VIERZIG . KILOMETER
Der Besuch eines Faschingsball ist eine Möglichkeit mich wieder einmal in der „alten Heimat” sehen zu lassen. Dies heißt, in dem Ort wo ich geboren, und aufgewachsen bin. Dort stehe ich manches mal vor einem Rätsel, wenn ich mit „ hallo und du” begrüßt werde und nicht mehr weis, wer mein Gegenüber ist. Die ehemaligen Mitschüler und Jugendfreunde haben sich zum Teil stark verändert und vieles aus ihrem Leben ist mir unbekannt. Von manchen erfährt man, dass sie ebenfalls weggezogen sind oder besonders schmerzlich, bereits gestorben sind.
Sind diejenigen die Besseren und Klügeren, welche aus ihrem Geburtsort weggezogen sind und bleiben nur diejenigen im Ort, welche den Absprung nicht geschafft haben? Zu mir hat ein Jugendfreund gesagt, ich hätte es geschafft, weil ich in meinem Leben vom Heimatort weggezogen bin. Die Entfernung zwischen dem Geburtsort und dem jetzigem Wohnort beträgt vierzig Kilometer.
In der Jugend Fernweh, im Alter Heimweh.
RUTSCH . PARTIEDie erste Kälteperiode in diesem Winter beschert uns fünfzehn Grad minus. Viele Menschen leiden, schon wenn sie zum Einkaufen aus der Wohnung gehen, unter den Minusgraden. Im Supermarkt ist es angenehm warm und manche verweilen ein wenig länger um sich aufzuwärmen. Obwohl man annehmen müsste, dass die Arbeiter vom Wirtschaftshof, die beim Kanalnetz dringende Reparaturen durchführen oder die Monteure der Stromversorgung, welche die Freileitungen instandhalten müssen unter der Kälte leiden, so sind dies gerade diejenigen, welche am wenigsten klagen. Sie sind durch das ständige Arbeiten im Freien auch tiefere Temperaturen gewöhnt. Dazu kommt, dass es heute praktische, zweckmäßige und warme Kleidung gibt. In den Nachrichten werden zwei Temperaturen angegeben, die eine ist die gemessene Temperatur und die andere die gefühlte Temperatur. Unter gefühlter Temperatur versteht man, wenn zum Beispiel ein Wind weht, dass die Kälte noch um einiges schlimmer empfunden wird.
Wenn ich an die Minusgrade denke, so wird mir warm um das Herz, im Sinne von mich wohlfühlen. Die Minusgrade erinnern mich an meine Jugend, wo ich als junger Mensch körperlich gefordert wurde. Um halb sechs Uhr in der Früh aufstehen und vom unbeheiztem Schlafzimmer über die Stiege in die beheizte Küche zum Anziehen. In der Laben standen bereits die Milchkannen mit der frisch gemolkenen Milch und diese mussten zur Milchsammelstelle gebracht werden. Bei jeder Witterung, ob Schnee, Eis und tiefe Temperaturen, auch bei fünfundzwanzig Grad minus. Um den Weg nicht zu Fuß gehen zu müssen benützen wir Jugendliche das Moped. Auf dem Rücken die Milchkanne mit zwanzig Liter und am Tank des Moped die Kanne mit zehn Liter. Alles, was irgendwie einen Schutz gegen die Kälte und den eisigen Fahrtwind bot, wurde von uns angezogen. Die Hände und das Gesicht waren am schwersten vor der eisigen Kälte zu schützen. Die gestrickten Handschuhe und die gestrickte Mütze boten wenig Schutz gegen den kalten Fahrtwind. Ein wollenes Hemd wurde über das Gesicht gezogen. Die Fahrt mit dem Moped in der Finsternis auf der verschneiten und vereisten Strasse war eine Rutschpartie, dabei dienten beide Füße als Stützräder. Die Hin- und Rückfahrt betrug zirka acht Kilometer. Wieder zu Hause angekommen waren die Finger steif gefroren und das Kiefer konnte ich kaum bewegen, das ganze Gesicht war eingefroren. Danach musste ich schnell die Kleider wechseln, denn ich musste vier Kilometer zum nächsten Bahnhof laufen und mit dem Zug in die nächste Stadt zur Arbeit fahren.
Auf eisigen Wegen. |
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DIE . KATZEGeschichten und Berichte über Katzen gibt es im Internet viele. Es gibt eigene Homepage zu allen Katzenproblemen, Blogs in denen von den Erlebnissen mit Katzen berichtet wird und mit Bildern gezeigt wird, was die Katze gerade macht. Die Katze, er heißt Charly, kratzt gerade an der Wohnzimmertür und will, dass sie geöffnet wird. Es ist genau neunzehn Uhr. Zu dieser Zeit wandert er von der Küche in das Wohnzimmer zu der Fernsehsendung „Kärnten heute”. Er setzt sich auf den Receiver des Fernsehgerät und betrachtet die Familienfotos, welche auf einem Regal oberhalb des Fernsehers stehen. Diese Fotos betrachtet er täglich intensiv eine viertel Stunde, ohne sich zu bewegen. Danach rollt er sich am Receiver ein, legt seinen Kopf auf die Vorderpfoten und lässt seinen Schweif in den Bildschirm des Fernsehers hängen. Sein Schweif ist immer im Bild. Es ist, als träumt er vom Katzenhimmel.
Die Welt als Foto. |
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WC – INFORMATIONWer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kann beobachten welchen vielfältigen Beschäftigungen die Mitreisenden nachgehen. Es gibt dabei Unterschiede ob die Fahrt am Morgen oder am Abend stattfindet. Auch die Bequemlichkeit ist beim Fahren im Bus, in der Straßenbahn oder in der Eisenbahn verschieden. Am bequemsten reist man mit der Eisenbahn. Im Frühverkehr sieht man viele Menschen die Tageszeitung lesen. Hauptsächlich werden die Schlagzeilen gelesen und die Bilder angeschaut. Für diese Kurzlektüre eignen sich besonders die kleinformatigen Tageszeitungen. Oft bestimmt die Schlagzeile vom Titelblatt den Gesprächstoff für den Tag. Damit ist die Meinung bei vielen schon vorgegeben. Manchmal ist eine solche Schlagzeile die Krone der Engstirnigkeit und bewegt ein Land einen ganzen Tag lang.
Ich schätze bei Bahnreisen das Lesen der Wochenendbeilage einer großformatigen Tageszeitung. Dazwischen beobachte ich, was der übernächste Nachbar macht. Zum Bahnreisen gehört für mich der Verzehr von einem Speckbrot, nirgends schmeckt das Speckbrot so gut wie beim Zugfahren. Eine andere Art und einen anderen Ort den Menschen das Lesen der Zeitung nahezubringen haben die „Salzburger Nachrichten” gefunden. In einigen Hotels haben sie am WC, oberhalb vom Pissoir in einem Bilderrahmen, die ersten Seiten der aktuellen Ausgabe der Zeitung angebracht. Auch hier reicht die Zeit beim Pissen gerade dazu, die neueste Schlagzeile, „Der veruntreute Jesus” zu lesen. Ob dadurch Jesus den Männern näher gebracht werden kann?
Das Informations-WC. |
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MAUS . GOTTES IIWie viel Wissen an Theologie und Philosophie braucht es, und wie viel Kirchgang und Frömmigkeit ist notwendig, um das Wesen Gottes zu verstehen? Gibt es die Gotteserfahrung und die Gottesbegegnung nur in den Klöstern oder in den überdimensionierten Kirchen. Wenn man genau hinsieht sind die großen Kathedralen nicht nur zur Ehre Gottes erbaut worden, sondern meistens auch zur Ehre des Erbauers. Die Kaiser, die Kardinäle oder Päpste wollten, dass ihr Name unsterblich sein wird. Weil Gott ist auch in den einfachen Hütten der Naturvölker, Gott braucht keine Tempel.
Gott zeigt sich in der Lebenserhaltung einer Feldmaus und auf der anderen Seite zeigt sich die Abwesenheit Gottes, wenn eine Eishalle einstürzt und fünfzehn Menschen tot sind. Wo bleibt da die Gerechtigkeit Gottes, das sind die Abgründe Gottes. Seine Gerechtigkeit werden wir nie verstehen, wir Menschen werden immer die Unwissenden bleiben.
Werdet wie die Kinder . |
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MAUS . GOTTESSeit einem Monat schneit es in Südkärnten fast jeden Tag. Die Schneehöhe beträgt schon zwei Meter. Wenn ich Möselstein verlasse und dem Länderdreieck zustrebe wird die Strasse immer schmäler. Die Schneemassen türmen sich rechts und links der Straßenränder. Die Fichten lassen unter der Schneelast ihre Zweige hängen, viele Stauden und Sträucher sind eingeknickt. Der Himmel ist mit Wolken verhangen, die Sonne wird auch heute nicht scheinen. Seit Wochen fehlt die Sonne und drückt auch die Gedanken und das Gemüt in den Schnee. Der Schnee ist im fahlen Licht aschgrau. Je höher ich komme, umso stiller wird es im Wald. Ich weis nicht wo die Vögel, die Waldtiere sich versteckt halten, vielleicht unter Bäumen, an schneefreien Stellen und wo gibt es diese noch? Beim Weg zur Heuhütte sinke ich bei jedem Schritt bis zur Hüfte im Schnee ein. Das Vorwärtskommen ist mühsam. Bei der Heuhütte kreuzen sich die Spuren der Waldtiere. Aus der Manteltasche nehme ich mehrere Äpfel und zerbreche sie in kleinere Teile und verteile sie auf dem schneefreiem Boden vor der Heuhütte. Plötzlich taucht zwischen dem Lattenrost eine Feldmaus auf, geht ein paar Schritte in das Freie, schnuppert mit der Nase in der Luft und beginnt an einem Apfelstück zu knappern. Mit den Vorderpfoten hält sie das Stück Apfel fest. Ihr Hunger lässt es zu, dass sie nicht davonläuft, als ich ein neues Stück Apfel neben sie lege. Sie frisst, macht dann eine kurze Pause und frisst dann wieder weiter.
In der Bibel steht, nehmt euch ein Beispiel an den Tieren des Feldes und des Waldes, sie säen nicht, sie ernten nicht und sie leben doch. Wie ängstlich sind wir Menschen manchmal, wenn wir in unserem Überfluss Probleme bekommen, wenn etwas weniger wird.
Seht die Maus Gottes. |
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WOHN . TRAUMAuf der Suche nach einer Wohnung, ohne Straßenlärm und Staubbelastung, wird von einer Wohnungssuchenden vieles besichtigt und geprüft. Eine passende Wohnung zu finden wird zu ihrer Leidenschaft. Wie ein Stier auf ein rotes Tuch zuläuft, so laufen alle Aktivitäten auf die Wohnungssuche zu. Es gibt keine Argumente welche für die Beibehaltung der jetzigen Wohnung sprechen, alles spricht dagegen. Alle Tätigkeiten werden der einen Tätigkeit, der Wohnungssuche untergeordnet. Alte Verbindungen werden gelöst und neue Verbindungen mit Menschen geknüpft, welche auf Wohnungssuche sind. Es ist wie die Abkehr von einer Religion zu einer Sekte. Für alle Einwände gibt es das eine Wort, glauben. Gegen dieses eine Wort ist die Vernunft machtlos. Der Wohnungsmakler, sprich Priester, hat die besseren Argumente. Am Ende des Traumes verwandelt sich der Immobilienmakler in einen Sektenpriester. Es ist der 1. Januar 2006.
Vor 150 Jahren wurde Freud geboren. |
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