gefrier:punkt II

Wir diskutierten darüber, würde man heute jeden Maler der Vergangenheit dafür verurteilen was sein Mäzen an Gräueltaten und Verbrechen begangen hat und seine Gemälde aus den Museen entfernen, dann gäbe es in den Museen viele Lücken. Beim Geschichtenerzählen ist die Zeit wie im Flug vergangen, beim Surfen am Smartphone hätte ich alle fünf Minuten daran gedacht wie kalt es in der Ausstellungshalle ist und wann die Winterreifen endlich montiert sind. In unserer Nähe beschäftigten sich zwei Kfz-Techniker damit ein Heizgerät in Betrieb zu nehmen, sie studierten die Gebrauchsanweisung, hantierten am Gerät. Beim Zahlen stellte die Sekretärin klar, es gibt eine technische Störung bei der Heizungsanlage und jetzt wird versucht mit einer mobilen Heizkanone die Raumtemperatur ein wenig zu heben.

Dieses Jahr dachten wir von den Jahreszeiten in Kärnten, dass sie vom Herbst nahtlos in den Frühling überwechseln werden. Im November und im Dezember gab es zwischenzeitlich Regen und um die Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel gab es, wie die Wetterwarte verlauten ließ, abnormale Temperaturen. Es war für diese Jahresszeit viel zu warm. An manchen Tagen erreichten die Tageshöchsttemperaturen fünfzehn Grad plus. Der Rasen bei den Erdgeschoßwohnungen war übersät mit Gänseblümchen und das Gras sprießte in einem satten Grün. Sehnsüchtig schaute unsere Katze Sissi von der Loggia auf die grüne Wiese, das Gras übte eine magische Anziehung aus. Von Frühjahr bis Herbst hat sie in den Blumentrögen, welche die Loggia abschließen, ihr eigenes Gras. Wintersüber, jedenfalls was den Kalender betrifft, halten sich die Grasnarben zurück. Seit Herbst hat sie in einer Bananenschachtel Heu von einem Bauern und frönt einer neuen Leidenschaft. Jedes Mal, wenn ich die Loggia betrete hüpft sie in ihr Heudomizil wälzt sich darin und beginnt mit den Vorderpfoten im Heu zu scharren. Jetzt sind wir mittendrin im Winter.

gefrier:punkt

Als ich die Verkaufshalle der Citroen Werkstätte in Klagenfurt betrete, war ich wie elektrisiert. Es war ein feuchter und kühler Novembertag und ich komme zum Reifenwechsel. Gerade bin ich aus dem gutbeheizten Auto ausgestiegen und hier schlägt mir eine kühle Luft entgegen. Es handelt sich nicht um eine persönliche Empfindung, dass sehe daran, weil die Dame beim Empfangsschalter mit einer dicken Winterjacke bekleidet ist. Die Herren bei der Reparaturannahme tragen ebenfalls Winterbekleidung. Meine erste Vermutung, hier wird das vielerorts geforderte Energiesparen, die Temperatur in Arbeitsräumen zu drosseln, auf Punkt und Beistrich umgesetzt. Die Sekretärin bestätigt meine Befürchtung. Etwa eine Stunde wird der Reifenwechsel dauern. Zu dritt sitzen wir gut eingehüllt an einem Besuchertisch in der Ausstellungshalle, wir warten gemeinsam auf die baldige Erledigung der Arbeiten am Auto. Würde ich jetzt jemanden fragen, wie wir uns die Wartezeit vertrieben haben, dann wäre mit Wahrscheinlichkeit die Antwort, mit dem Smartphone. Die meisten würden dem aus der Erfahrung beim Warten bei einem Arztbesuch oder beim Bürgerbüro am Gemeindeamt, zustimmen. Nicht anders läuft es ab, wenn sich Familienmitglieder im Restaurant zum Essen versammeln oder Jugendlich im Foyer auf den Kinobeginn warten, jeder wischt und tippt am Smartphone.

Wir waren drei Personen welche sich vorher nicht gekannt haben und haben begonnen einander Geschichten zu erzählen. Ausgangspunkt waren Notenblätter für ein Klavierstück welche von der jungen Frau studiert wurden und jetzt am Couchtisch lagen. Sie war Musikstudentin und wartete auf ihren Citroen C2 der beim Winter Service war. Das Gespräch drehte sich auch, die Zeitungen in Reichweite berichteten auf der Titelseite vom Ukrainekrieg, über den Angriff Russlands auf die Ukraine. Der Angriff von Russland wurde von niemandem gutgeheißen. Kann dies im Westen so weit gehen, dass jetzt die klassische russische Musik oder Literatur ebenfalls geächtet werden. Wir sprachen über die Musik von Schostakowitsch, Strawinsky und Ramanchhoff… 

black:out ll

Die betagten Personen unter uns haben Erfahrungen mit Krisen- und Mangelsituationen gemacht. Vom alters her können immer weniger von den Kriegsjahren und den Nachkriegsjahren, welche vom Mangel geprägt waren, erzählen. Wobei der Mangel beim Heizmaterial und den Lebensmitteln, wie ich von älteren Personen weiß, in den Städten dramatischer war als am Land. Die Selbstversorgung mit Heizmaterial und Lebensmitteln war im ländlichen Gebieten möglich, wohl weil sich Keuschler und Kleinlandwirte über verschiedene Verordnungen hinweggesetzt haben. Die ältere Generation betrifft jetzt ein neues Phänomen, zu Essen und Trinken gibt es für sie ausreichend, sie kämpfen mit der Vereinsamung. Die Mobilität lässt nach, Freunde und Freundinnen versterben. Trotz der neuen Generation von Mobiltelefonen gibt es plötzlich niemanden mehr mit denen sie telefonieren können, dies betrifft manchmal schon über Achtzigjährige. Betagte Verwandte, welche am Land wohnen bedauern, dass sie nicht mobil sind. Wer bleibt noch zum Reden, vor allem wer versteht sie, mit wem können sie sich über ihre Anliegen unterhalten? Ein verloren Sein in der Welt. In diesem Alter geht es auch darum sich von Berufsstand zu Berufsstand, von Bäuerin zu Bäuerin, von Kaufmann zu Kaufmann oder von Gastwirtin zu Gastwirtin zu unterhalten. Die jetzigen Generationen werden in ihrem Leben ihren Beruf oft wechseln oder zersplittern. Es wird selten die Bezeichnung der Bauer verwendet, es gibt der Biobauer, den Getreidebauer oder den Schafbauer. Wobei heute ein Lebensmittel ohne die Zusatzbezeichnung Bio fast unverkäuflich ist.

Im Ort gab es das Kaufhaus Bacher, dort gab es Nägel, Hacken, Melkeimer, Wollsocken, und natürlich Salz, Maggi und Titze Gold. Die Kaufhäuser am Land sind längst ein Opfer der Lebensmitteldiskonter und der Shoppingcenter geworden. In Pandemiezeiten wurde versucht für Jedermann einen Onlineauftritt im Web zu installieren, als Ersatz für die zwangsweise geschlossenen Geschäfte.  Von Seiten der Handelskammer wurde festgestellt, dass dieser Webauftritt von den Endverbrauchern nicht angenommen oder nicht gefunden wurde. Ein verloren Sein im Web.

black:out

Derzeit ist anzunehmen, dass im ersten halben Jahr die Bundesregierung, ob fähig oder unfähig, für die Meisterung der Energiekrise, der Teuerungswelle und der Pandemie im Amt bleiben wird. Manches mal lässt sich erst, wenn jemand im Job tätig wird feststellen, ob er dazu fähig ist oder nicht. Im ungünstigsten Fall stellt man im Nachhinein fest wie gut jemand seine Aufgabe gemeistert hat. Dies trifft nicht nur bei Politik- oder Vereinsfunktionären zu, auch im Arbeitsalltag. Für dieses Jahr hoffe ich, dass kein steter Wechsel in der Ministerriege stattfindet. Es auch keine zusätzlichen Kommissionen und Arbeitsgruppen zu der Krisenbewältigung braucht. Ich nehme an, dass in jedem Ministerium eine Fülle von Mitarbeitern arbeiten, welche von der Materie etwas verstehen. Als Beispiel das Landwirtschaftsministerium: Dort sollten Mitarbeiter sitzen, welche etwas von der Landwirtschaft, der Agrarindustrie wie es heute heißt, verstehen. Dabei auch das breite Spektrum vom Bergbauern bis zum Agrarbauern und der Lebensmittelindustrie kennen.

So sehe ich es auch im derzeit geforderten Gesundheitsministerium, dass hier Angestellte am Werk sind, welche sich bei dem Betrieb von Gesundheitseinrichtungen, bei der Gesundheitsvorsorge und in diesen Zeiten bei der Pandemiebekämpfung auskennen. Als Unbedarfter frage ich mich oder ist es naiv zu fragen, warum braucht es bei Ereignissen, welche etwas außerhalb der normalen Verwaltungstätigkeit liegen, sofort eine externe Expertengruppe? Reichen die Qualifikationen und das Wissen der Spitzenbeamten für die Bewältigung einer neuen Herausforderung nicht aus?

Mir ist es der falsche Zeitpunkt gewesen, als im Vorjahr vom Land Kärnten eine Informationsbroschüre zu einem möglichen Blackout verbreitet wurde. Gab es in der Landesregierung keine psychologisch geschulten Menschen welche verhindert haben, dass zu den Meldungen von überfüllten Krankenhäusern, Intensivstationen und Kriegsberichten, noch diese von düsteren Szenarien durchzogene Zeitschrift versandt wurde. Schon das Titelbild hatte eine angsteinflößende Wirkung. Es gibt Bekannte welche sich genötigt sahen einen Lebensmittelvorrat und eine Kochstelle anzulegen. Manche haben es bei den Campingausrüstern versucht. Wobei oft festgestellt wurde, dass es in den Miet- oder Eigentumswohnungen für den Winter keine unabhängigen Heiz- und Kochstellen gibt.

Bi:lanz II

Das neue Jahr geht mit einem schweren Rucksack in die nächsten Monate, man könnte sagen, dass alte Jahr hat dem neuen Jahr einen schweren Rucksack geschultert. Noch sind die Folgen von zwei belastenden Corona Pandemiejahren nicht vorbei, da brach der Ukrainekrieg aus und in diesem Winter eine Grippewelle.  Die EU beschloss eine Vielzahl von Sanktionen gegen Russland, wie Einstellung der Erdöl und Gaslieferungen. Neben der humanitären Herausforderung, die Versorgung der ukrainischen Kriegs Flüchtlinge, löste der Ukrainekrieg eine massive Teuerungswelle aus. Seit längerem bedrohen unseren Lebensstil die Klimakrise, die Forderungen nach Reduzierung des CO2 Schadstoff Ausstoßes bleiben ungehört. Dagegen gibt es eine neue Protestwelle der sogenannten „Letzten Generation“.  Sie bemängeln wie rapid die Ressourcen dieser Erde überproportional verbraucht werden. Zumeist vom sogenannten Westen zu Lasten der dritten Welt Ländern. Wobei ich nicht weiß, ob das Wort dritte Welt noch korrekt ist?

Die aktuelle Generation fordert mehr Lebensqualität, die Frage nach dem Lebenssinn wird ausgeklammert. Sie befürworten einen radikalen Wirtschaftswandel und verlangen den schleichenden Ausstieg aus den Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnissen wie wir es, ab 40plus, gekannt haben. Neuerdings möchte man keine vollen achtunddreißig Stunden in der Woche arbeiten, besser weniger bei gleichem Lohn. Verpönt ist die Arbeit am Wochenende, das neue Schlagwort ist die vier Tage Woche. Manche Forderungen können nur gestellt werden, weil von den vorangegangen Generationen dafür die Voraussetzungen, in der Infrastruktur und durch Wohlstand geschaffen wurden. Damit lässt sich manche Forderung, zumindest in den nächsten Jahrzehnten, umsetzen und finanzieren. Es gibt Beispiele in der Verwandtschaft, dass Jugendliche nicht viel Wert darauf legen die Voraussetzung sich eine Wohnung anzuschaffen selbst zu erarbeiten. Die fälligen Reparaturen am Eigenheim überlässt man den Eltern. Sind die Großeltern etwas begütert, erwarten sich die Enkel eine satte Starthilfe. Im Gegenzug melden sie sich bei ihnen zweimal im Jahr per WhatsApp: Zu Silvester, An guatn Rutsch, zum Geburtstag, Olls Guate.  Das Studium oder der Job sind so stressig, mehr lässt die Zeit nicht zu.