puchmoped

An warmen Herbsttagen spazieren die Landler auf dem Güterweg vom Unterdabernig zum Oberdabernig. Diese Wegstrecke bietet einen herrlichen Blick auf das mittlere Drautal. Wer in Politzen aufgewachsen ist kennt die Geräusche, welche vom Talboden hochsteigen. Seit Jahrzehnten hat sich daran nichts geändert. Autogeräusche von der Ferndorfer Landesstraße und die Geräusche der durchfahrenden Züge. Ich schwanke zwischen Täuschung oder Wirklichkeit, dass die Geräusche heute leiser geworden sind und schneller verschwinden. Sie klingen nach höherer Geschwindigkeit oder ist es eine Sinnestäuschung? Waren es früher Personenzüge ist es heute die S-Bahn und der Railjet. Bis in die siebziger Jahre war die Anzahl der Züge überschaubar. Bei der Feld- und Waldarbeit hat es keine Armbanduhr gebraucht. Man orientierte sich an den durchfahrenden Zügen. Zu dieser Zeit ist etwas vor zwölf Uhr und abends um halb sechs Uhr ein Zug gefahren, dann war es Zeit für das Mittagessen und abends Zeit für die Stallarbeit. Im Herbst weideten die Kühe auf der Wiese und versammelten sie sich am späten Nachmittag vor dem Gatter war es Zeit zum Heimtreiben. Der Zugverkehr und die innere Uhr der Kühe ersetzten die Armbanduhr.

Mit der ausgeborgten Blauen Puch vom Vater haben sich am Sonntagsnachmittag neue Möglichkeiten aufgetan. Mit dem Moped konnten wir auf ein Tischfußballmatch zum Gasthof Dalmatiner in den Ort oder zum Gasthof Ott in Olsach düsen.  Ein Zwischenstopp beim Café Untersteggaber, dabei eine fünf Schillingmünze für die Musikbox für drei Schlagermelodien. Alle Nachwuchsrennfahrer und dies waren wir Alle wurden magisch angezogen von den Felgen und Lenkräder an den Wänden. Der Wirt war ein ramponierter Rallyefahrer, in den Glasvitrinen verstaubten einige Pokale und Flaggen von vergangenen Autorennen.

sonntagnachmittag

Zu Hause bereitete die Mutter für die große Familie das Mittagessen vor. Nach dem Heimkommen half ich ihr die Erdäpfel zu schälen, den Salat zu waschen und auf dem Küchentisch die Teller und das Besteck aufzulegen. Das bevorzugte Sonntagsessen war eine Frittatensuppe und ein Schweinsbraten. Die Ausnahme Rindsrouladen und Wienerschnitzel. Als Beilage gab es Kartoffelsalat, Bratkartoffeln oder Reis.  Einen Salat, welcher gerade im Garten aktuell war. Ein Highlight war die Nachspeise, ein Vanille- oder Schokoladepudding mit Himbeersirup. Für die Erwachsenen stand ein Krug Most am Tisch, wir Kinder bekamen den Most mit Wasser verdünnt und gezuckert.  Das Abwaschen des Essgeschirrs, für fünf und mehr Personen, geschah im Abwaschwanndl händisch. Das Abwaschwasser wurde in einen Kübel geschüttet und abends Kleie oder gestampften Kartoffeln dazugegeben und an die Schweine verfüttert.

In den Nachmittagsstunden bis zur Stallarbeit, je nach Jahreszeit, versammelte sich ein Teil der Familie zu einem Kartenspiel wie Bruckenmuhle, Watten oder Mensch ärgere dich nicht. Für die Mutter war das hören der Wunschsendung von Radio Kärnten eine Herzensangelegenheit. Bei den Schlagern von Freddy Quinn und Heintje kamen ihr die Tränen. Während des Radiohören hat sie die zerrissenen Hemden und Hosen geflickt, den einen und anderen Knopf wieder angenäht. In einer Ecke von der Küche stand eine Singernähmaschine mit Fußbetrieb. Vom Frühjahr bis in den Herbst verteilten sich die Familienmitglieder etwas im Haus oder außer Haus. In den Wintermonaten war es nur in der beheizten Küche gemütlich, der einzige Raum, wo wir uns ohne zu frieren aufhalten konnten. Am späten Nachmittag saßen alle am Küchentisch zur Nachmittagsjause, danach begann die Stallarbeit. Wir Kinder leisteten je nach Alter und Können unseren Beitrag, die einen bei der Fütterung und dem Melken im Kuhstall, die Anderen unterstützten die Mutter beim Schweinefüttern, und sorgten für das Holz und das Wasser in der Küche.

sonntagseinkauf

Sonntags, nach dem Besuch der Heiligen Messe, besorgten wir einige Lebensmittel beim Greisler neben der Pfarrkirche in St. Paul ob Ferndorf.  In den 60er Jahren waren die Handelsgeschäfte sonntags normalerweise geschlossen, hier gab es ein extra Service.  Üblicherweise waren es in den Landgemeinden Gemischtwarenhändler, es gab hier keine Lebensmittelmärkte, wie wir es heute kennen. Die großen Lebensmittelgeschäfte erweitern heute das Angebot mit saisonbezogenen Artikeln.

Die seinerzeitigen Gemischtwarengeschäfte waren von einer anderen Art. Hier hat man Gummistiefel ebenso bekommen wie Arbeitshandschuhe, einen Leckstein für die Kühe, genauso wie eine Schere zum Schafe scheren. Dazu die gängigen Lebensmittel, welche von der bäuerlichen Bevölkerung zugekauft wurden, wie Öl und Essig, Salz und Zucker, Kaffee und Rosinen. Nach dem Gottesdienst versammelten sich ein paar Personen beim Hintereingang vom nahen Gemischtwarenhändler. Der Mutigste öffnete die Haustüre, betrat den Vorraum und klopfte an der Küchentüre. Zumeist erklang ein mürrisches Herein, man öffnete die Küchentür und am Küchentisch saß Herr Peternell, ein kleiner dürrer Herr bei einer Schale Kaffee. „Die Mama schickt uns, können wir ein paar Sachen einkaufen“. Missmutig erhob er sich und nahm den Schlüssel von der Kredenz und sperrte den Hintereingang zum Geschäft auf. Auf Kommando stürmten alle Wartenden in das Geschäft und stellten sich vor der Budel auf. Wir waren mehrere Kinder, alle hatten einen Zettel von der Mama in der Hand, darauf standen die Nahrungsmittel, welche wir nach Hause bringen sollten. Das Rollo vom Haupteingang des Geschäftes blieb herunten. Zuerst eine Schubserei jeder wollte der Erste sein. Eines nach dem Anderen stellte der Herr Peternell auf die Budel und notierte den Preis auf einem Notizblock der Villacher Brauerei. Bevor er die Posten händisch zusammenzählte kontrollierte er, ob die Posten am Kellner Block und die Stückzahl an Lebensmitteln übereinstimmten. Erst dann addierte er die Posten und machte eine zweite Kontrolle. Ich kann mich nicht erinnern, dass er sonntags einmal nicht geöffnet hätte.

venedig & grado II

Brennt es im Hotel? Beim Notausgang hat sich schon eine Schar von Gästen versammelt. Keiner weiß etwas, jeder wartet auf eine Information vom Nachtportier. Die ersten Gäste zünden sich vor Anspannung und Aufregung eine Zigarette an. Kleinkinder klammern sich ganz fest an die Eltern. Eine hochschwangere Frau streicht mit ihrer Hand beruhigend über den Bauch. Ein etwa zehnjähriger Bub steht top angezogen neben seiner Mama.

Der Feueralarm hält weiter an, durch die Türe sehen wir, wie der Nachtportier mit dem Handy telefonierend die Stiege hoch hastet, wir erhalten keine Auskunft. Die zumeist deutschsprechenden Urlauber stehen diskutierend in kleinen Gruppen am Parkplatz. Eine Person verstaut Taschen in seinem Auto und versucht wegzufahren, er schafft es nicht aus der Parkzone. Die Gäste bewegen sich zum Haupteingang vom Hotel, nach etwa fünfzehn Minuten erlischt der Alarm. Einige sehen die Ursache im Fehlalarm im gestrigen Stromausfall. Eine Dame erzählt, vor einem Jahr gab es auch einen Fehlalarm in diesem Hotel. Der top gekleidete Volksschüler sagt zur Mamma, von diesem Wochenende kann er seinen Klassenkameraden etwas erzählen. Einige Urlauber wollen heute noch abreisen, andere bleiben bis Sonntag. Mit Sirenengeheul nähert sich ein Lastauto, die Feuerwehr, es ist die Müllabfuhr. Anwesend war nur der Nachtportier, dieser beginnt die Brandschutztüren wieder zu verriegeln. Nach etwa einer halben Stunde gehen die Gäste zurück in die Zimmer, beim Frühstück gab es vom Personal kein Wort zum Feueralarm. In Grado blitzt und donnert es, es stürmt und das Meer schäumt. An Schlaf war für mich nicht zu denken, ich dusche und kleide mich an. Instinktiv hat meine Journalistenseele eine paar Fotos mit dem Handy gemacht. Der Wetterbericht am Handy zeigt für Grado für weitere Stunden Stürme und Gewitter an. Es wird erwartet, dass die Regenfälle am Vormittag aufhören.

venedig & grado

Bei der Rückfrage aus der Heimat, wie es um das Zimmer in Grado bestellt ist war meine Antwort, besser als vor zwei Jahren in Venedig. Damit habe ich zweierlei signalisiert: ich bin vom Zimmer nicht begeistert, aber das Positive an diesem Zimmer war, es ist geräumiger, mit Meerblick und mit einem Lift erreichbar.  Das Zimmer in Venedig, nahe dem Bahnhof, in einem drei Sterne Hotel war ein Erlebnis eigener Art. Gebucht habe ich ein Einzelzimmer mit Frühstück und der Option bei Verfügbarkeit Upgrade auf ein Doppelzimmer. In der Hotelbeschreibung, obere Stockwerke mit dem Lift erreichbar. Die Rezeption lag geschätzt im 3. Stock und war nur über eine steile Treppe mit rotem Teppich erreichbar. Vom Upgrade auf ein Doppelzimmer war nichts bekannt. Das Einzelzimmer lag im Hinterhof, über schmale und verwinkelte Stiegen erreichbar, auf Erdgeschoß Niveau. Durch eine schmale Zimmertür betrat ich das Zimmer und stand neben dem Einzelbett. Über eine Stiege gelangte ich in das tieferliegende Bad. Das inbegriffene Frühstück wurde in Abrede gestellt, worauf ich den Support der Buchungsplattform kontaktierte. Innerhalb weniger Stunden erhielt ich aus Singapur in perfektem Deutsch die Nachricht, dass das Hotel kontaktiert wurde und für mich das Frühstück inbegriffen ist.

In Grado war dieses Jahr das Frühstück reichlich und statt Hinterhof gab es Meerblick. An einem Tag ertönte um fünf Uhr morgens eine Sirene. Schlaftrunken und unwissend, ist dies ein Alarm wegen Sturmfluten, ging ich auf den Balkon. Am Abend hatte es zuvor in Grado kräftige Gewitter gegeben. Das Meer war ruhig.  Die Sirene machte keine Pause, war dies ein Brandalarm im Hotel? Beim Blick auf den Hotelgang, die Brandschutztüren sind geschlossen, weitere Zimmertüren öffnen sich. Verschlafen und ungläubig schauen wir uns an, Gott sei Dank kein Rauch oder Brandgeruch. Einige Gäste hasten über die Stiege in das Erdgeschoß. Ich eile in das Zimmer und ziehe über den Pyjama das nächstliegende Kleidungsstück, eine Hose und die neue Jacke, über. Dazu nehme ich das Handy und den Zimmerschlüssel in die Hand und hinaus in das Stiegenhaus. Bei einer Dame vor mir weigert sich der Hund über die Stufen zu gehen.