Hotlines

Seit der Jahrtausendwende wird bei Behörden, Institutionen und Firmen im Kundenverkehr eine Hotline, ein telefonischer Auskunfts- und Beratungsdienst, eingesetzt.  Die zuständigen Gesprächspartner sind nicht direkt zu erreichen. Die wenigsten Anrufer wollen erfahren, was die Institution für Dienstleistungen oder die Firma für Produkte anbietet. Zumeist ist man über das Gegenüber informiert, weil man schon öfter mit ihm zu tun hatte oder sich vorab im Internet informiert hat. Von der Telefonstimme kommt zuerst die Aufforderung, dass man sich auf der Webseite über dieses und jenes selbst informieren könnte oder selbst aktiv werden könnte. Bei der Sozialversicherungsanstalt werde ich mit der Signage: „Ihre SVS ist um ihre Gesundheit bemüht. Beweisen sie, wenn es um ihre Gesundheit geht, Selbstständigkeit. Dies und jenes können sie selbst auf unserer Homepage erledigen. Haben sie noch etwas Geduld, wir sind um ihr Anliegen bemüht.“ Damit sind nicht ein paar Minuten gemeint, es sind schon zehn Minuten vergangen. Inzwischen kenne ich alle Tipps auswendig, auch den Hinweis, dass es wegen des erhöhten Kundenaufkommen zu einer längeren Wartezeit kommt. Gesünder ist es, wenn man zurückgerufen wird, drücken sie die drei um einen Rückruf zu aktivieren. Ich atme erleichtert durch, als es endlich heißt: „Legen sie nicht auf, ihr Anruf ist bereits gereiht, ihr Gesprächspartner meldet sich in Kürze. Um ihr Anliegen schneller erledigen zu können, drücken sie bitte für Fragen zur Bewilligung einer Therapie die Eins, für Auskünfte zur Beitragsvorschreibung die Zwei, für alle anderen Anliegen bleiben sie in der Leitung, die Vermittlung meldet sich in Kürze“. 

1984

Die neue Welt wie sie George Orwell im Roman 1984 beschrieben hat zeigt sich heute auch dabei, wie sich Omas und Opas mit den Enkelkindern unterhalten. Das Skypen war einige Jahre das plus Ultra, mit dem Sohn, der Tochter und den Enkeln.  Von Kärnten aus kann man sich bildlich mit den Nachkommen im südlichen Italien unterhalten. Bei einem runden Geburtstag melden sich die weitschichtigen Verwanden aus Australien per Videoschaltung. Seit der Einführung von WhatsApp telefonieren Kleinkinder ab zwei Jahren eigenständig mit den Großeltern und winken der Oma am Bildschirm zu. Sei es, wenn es mit der Mamma im Park spielt, aus einem Einkaufscentrum oder von der Schaukel, welche hin und her schwingt. Ganz tolle ist es, wenn Papa von der Wasserrutsche für den Opa live überträgt.

Um die Entfernung von etwa 700 km zwischen Oma und Opa in Kärnten und dem Enkelkind in Mannheim zu überwinden, zeigt sich eine Familie aus dem Bekanntenkreis sehr kreativ. Die Tochter lebt mit dem Schwiegersohn und dem vierjährigen Enkel in der Nähe von Mannheim. Für den Enkel ist ein wenig zuwinken per WhatsApp zu wenig, gegenseitige Besuche sind selten, weil zeitintensiv und aufwendig. Jungen Familien, wo beide Eltern berufstätig sind, verlassen sich gerne darauf, dass die Großeltern die Aufsicht des Enkelkindes übernehmen. Mit ihm Spazierengehen, den Spielplatz besuchen oder ihn zu Hause zu unterhalten. Wie und durch was kann man dies ersetzen, wenn man siebenhundert Kilometer entfernt wohnt?

Die findigen Großeltern haben zuhause im Wohnzimmer eine Spielecke eingerichtet, mit Bagger, Traktor, Legobausteine, Motorsäge, Tankstelle und Match Box Autos. Per Videokamera werden Oma und Enkel miteinander verbunden. Sie können am Fernsehbildschirm gegenseitig beobachten wer mit den Legobausteinen das schönere Haus oder einen Elefanten baut. Wer ist der Sieger und weiß die Oma welches Auto wieviel Liter Benzin tanken kann? Der Enkel entscheidet, was die Oma besser machen könnte. Die Oma erfüllt ihre Omapflichten virtuell und der Schwiegersohn hat ein paar ruhige Stunden für das Homeoffice. Die Zukunft des Vierjährigen wird wahrscheinlich mehr virtuell als analog verlaufen. Auf die Gutenachtgeschichte braucht der Enkel nicht zu verzichten. Der Opa liest in St. Jakob im Rosental abends solange aus dem Märchenbuch vor, bis er auf der Couch einnickt. Aufgeweckt wird er von einem Polster, welchen Oma nach ihm wirft. Für den Enkel findet zeitgleich eine Polsterschlacht mit den Eltern im etwa siebenhundert Kilometer entfernten Mannheim statt.  

Strichcode

Alles mit Computer, Smartphone oder Internet zu erledigen ist für viele irritierend. Als Benützer eines Laptops und Smartphone, Anwender verschiedener Computerprogramme kommt es manchmal zu verstörenden Momenten. Normalerweise lese ich beim Hochfahren vom Laptop beruhigende Nachrichten, der Virenschutz ist eingeschaltet, alle Programme sind auf den neuesten Stand, es gibt neue Nachrichten auf Facebook und ähnliches. Verwirrend war gestern, dass auf dem Bildschirm vom Laptop, inmitten der Flusslandschaft von der Gail in der Schütt, ein Feld von zwei mal zwei Zentimeter mit feinen gelben Linien war. Davor habe ich dies nie gesehen, noch konnte ich dieses Feld einem Programm zuordnen. Vorausgegangen war, dass beim Besuch einer Finanzwebseite plötzlich der Bildschirm schwarz wurde, sich dann wieder normalisierte. Hatte dieses Rechteck etwas mit dem Blackout auf dem Bildschirm zu tun? Es war ein Strichcode wie ich es von vielen Produkten auf den Lebensmitten kenne. Bei der Kassa werden sie über den Scanner geführt. Überrascht und ratlos war ich, hat sich eine Linse ein geschwindelt, welche mich ständig im Auge behalten soll? Der Strichcode ein Indiz dafür, dass ein Unbekannter am PC anwesend ist, der die Absicht hat die Passwörter auszuspionieren.

Beim Anklicken mit der Maus zeigte sich das zwei mal zwei cm große Feld resistent für alle Versuche es zu verschieben oder zu löschen. Auf einer leeren Word Seite verwandelten sich die Streifen in kleine Punkte, geradeso als könnte ich mit dem Smartphone einen QR-Code scannen. Vielleicht ein Trick einer Schadsoftware um ein Fenster im Smartphone zu öffnen. Wer sich Eintritt in das Smartphone verschafft, hat intime Einblicke in das Leben des Benützers, bei den Handy -Nachrichten spielt sich das Leben ab. Wo man wann gewesen ist, mit wem man gesprochen hat, ob man ein leistungsorientierter Mensch ist oder das süße Leben bevorzugt. Habe ich öfter das Fitnessstudio in Warmbad oder das Kur Café in Warmbad besucht? Gegenüber anderen habe ich bis jetzt beschwichtigt, wer könnte sich für meine persönlichen Aktivitäten interessieren, bei sechs Milliarden Konkurrenz.

Andere wollte ich davon überzeugen, dass die Gefahren für Internetspionage gleich null sind, denn wer hat Interesse an den Tätigkeiten eines Bewohners von Warmbad. In der Kleinstadt Villach gibt es hunderte interessantere und einflussreichere Personen, die für einen Hackerangriff interessant wären. Ähnlich wie, dass nur bei wirklich Vermögenden versucht wird bei Abwesenheit einzubrechen. Nicht nur äußere Symbole, wie ein schöner Swimmingpool oder ein tolles Auto, auch ein Einbruchsversuch kann ein Zeichen für Wohlstand sein. Die Statussymbole verschieben sich heute, stolz sind jene, welche schon von einem Cyberangriffe betroffen waren.

Materialseilbahn

Die goldenen Jahre für das Heraklithwerk sind vorbei. Von vormals etwa siebenhundert Mitarbeitern sind noch etwa hundert Mitarbeiter in der Fertigung von Holzwolle-Leichtbauplatten »Heradesign« beschäftigt. Das Sirenengeheul bei Schichtwechsel, welches auch in der Politzen zu hören war, ist verklungen. Das Ortsbild von Ferndorf hat sich gewandelt, verschwunden sind zwei industrielle Einrichtungen, der Kran und die Materialseilbahn. Der Kran hat sich auf Schienen über die ganzen Werkshallen bewegt und für den reibungslosen Nachschub an Schleifholz gesorgt. Die Materialseilbahn hat das Heraklithwerk aus Radenthein mit Magnesit versorgt. Vom Rost gezeichnete Stützen der Materialseilbahn habe ich vor kurzem auf der Fahrt nach Döbrich, auf dem Glanz gesehen. Als Volksschulkind habe ich täglich zweimal die Materialseilbahn in Rudersdorf unterquert. Die Seilbahnstützen hatte ich in viel größerer Erinnerung.

Wie er die Unzufriedenheit in der Pension beseitigen konnte, hat ein Neurologe in der „Kleinen Zeitung“ geschildert: „Nach dem Genuss von einigen Jahren Rentnerdasein ist er dankbar, für einige Zeit in seinen Beruf zurückkehren zu können“. Treffend beschreibt er die Fahrt mit dem Auto zu seiner neuen Arbeitsstelle, einer Klinik im Gegendtal. Im morgendlichen Autoverkehr wird er von dem Gefühl überwältigt wieder dazuzugehören. Die Position, dass wir uns über die Arbeit definieren besteht noch immer. Die Forderung nach einem arbeitslosen Erwerbseinkommen ist ein Zukunftsmodell einiger weniger. Die Aussagen der Politiker schwanken zwischen dem Versprechen in Zukunft weniger zu arbeiten und dem Gegenteil. Um unseren Wohlstand zu erhalten, mit den staatlichen Beihilfen und Sozialleistengen müssten wir in Zukunft länger arbeiten.  

Schnellen Zugriff auf die Sozialleistungen haben die Migranten. Arbeitswillige Asylanten beklagen, dass sie bis zur Bewilligung des Asylantrages keine Arbeitserlaubnis bekommen. Beim Herumlungern fühlen sie sich in ihrer Ehre beschädigt.

Heraklithwerk

Sind dies schon Gründe alles schlecht zu reden oder wie gesagt wird, schlecht zusehen? In der besten Konditorei der Draustadt, nach eigenen Angaben, ist der Cappuccino zu zwei Drittel Milchschaum, den Kaffee findet man als Bodensatz in der Kaffeeschale. Zu jeder Tasse Cappuccino gibt es einen Beutel Zucker, früher waren es zwei. Das obligate Kecks oder Bonbon wird weggelassen. Die Welt steht nicht mehr lang, der Untergang hat längst eingesetzt. Mit dem Besuch eines Kaffeehauses verbinde ich die Muse ein wenig in den Tageszeitungen zu lesen, diese Zeit gönne ich mir. Seit der Coronapandemie hat sich dabei das Angebot ausgedünnt, eine ausländische Tageszeitung findet man in der Draustadt nicht mehr.  

Ist dies der Niedergang der Kaffeehauskultur? Auf einer anderen Ebene machen die Möbelhäuser immer mehr Werbung für ein billiges Frühstück in ihren Restaurants. Ein großes guten Morgen Frühstück bekommt man laut Werbung um € 7.90.  Viele Frauen nützen, nachdem Mann und Kind aus dem Haus sind, dies für ein gemeinsamen Frühstück mit Freundinnen. Das Frühstücken den ganzen Tag über Saison hat, zeigt sich auch in der Draustadt, zwei Neueröffnungen in der Gastronomie werben damit, dass man bei ihnen bis um vier Uhr nachmittags frühstücken kann. Ich kann mir als Frühaufsteher nicht vorstellen, dass ich nach zwölf Uhr mittags noch Lust auf ein Frühstück habe. Diese Zeiten wären einstmals optimal für Schichtarbeiter gewesen, wenn sie die Bude, wie die Fabrik genannt wurde, um zwei Uhr Nachmittag verlassen haben. Unter lautem Sirenengeheul haben die Arbeiter von der Frühschicht das Heraklithwerk in Ferndorf verlassen und sind durch das Werkstor in das Freie geströmt. Die Geschäfte und Wirtshäuser welche im Ortszentrum angesiedelt waren, Tabak Trafik, Gemischtwarenladen, Fleischhauerei und Gastwirtschaft haben bei Schichtwechsel an den Werksarbeitern verdient. Es war ähnlich, als ob ein Bus mit Touristen in den Ort gekommen wäre um die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Für eine halbe Stunde bevölkerten die Schichtarbeiter den Ortskern bis sie mit den Bussen in die Täler zurückgebracht wurden.