LICHTER . VORHANG

Der Nebel ist milchig, fast durchscheinend, dann wird er dunkel, bläulich. Vom Nebel hebt sich der Hochspannungsmasten dunkelgrün ab. Am  Bohrturm, ein gelber Finger der in die Höhe ragt,  bewegt sich die Gliederkette eines Panzer. Das Schlagen, Stossen, Kratzen  der Glieder hört man bis in das Zimmer. Ein Rohr nach dem anderem wird herangeschafft, auf die Plattform gebracht, beginnt sich zu drehen und verschwindet im Erdboden. Die ausgespuckte Erde wird weggeführt. Es wird dunkel. Der Nebel senkt sich über dem Villacher Becken bis auf Augenhöhe. Bei jedem Blick aus dem Fenster wird am gegenüberliegenden Berghang eine Wiese weniger.
 
Von den Wohnblocks sieht man die erleuchteten Stiegenhäuser, das übrige bleibt im Finstern. Eine gelbe Leuchtschrift „Hotel“. Überall Leuchtbalken. Aus der Dunkelheit tritt ein angestrahlter Kirchturm hervor. Die Autos auf der Strasse zum Einkaufszentrum sind fahrende weiße und rote Punkte. Sie bilden eine endlose Lichterkette. Bei der Einfahrt in das Einkaufszentrum hängt rechts und links ein Lichtervorhang.
 
Bühne frei.    

 

 

 2 Kommentar(e)    

Gerhard (17.12.07 22:16)
Hallo Schlagloch,
Du beschreibst oft sehr schön den Zerfall, der sich im “Schönen” tarnt.
Gruß
Gerhard
 

 


schlagloch
Hallo Gerhard!
Für viele hat der Zerfall auch seine Schönheit, weil Schönheit wird bald langweilig.
Gruss schlagloch.

 

 

 

NOBL . WEIN

 

Das Aussehen einer Stadt prägt meistens ein historisches Bauwerk, ein  großer Dom, ein Schloss auf einem Felsen, eine imposante Brücke, gut erhaltene Fassaden am Hauptplatz,  ein mit Stuckatur verziertes Rathaus, eine großzügige Fußgeherzone. In Ptuj steht ein Schlossanlage mit meterdickem Mauerwerk über der  Stadt. In den Strassen gibt es verwitterte Fassaden, Verputz der abbröckelt. In den Innenhöfen stürzen Mauern ein und Fenster sind ohne Glas, dahinter Finsternis, unbewohnt. Eingangstüren sind beschädigt und aufgebrochen, im Stiegenhaus leere Flaschen, Dosen, Plastiktragtaschen am Boden. Die Menschen sitzen im Dezember bei einem Cafe auf dem Rathausplatz. Die schöne Fassade des Rathauses ist das bessere Ambiente, als das kleine Lokal im Hinterhof, wo Drähte aus der Verteilerdose hängen, der Ventilator schief von der Decke hängt und nur zwei Glühbirnen brennen. Ein verstaubter, in die Jahre gekommener Vorhang und trübe Glasfenster nehmen den Blick in den Innenhof wo sich unbrauchbare Möbel  an der Mauer stapeln. An mehreren Stellen in der Stadt stehen Eisenplastiken, mit Figuren aus dem Alltag, Fischer, Radfahrer, Marktfrau und andere. Die Plastiken sind nicht verchromt oder poliert, es ist rostiges Eisen.
 
Unter den Häusern der Stadt befindet sich der über 500 Jahre alte Weinkeller, mit allen Jahrgängen seit 1946. Die Weinkellerei wird als Genossenschaft geführt und mit Geschmacksexperten aus den USA oder Argentinien wird ein zeitgemäßer Geschmack gekeltert. Wie in der Modebranche ändert sich der Weingeschmack und die Weinbörse in London bestimmt, was gerade Mode ist. Die neue Weinmarke heißt  „Nobl”.
 
Alles Fassade.  

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 2 Kommentar(e)     

weichensteller / Website (14.12.07 16:28)

Der künftige Fassadenwein und die überkommene Originalstadt. Das Stiegenhaus und die Cafe-Atmosphäre machen mich neugierig!
Wann warst du dort?
Wie komm ich hin….

LGW


schlagloch


Hallo Weichensteller!
Die Stadt Ptuj, Pettau, liegt in der Nähe von Marburg.

BLOG . THEATRE

Aus dem Gästebuch
 
Werter Schlagloch!

Ich habe bereits einige Texte von Ihrem Blog in unser Forum gebracht. Bitte schauen Sie auf: http://stg.beepworld.de/blogtxt/forum/viewtopic.php?t=93 

Sie und Ihre Leser sind jetzt herzlichst eingeladen, sich ins Forum zu registrieren und an der Diskussion über die dort gebrachten Blogs teilzunehmen.

Worum geht es hier werte Leser von Schlagloch? Es geht um ein Projekt der Grazer Bühnen. Mehr darüber erfahren Sie auf:  http://www.blogtheatre.net/

Liebe Grüße aus Graz!
Lindita (Blogscout Austria)

TREIB . EIS

Das Hotelzimmer bietet viel Platz, es ist  neu möbliert. Die Kleiderschränke sind geräumig, es gibt einen Schreibtisch, eine Sitzgarnitur und eine Stehlampe. Eine Steuerung für die Heizung, ein bequemes Bett mit neuer Bettwäsche und ein Bad mit Badewanne. In der Wand zum Bad gibt es ein Fenster, ein neuer Trend in den Hotels. Durch das Fenster des Hotelzimmer blicke ich auf die Burg von Ptuje in Slowenien. In der Drau spiegeln sich die Burg und die Häuser der Stadt. Eine Fußgeherbrücke, zwei Autobrücken und eine Eisenbahnbrücke führen in diesem Bereich über den breiten dunklen Strom. Beim Blick auf die Drau spiegelt sich meine Kindheit. Die Brücken sind der Übergang zu der Jugend.

 

Das Wasser der Drau schießt durch das Drautal. Ich sitze in meinem ungeheiztem Zimmer, im Winter sind die Fenster vereist. Auf der Fensterbank liegt eine alte Wolldecke, damit die kalte Luft nicht hereinströmt. Die Tür vom Kleiderschrank lässt sich nur mit Mühe öffnen, am Boden stehen Schachteln mit Nüssen. Am Tisch steht die Kasserolle mit der Sulze und einige Laib Brot. Am Boden stapeln sich die Steigen mit den Winteräpfel, eine Decke schützt sie vor der Kälte. Das Bett knarrt, die Matratzen abgelegen, beim Schlafen decke ich mich mit drei Steppdecken zu. In der Früh laufe ich aus dem Haus auf das Klo und dann in die Küche zur Waschschüssel.
 
Treibeis auf der Drau.       

 

 1 Kommentar(e)     


Gerhard (12.12.07 22:03)


Ja, Schlagloch, damals gab es kein Geld, um Dinge zu erneuern. Altes Bett blieb altes Bett. Kalt blieb kalt. Die Scharniere knarrten nun einmal, manche Dinge funktionierten nicht, einige blieben einfach schadhaft.
Heutzutage wird dem kleinsten Mangel abgeholfen. Funktionierende Dinge werden ausgetauscht, weil sie nicht mehr modern (up-to-date) wirken. Es gibt vielleicht sogar Zimmer, die kaum betreten werden, weil sie musealen Vorzeigecharakter haben.

Gruß
Gerhard

BLOG . THEATRE

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Liebe Grüße aus Graz!
Lindita (Blogscout Austria)