie uns auf der Seeterrasse ein Eis serviert. Die Fahrt mit dem Zug nach Pörtschach und ein Eisbecher genügten für einen schönen Ferientag. Damals gehörte das Restaurant zum Hotel und war nicht verpachtet.  

herbstwetter

Viel Abwechslung gab es im Herbst auf dem Schulweg. Der stürmische Wind übersäte den Boden in den Obstgärten mit bunten Blättern, die reifen Äpfel und Birnen rollten bis zum Wegrand. Ohne, dass wir übereinen Zaun klettern mussten, konnten wir nach Lust und Laune zugreifen. Besonders liebte ich die Zwetschken, die in dichten Bündeln am Baum hingen und dunkelblau zwischen den noch grünen, teilweise bräunlich gelben Blättern hervorlugten. Eine Lieblingsspeise waren die Zwetschkenknödel, der ausgelöste Zwetschenkern wurde durch einen Zuckerwürfel ersetzt und dazu reichlich angeröstete Semmelbrösel. Dies mache ich noch heute, ich entferne den Kern und lege einen Zuckerwürfel in die Frucht. In Hof Nähe weideten auf den Feldern die Kühe. Auf mein Zurufen kamen die Kühe zum Zaun und manches Mal holte ich ein Stück vergammeltes Jausenbrot aus der Schultasche. Die nächststehende Kuh holte sich mit ihrer rauen Zunge das Brot von meiner Kinderhand. Vorsicht war geboten, die Kuh mit ihrer großen Zunge versuchte meine Hand in das Maul zu ziehen. Auf den Kartoffelackern waren die Bauersleute in gebückter Haltung bei der Ernte. Mit viel Geschick fistelten sie mit der Haue die Kartoffel aus der Erde. Wir Kinder eilten nach dem Mittagessen auf den Kartoffelacker und klaubten die Erdäpfel vom Boden auf und füllten sie in Säcke.

Waren wir beim Kühe weiden in der Nähe von einem abgeernteten Kartoffelacker zündeten wir aus Laub, Unterholz und Kartoffelkraut ein Feuer an. Am Acker suchten wir nach übersehenen Kartoffeln und warfen sie in das Feuer. Verkohlt holten wir die Kartoffeln aus dem Feuer, beim Essen wurden die Hände kohlrabenschwarz. Nach dem Abernten der Äcker, war es für uns Hüter Buben leichter, die Kühe hatten mehr Freiraum. Um etwa fünf Uhr nachmittags wurden die Kühe rundum auf den Weiden unruhig, sie sammelten sich auf einem Fleck und warteten auf ein Zeichen zum Heimtrieb. Im Viehstall wusste jedes Rind wo sein Platz war. Im Stall bewegte ich mich flink zwischen den Kühen, dabei erreichte mein Kopf gerade einmal die Hälfte einer Kuh. Rasch wurden sie von uns angeleint, zwischen zwei Kühen eingezwängt zu werden, wäre für uns Volksschulkinder ungemütlich geworden.

puchmoped

An warmen Herbsttagen spazieren die Landler auf dem Güterweg vom Unterdabernig zum Oberdabernig. Diese Wegstrecke bietet einen herrlichen Blick auf das mittlere Drautal. Wer in Politzen aufgewachsen ist kennt die Geräusche, welche vom Talboden hochsteigen. Seit Jahrzehnten hat sich daran nichts geändert. Autogeräusche von der Ferndorfer Landesstraße und die Geräusche der durchfahrenden Züge. Ich schwanke zwischen Täuschung oder Wirklichkeit, dass die Geräusche heute leiser geworden sind und schneller verschwinden. Sie klingen nach höherer Geschwindigkeit oder ist es eine Sinnestäuschung? Waren es früher Personenzüge ist es heute die S-Bahn und der Railjet. Bis in die siebziger Jahre war die Anzahl der Züge überschaubar. Bei der Feld- und Waldarbeit hat es keine Armbanduhr gebraucht. Man orientierte sich an den durchfahrenden Zügen. Zu dieser Zeit ist etwas vor zwölf Uhr und abends um halb sechs Uhr ein Zug gefahren, dann war es Zeit für das Mittagessen und abends Zeit für die Stallarbeit. Im Herbst weideten die Kühe auf der Wiese und versammelten sie sich am späten Nachmittag vor dem Gatter war es Zeit zum Heimtreiben. Der Zugverkehr und die innere Uhr der Kühe ersetzten die Armbanduhr.

Mit der ausgeborgten Blauen Puch vom Vater haben sich am Sonntagsnachmittag neue Möglichkeiten aufgetan. Mit dem Moped konnten wir auf ein Tischfußballmatch zum Gasthof Dalmatiner in den Ort oder zum Gasthof Ott in Olsach düsen.  Ein Zwischenstopp beim Café Untersteggaber, dabei eine fünf Schillingmünze für die Musikbox für drei Schlagermelodien. Alle Nachwuchsrennfahrer und dies waren wir Alle wurden magisch angezogen von den Felgen und Lenkräder an den Wänden. Der Wirt war ein ramponierter Rallyefahrer, in den Glasvitrinen verstaubten einige Pokale und Flaggen von vergangenen Autorennen.

sonntagnachmittag

Zu Hause bereitete die Mutter für die große Familie das Mittagessen vor. Nach dem Heimkommen half ich ihr die Erdäpfel zu schälen, den Salat zu waschen und auf dem Küchentisch die Teller und das Besteck aufzulegen. Das bevorzugte Sonntagsessen war eine Frittatensuppe und ein Schweinsbraten. Die Ausnahme Rindsrouladen und Wienerschnitzel. Als Beilage gab es Kartoffelsalat, Bratkartoffeln oder Reis.  Einen Salat, welcher gerade im Garten aktuell war. Ein Highlight war die Nachspeise, ein Vanille- oder Schokoladepudding mit Himbeersirup. Für die Erwachsenen stand ein Krug Most am Tisch, wir Kinder bekamen den Most mit Wasser verdünnt und gezuckert.  Das Abwaschen des Essgeschirrs, für fünf und mehr Personen, geschah im Abwaschwanndl händisch. Das Abwaschwasser wurde in einen Kübel geschüttet und abends Kleie oder gestampften Kartoffeln dazugegeben und an die Schweine verfüttert.

In den Nachmittagsstunden bis zur Stallarbeit, je nach Jahreszeit, versammelte sich ein Teil der Familie zu einem Kartenspiel wie Bruckenmuhle, Watten oder Mensch ärgere dich nicht. Für die Mutter war das hören der Wunschsendung von Radio Kärnten eine Herzensangelegenheit. Bei den Schlagern von Freddy Quinn und Heintje kamen ihr die Tränen. Während des Radiohören hat sie die zerrissenen Hemden und Hosen geflickt, den einen und anderen Knopf wieder angenäht. In einer Ecke von der Küche stand eine Singernähmaschine mit Fußbetrieb. Vom Frühjahr bis in den Herbst verteilten sich die Familienmitglieder etwas im Haus oder außer Haus. In den Wintermonaten war es nur in der beheizten Küche gemütlich, der einzige Raum, wo wir uns ohne zu frieren aufhalten konnten. Am späten Nachmittag saßen alle am Küchentisch zur Nachmittagsjause, danach begann die Stallarbeit. Wir Kinder leisteten je nach Alter und Können unseren Beitrag, die einen bei der Fütterung und dem Melken im Kuhstall, die Anderen unterstützten die Mutter beim Schweinefüttern, und sorgten für das Holz und das Wasser in der Küche.

sonntagseinkauf

Sonntags, nach dem Besuch der Heiligen Messe, besorgten wir einige Lebensmittel beim Greisler neben der Pfarrkirche in St. Paul ob Ferndorf.  In den 60er Jahren waren die Handelsgeschäfte sonntags normalerweise geschlossen, hier gab es ein extra Service.  Üblicherweise waren es in den Landgemeinden Gemischtwarenhändler, es gab hier keine Lebensmittelmärkte, wie wir es heute kennen. Die großen Lebensmittelgeschäfte erweitern heute das Angebot mit saisonbezogenen Artikeln.

Die seinerzeitigen Gemischtwarengeschäfte waren von einer anderen Art. Hier hat man Gummistiefel ebenso bekommen wie Arbeitshandschuhe, einen Leckstein für die Kühe, genauso wie eine Schere zum Schafe scheren. Dazu die gängigen Lebensmittel, welche von der bäuerlichen Bevölkerung zugekauft wurden, wie Öl und Essig, Salz und Zucker, Kaffee und Rosinen. Nach dem Gottesdienst versammelten sich ein paar Personen beim Hintereingang vom nahen Gemischtwarenhändler. Der Mutigste öffnete die Haustüre, betrat den Vorraum und klopfte an der Küchentüre. Zumeist erklang ein mürrisches Herein, man öffnete die Küchentür und am Küchentisch saß Herr Peternell, ein kleiner dürrer Herr bei einer Schale Kaffee. „Die Mama schickt uns, können wir ein paar Sachen einkaufen“. Missmutig erhob er sich und nahm den Schlüssel von der Kredenz und sperrte den Hintereingang zum Geschäft auf. Auf Kommando stürmten alle Wartenden in das Geschäft und stellten sich vor der Budel auf. Wir waren mehrere Kinder, alle hatten einen Zettel von der Mama in der Hand, darauf standen die Nahrungsmittel, welche wir nach Hause bringen sollten. Das Rollo vom Haupteingang des Geschäftes blieb herunten. Zuerst eine Schubserei jeder wollte der Erste sein. Eines nach dem Anderen stellte der Herr Peternell auf die Budel und notierte den Preis auf einem Notizblock der Villacher Brauerei. Bevor er die Posten händisch zusammenzählte kontrollierte er, ob die Posten am Kellner Block und die Stückzahl an Lebensmitteln übereinstimmten. Erst dann addierte er die Posten und machte eine zweite Kontrolle. Ich kann mich nicht erinnern, dass er sonntags einmal nicht geöffnet hätte.