documenta & biennale

Auf eigene Faust erkunde ich die documenta in Kassel oder die Biennale in Venedig.  In den letzten Jahrzehnten hat sich die bildende Kunst von der klassischen Malerei abgewandt und die Projekte und Objekte tragen zumeist soziale Vorschläge in sich. Vom Status quo der Maler, Bildhauer oder Objektkünstler als Genie hat man sich seit zwei Jahrzehnten abgewandt. Auf den großen Kunstaustellungen in Mitteleuropa steht als Urheber einer Installation ein Kollektiv.

Zeitweise stellt sich vor dem Besuch einer Kunstausstellung die Frage, ob man gemeinsam mit dem Partner die Ausstellung besucht oder ist das Interesse einseitiger Natur. Die körperliche Beanspruchung für ein mehrtägiges Verweilen auf der documenta in Kassel ist enorm. Dabei sind, trotz Verkehrsticket, die zu Fußstrecken und die sommerlichen Temperaturen eine weitere Beschwernis. Daher war ich auf der documenta fünfzehn in Kassel und der 60. Biennale in Venedig allein unterwegs. Meine Erfahrung ist, dass in den Hotels die Einzelzimmer zumeist winzig sind, keinen besonderen Komfort bieten und keine bevorzugte Lage haben. Meine Herangehensweise ist, im Internet über eine Hotelplattform nach einem Doppelzimmer zur Einzelbenützung zu suchen. Dadurch ist ein gewisser Standard gewährleistet. In diesem Jahr besuchte ich die 60. Kunstbiennale in Venedig, das Quartier war aus Familiengründen in Grado. Zeitgleich fand der österreichische Ärztekongress in Grado statt. Die Auswahl an Zimmern mit Meerblick war zu meinem Buchungstermin nicht sehr groß. Es gab ein freies Einzelzimmer mit Meerblick, in nächster Nähe der Altstadt. Die Hotelzimmer an der oberen Adria sind aus meiner Erfahrung eng bemessen. Die Hotellerie rechnet damit, dass sich die Gäste tagsüber am Strand aufhalten und die Zimmer nur zum Schlafen benützt werden. Übernachtet man zu zweit in einem Doppelzimmer in Strandnähe braucht es in einigen Fällen eine Akrobatikübung, dass man aus dem Bett in das Bad kommt.

knopfchirurgie

Am Villacher Kirchtag besorgte die Nachbarin für mich zwei Lebkuchenherzen. Eines für die Lebensgefährtin R. und eines will ich an den Schwersternstützpunkt der Orthopädie im Kardinal Schwarzenberg Klinikum versenden. Dazu ein paar nette Zeilen zum Aufenthalt. Die Aufmerksamkeit und Zuwendung gegenüber uns Patienten war sehr sorgsam und menschlich. Der Schwesternschülerin, ich habe ihr den Beinamen Die Biene gegeben, habe ich beim Austreten aus dem Krankenhaus den Roman von Robert Seethaler, „Die Biene und der Kurt“, überlassen. Nach der Lektüre hatte ich das Gefühl, dass Seethaler für seine Protagonistin die Schwesternschülerin als Vorbild genommen hat. Ich konnte mir vorstellen, dass sich die pummelige Schwesternschülerin in der Figur „Die Biene“ wiederfinden wird. Morgens wurden wir von ihr mit dem Satz, “darf ich ihnen den Blutdruck messen”, geweckt.

Die Nachbarin, eine Krankenschwester, war ganz überrascht, dass ich nach der Hüftprothesenoperation keine Stützstrümpfe tragen muss. Soweit sie Bescheid weiß, ist es in der Villacher Orthopädie üblich, dass die Frischoperierten Stützstrümpfe tragen. Des Weiteren war es nicht notwendig mir täglich eine Thrombosespritze zu verabreichen. Als Krankenschwester hätte sie mir diese Spritze verabreicht. Zur Vermeidung einer Thrombose musste ich einen Monat lang täglich eine Xarelto 50 mg einnehmen.

Nach dem Krankenhausaufenthalt genieße ich frühmorgens, bei Sonnenschein, die Zeit auf unserer Loggia. Auf dem Teller mit dem Apfelstrudel tummeln sich ein paar Ameisen. Winzige Tiere und doch voller Leben. Sie verfügen über alles, was sie zum Leben und Überleben brauchen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich nehme an, dass sie die menschliche Gier, die nach immer mehr verlangt als notwendig ist, nicht kennen. Soweit ich weiß leben sie in einem Sozialstaat, wo die Aufgabenteilung geregelt ist. Wie soll ich dieses Zusammenspiel einordnen, staunen darf ich darüber. Aus dem Tageheft…

mobilität

Groß war die Freude, als ich nach der Hüftoperation das erste Mal im Freibecken der Sonderkrankenanstalt Warmbad schwimmen konnte. Zuerst vorsichtig, als würde ich dem neuen Hüftgelenk nicht trauen. Das Alter hat auch seine Vorteile, man braucht sich niemandem gegenüber beweisen. Den Beweis für die Lebenstüchtigkeit hat man schon erbracht, ansonsten ist es zu spät. Der Schwerpunkt liegt auf einigermaßen, niemand will sich vor der Zeit aufgeben.  Ganz oben steht bei älteren Leuten der Wille gehfähig zu bleiben, heute spricht man vom mobil bleiben. Ein vielgebrauchtes Wort ist die Mobilität, auch gegen die uneingeschränkte Mobilität wie sie in den siebziger und achtziger Jahren begrüßt und gefördert wurde.  Dem Auto- und Flugverkehr kehrt man den Rücken zu. Dazu möchte ich anmerken, dass besonders in der Jugend und gerade in der Pension die Mobilität, das Autofahren, eine besondere Aktualität hat.

Wer es selbst erlebt weiß, dass es mit zunehmendem Alter mühsamer wird größere oder steile Wegstrecken mit vollen Einkaufstaschen zurückzulegen. Es gibt öfters Termine in der Innenstadt, die zwar mit dem Bus erreichbar sind, aber schon der Weg bis zur nächsten Bushaltestelle kann eine Herausforderung darstellen, der man nicht mehr gewachsen ist. Dies, obwohl man in der Vorstadt von Villach lebt. In Politzen, wo ich aufgewachsen bin, beobachte ich wie Bekannte altern. Am Land spielt die eigene Fahrtauglichkeit zum Arzt, zum Kaufhaus, zur Kirche oder zu einer Veranstaltung eine besondere Rolle. Nur die topfitten Achtzigjährigen schaffen es zu Fuß zum Gemeindezentrum nach Ferndorf. Der Weg dorthin ist etwa vier Kilometer lang. Hinunter ist es manchen möglich, aber auf den Politzner Berg hochzugehen ist eine Herausforderung. Glücklich jene Haushalte, wo mehrere Generationen im Haus wohnen und einer der Bewohner einen Shuttledienst anbietet.

bodenpersonal

Ich beobachte ein interessantes Phänomen, zu bestimmten Zeiten erinnere ich mich an bestimmte Aussagen und Erfahrungen von früher. Nach dem Betreten der Arztordination, bei der Anmeldestation entscheidet sich vieles. Hat man die Hürde bei der Ordinationsassistentin geschafft, bekommt man einen Platz im Warteraum zugewiesen. Vor Jahrzehnten war es die Ordinationsgehilfin, diese Bezeichnung wird heute nicht mehr verwendet. Eines haben viele Praktische- und Fachärzte gemeinsam, die Freude sehr zeitig mit der Ordination zu beginnen. Ist dies ein Attribut an früher, wo es selbstverständlich war, dass die Menschen um sechs Uhr morgens mit der Arbeit begonnen haben? Ein Relikt der Krankenhaus Gene, wo die praktische Ärzteausbildung beginnt, bevor sie sich selbstständig machen können. Wer schon einmal den Krankenhausalltag erlebt hat weiß, dass die Patienten von der Nachtschwester morgenfit gemacht werden. Ob es sich um Blutdruck-, Fiebermessen, Verbandswechsel oder um das Frühstück handelt. Ein Sprichwort sagt, der frühe Vogel fängt den Wurm. Die erste halbe Stunde gehört den Ordinationsgehilfinnen um die Frühstarter aufzunehmen, Rezeptwünsche zu erfüllen und mit den ersten Versorgungen, wie Blutabnahmen, Infusionen und Massagen zu beginnen.

Beim Betreten der Ordination steht die Tür zum Arztzimmer offen und ist unbeleuchtet. Ich stelle mich bei der Ordinationsassistentin mit einem freundlichen Guten Morgen vor und der wohlmeinenden Feststellung: „Das Bodenpersonal ist schon bei der Arbeit“. In meiner ersten Lebenshälfte gehörte der Ausspruch, die Ärzte sind die Götter in Weiß zum Alltag.  Damit verknüpfe ich die Vorstellung von überirdischen Wesen, sie schweben über unseren Köpfen und sind für die Erdung auf ein Bodenpersonal angewiesen. Unter den landläufigen Christen ist die Bezeichnung, das Bodenpersonal vom lieben Gott für Priester und Ordensleute weit verbreitet. Für die Missstände in den christlichen Kirchen trifft die Schuld nicht Gott, sondern schuld daran ist das Bodenpersonal. Im Warteraum vom Arzt gebe ich mich allen möglichen Gedanken hin und es fehlt am Überblick, warum ich noch nicht aufgerufen wurde? Eine Intervention beim Bodenpersonal ob es sein kann, dass Rentner zurück gereiht werden, diese haben ja Zeit? Vom Bodenpersonal kommt ein Dementi, dies sei nicht der Fall, es passiert alles der Reihe nach.

zugfahrt

Sofort, nach Freiwerden eines Sitzplatzes im überfüllten Zug hat sich jemand, zumeist mit einem Seufzer, auf den freien Platz gesetzt. Die erste Äußerung war zumeist ein Rundumschlag über die Zustände im Zug und eine Schuldzuweisung an die ÖBB. In Zeiten der vielgepriesenen und geforderten Mobilitätswende schafft die ÖBB es nicht, ausreichend Zugsgarnituren bereitzustellen.  Dazu gibt es Züge mit einem schlechten Komfort, welcher nicht mehr zeitgemäß ist. Dies ist keine Einladung zum Zugfahren. Meine Sitznachbarin berichtete, dass sie es schon öfters erlebt hat, dass an Sonntagen die Reisezüge in den Süden überbucht sind. Auch, so wie heute, nicht alle angeführten Zugsgarnituren vorhanden sind.

Für eine von ihr geführte Fahrradtour, von Salzburg bis an die obere Adria, war sie unterwegs um den Streckenverlauf, die Sehenswürdigkeiten und die Haltepunkte zu erkunden.  Orte, welche sie mit ihrer Gruppe besuchen will und wo sie eine Pause machen will. Für heute hat sie sich den Abschnitt von Mallnitz bis Spittal an der Drau vorgenommen. Der Abschnitt von Spittal bis Villach war ihr bereits bekannt. Diesen Abschnitt bin ich auch schon mehrmals mit meinem Fahrrad gefahren. Dieses Teilstück gehört zu den Anspruchslosen, man fährt ziemlich ereignislos die Drau entlang, das Landschaftsbild verändert sich kaum. Die Sehenswürdigkeiten beziehen sich hauptsächlich auf die Einkehrmöglichkeiten, Imbissbuden, Buschenschenken und Traditionsgasthöfe. Meine Radtouren absolviere ich mit einem Trekking Rad ohne E-Motor. Diesen Sommer habe ich gemerkt, dass ich zu den Wenigen gehöre, welche kein E-Bike verwenden. Die Fahrrad Gruppen sind fast ausschließlich mit E-Bikes unterwegs. Die Rad Guide hofft, dass alle Teilnehmer an der Fahrt mit einem E-Bike kommen. Ein harmonisches Miteinander ist, gibt es Teilnehmer ohne E-Bike, nicht möglich. Es sind hauptsächlich ältere Personen, welche sich zu einer Gruppe zusammenschließen.  Dabei würden Radfahrer ohne E-Motor schnell unter die Räder kommen, in diesem Fall in das Hintertreffen.