Ob heute die Ministranten in der Kirche den Jugendschutzbestimmungen unterliegen weiß ich nicht. Tatsache ist, dass der katholische Priester in Völkendorf einem Stadtteil von Villach die Christmette um zweiundzwanzig Uhr ohne die Unterstützung der Ministranten gefeiert hat. Wir haben als Ministranten bei der Christmette, welche um vierundzwanzig Uhr begann, ministriert. Einige Jugendliche machten sich in der Kirche dadurch bemerkbar, dass sie halblaut darüber diskutierten, welches Szenelokal oder Cafe in Villach heute, am Heiligen Abend, geöffnet hat und wo sie hingehen könnten. Der Besuch der Mette war für sie nur der Treffpunkt für den weiteren Abend. Es dauerte bis zur ersten Lesung und das Problem war ausdiskutiert. Sie nützten die allgemeine Unruhe, als sich die Leute zum Evangelium von den Sitzbänken erhoben, um die Kirche zu verlassen. Gerade als der Pfarrer „ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt „ vorlas, fing bei einer Kirchenbesucherin ihr Baby zu schreien an. Sie trug das Baby in einem Beutel vor dem Körper unter dem Anorak. Es war gerade so, als wollte sich das Jesuskind zu Wort melden. Die Mutter versuchte das Baby durch Schaukelbewegungen zu beruhigen, dann in dem es ihm die Brust reichte. Es hörte nicht auf zu schreien. Eine Möglichkeit wäre gewesen, das Baby in die neben dem Altar aufgestellte Krippe oder in den Kinderwagen der daneben stand, zu legen. Die Kirchenöffnung wird es mit sich bringen, dass beim Verlesen des Weihnachtsevangelium eine Geburt im Kirchenraum stattfindet. Im virtuellen Zeitalter könnte auf einer Leinwand eine Geburt aus dem Kreissaal des Krankenhauses Villach live übertragen werden.
Der Pfarrer beginnt mit der Predigt, mit der Auslegung des Weihnachtsevangeliums. Er spricht von der Menschwerdung Gottes, vom Durchbrechen der Naturgesetze, wie wir sie kennen. Heute wäre der Ort der Geburt ein Abbruchhaus in einer Wohnsiedlung in einem Vorort der Stadt. Die Menschen, welche der Geburt Christi beiwohnen würden wären heute keine Schafhirten sondern Hilfsarbeiter, Fabrikarbeiter, Teilzeitbeschäftigte und Arbeitslose. Der Satz war gerade zu Ende gesprochen als zwei Arbeitslose aus der Stadt mit offener, zerschlissener Jacke und schmutzigem Hemd in die Kirche kamen, und auf die erste Bank zugingen. Man sah ihnen das unterstandslose Leben und das sie dem Alkohol nicht abgeneigt sind an. Am Kopf trugen sie Tirolerhüte, voll besetzt mit verschiedenen Anstecknadeln. Einer von ihnen hielt krampfhaft eine Billatragtasche umklammert, in der sich eine Schnapsflasche befand. Nachdem sie sich auf der Bank niedergesetzt hatten, nahmen sie daraus einen Schluck, um dann an der Messfeier teilzunehmen. Sie nahmen die Hüte vom Kopf, standen von der Bank auf, wenn die anderen Kirchenbesucher aufstanden und spendeten etwas für den Klingelbeutel. Sie opferten nach einer kurzen Diskussion, weil für sie war dies ein Opfer das schmerzte. Sie werden am Christtag eine Flasche Bier weniger kaufen können.
Während der Messfeier hatte sich einiges getan. Einige Jugendliche hatten die Kirche verlassen, um dort hinzugehen wo sie wirklich feiern wollten. Das Christkind hatte sich durch das Schreien des Baby zu Wort gemeldet und war nicht nur ein Figur im Weihnachtsevangelium. Die festlich gekleideten, in warme Mäntel und Pelzstiefel gehüllten Kirchenbesucher hatten mit dem Auftauchen der Unterstandslosen eine Vorstellung bekommen, welchen Ort und welche Menschen sich der Heiland heute ausgesucht hätte, wenn er wiedergeboren würde. Es wäre nicht die mit Designermöbel ausgestatte Eigentumswohnung mit Fußbodenheizung und mit schöner Fernsicht gewesen. Durch diese Ereignisse ist in der Christmette das Evangelium sichtbar geworden.
Der Pfarrer sprach in der Predigt von der Verwaltung der Bürger, der Kontrolle durch den Staat und von der Erweiterung des Leben durch Christi Geburt. Am Ende der Messfeier, nach dem Absingen von drei Strophen des Liedes „Stille Nacht, Heilige Nacht“ hat der Pfarrer darauf hingewiesen, dass mit dem Opfergeld eine Pfarre im Sudan unterstützt wird. Die Arbeitslosen wünschten dem Herrn Pfarrer noch „Frohe Weihnachten“ und waren sichtbar froh eine Stunde in einem geheiztem Raum verbracht zu haben, bevor sie mangelhaft bekleidet in die sogenannte „Heilige Nacht“, bei minus acht Grad gegangen sind. Vorher haben sie noch einen Schluck aus der Schnapsflasche genommen um sich innerlich und geistig aufzuwärmen.
Vielleicht hätte man vom Opfergeld den zwei Mittellosen spontan einen Betrag geben sollen, auch auf die Möglichkeit hin, dass sie es in flüssige Nahrung umsetzen. Ich war am Ende der Messfeier nicht so spontan um ihnen zehn Euro zu geben. Dies ist meiner verzögerten Denkweise zuzuschreiben, ein Geburtsfehler.
Vom Leben in der Kirche.
Aus dem Tagebuch, 24.12.2006
ALLEN MEINEN LESERN EIN FRIEDVOLLES WEIHNACHTSFEST.
Vielen Dank für eure Besuche UND Kommentare in meinem Blog.
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