aller:gene I

In Zeitschriften, Zeitungen und  Fernsehsendungen wird, nicht nur in der Fastenzeit, viel über die gesundheitlichen Risiken, welche durch falsche Ernährung verursacht werden, berichtet. Um Allergiker vor gefährlichen Inhaltsstoffen zu schützen ist seit diesem Jahr eine Verordnung in Kraft getreten, welche die Restaurants verpflichtet, bei allen Speisen die allergenen Stoffe anzuführen. Die Gastwirtschaften behelfen sich auf unterschiedliche Weise. Die einen fügen zu jeder Speise genau die Allergischen Inhaltsstoffe hinzu, andere haben ein Datenblatt, wo die verwendeten Lebensmittel und ihre allergischen Reaktionen angeführt werden. Die Abkürzungen, Großbuchstaben aus dem Alphabet, ergeben einen bunten Buchstabensalat. Ich denke, bin selbst kein Gastronom und habe keinerlei Beziehung zur Gastronomie, dass vor allem die Allergiker sehr genau wissen, auf welche Stoffe sie mit Beschwerden reagieren. Wer unter starken allergischen Reaktionen leidet, der ist vorsichtig und weiß, was in welchen Speisen enthalten ist. Weis jemand von seiner Erkrankung nichts, dem nützt auch die Angabe der Inhaltsstoffe nichts. Die ersten Erfahrungen, was man an Lebensmittel nicht verträgt, macht man zumeist im eigenen Haushalt.

Die starke Verbreitung von allergischen Reaktionen auf bestimmte Lebensmittel ist ein Phänomen der Jetztzeit. Ich kann mich an diesbezügliche Beschwerden in meiner Jugendzeit nicht erinnern. Den umgangssprachlichen Heuschnupfen hat man schon damals gekannt. Einige Personen haben diesen bei der Heuernte bekommen. Bekannt war auch der Schnupfen, wenn die Haselnussstauden oder die Birken blühten. Bei uns Kindern ist es vorgekommen, dass bei einem Bienen- oder Wespenstich die Hand angeschwollen ist. Vor den Hornissen, in der Umgangssprache wurden sie Rosswespen genannt, wurden wir gewarnt. Zu uns sagte man: Der Stich von mehreren Hornissen würde auch für Pferde eine Gefahr darstellen. Obwohl der Spruch: Der hat eine Rossnatur andeutet, dass man ihnen eine stabile Gesundheit zuschreibt. Anderseits war es geläufig, dass die Gefahr bestand, schwitzte das Pferd bei der Arbeit, dass es sich verkühlt. Mit einer Decke wurde es zugedeckt und es war streng verboten, das Pferd im erhitzten Zustand  zu wässern, zur Tränke zu führen.

Sebsttränke.

aus:zeit II

Eine Auszeit durch eine Grippe wird von den meisten angenommen, von den einen widerwillig, von den anderen bereitwillig. Sich dem Arbeitsprozess  ganz zu entziehen gelingt den wenigsten, dafür sorgen die Modernen Kommunikationsmittel. An erster Stelle das Handy, damit bleibt man für dringende Auskünfte erreichbar. Lässt sich ein Teil der Arbeit am PC erledigen, so werden viele zwischendurch daheim am PC arbeiten. Unter den Grippepatienten wird es einige geben, welche es nicht länger als einen halben Tag ohne Handy oder PC aushalten. Sie wären doppelt krank, wenn sie vom Internet ausgeschlossen wären. Anderseits wird sich kaum jemand weigern Anrufe aus der Firma, während des Krankenstandes, nicht anzunehmen. Heutzutage erwartet man ständige Verfügbarkeit. Ein Tribut an die moderne Zeit, an ihre Technik, die nichts Technisches ist. Langzeitfolgen der technischen Entwicklung, welche schon lange nicht mehr von uns gesteuert werden können. Wir haben die Handhabung der Technik schon  nicht mehr im Griff.

Während meiner Beschäftigung in einer Spittaler Schuhfabrik, in den siebziger Jahren, hat der Personalchef nach dem Arbeitsbeginn um sieben Uhr, alle nicht gestempelten Zeitkarten an sich genommen. Danach ist er mit seinem Pkw losgefahren um nachzuforschen, warum die Beschäftigten nicht zur Arbeit erschienen sind.Gleichzeitig diente dies zur Kontrolle, dass niemand unerlaubt von der Arbeit fernbleibt. In dieser Zeit hatte ich einmal in der Nacht heftige Magenschmerzen und fühlte mich am Morgen unfähig zum Arbeiten. Gleich nach dem Aufstehen machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum Arzt. Ich war auf halben Wege nach Ferndorf, da kam mir der Personalchef mit seinem VW Käfer entgegen. Er stoppte und fragte mich, warum ich nicht zur Arbeit erschienen bin. Ich erklärte ihm, dass ich mich unwohl fühle und auf dem Weg zum Arzt bin. Was mir fehlt und wann ich wieder zur Arbeit komme, wollte er als nächstes von mir wissen. Ich bin kein Arzt und über die Dauer des Krankenstandes wird der Arzt nach der Untersuchung entscheiden, erwiderte ich ihm. Daraufhin ist er mit seinem VW Käfer davongebraust.

Verfügbar.

aus:zeit I

Wir klagen: Reißt ein Fingernagel ein und wir bleiben dann  mit der  Hand in der Westentasche hängen. Stoßen wir mit dem Oberarm bei einem  Kasten  an und der Arm schmerzt. Fügen wir uns beim Öffnen einer  Fleischschmalzdose am Daumen einen kleinen Schnitt zu. Diese harmlosen Verletzungen verursachen bereits Schmerzen und wir sehen darin eine Behinderung, die uns den Alltag vergrämt. Noch aufgeregter verhalten wir uns, schmerzt ein Zahn und es wird zu einem Problem, die Zahnschmerzen zu ignorieren. Zahnschmerzen treffen uns an einer empfindlichen Stelle, wenn es deshalb zu Schwierigkeiten beim  Essen kommt. Jeder weis um den Zustand, wenn man nach einer Zahnbehandlung sehnsüchtig darauf wartet, dass die zwei Stunden in denen man nichts essen soll, vorbei sind. Während diesen zwei Stunden plagt einen der Hunger, gerade so, als hätte man zwei Tage nichts mehr gegessen. Ähnliches empfindet man, wenn man zu einer Untersuchung beim Facharzt oder zu einer Blutabnahme nüchtern kommen muss. Nie ist die Lust zu essen größer, als wenn wir enthaltsam sein müssen, dies kennen wir auch an Fasttagen.

Ich habe den Eindruck, je geringer die Beschwerden, umso ärgerlicher empfinden wir sie. Zu der betreffenden Körperstelle verhalten wir uns unwirsch. Wir sehen sie als lästige Störfaktoren, die unsere Aktivitäten und unseren Lebensfluss stören. Gerade ist die winterliche Grippewelle vorbei und man kann einen Vergleich herstellen. Es regt einem ein Schnupfen oder ein leichter Husten ungemein mehr auf, als eine wirkliche Grippe. Täglich stellt man sich die Frage, wann der Schnupfen vorbei sein wird. Die Heilung versucht man mit Vitamin C Tabletten zu beschleunigen. Eine alte Volksweisheit sagt, ein Schnupfen dauert bei Einnahme von Medikamenten eine Woche und ohne Medikamente auch eine Woche. Bei einer echten Grippe erkennt man, dass jeder emotionale Widerstand zwecklos ist, man muss sich der Krankheit ergeben. Alles, was man in den nächsten Tage erledigen wollte, verlieren an Bedeutung.  Von dem einen werden sie mit leichten Herzen, von den anderen mit schweren Herzen verschoben. Manche merken bei der unfreiwilligen Bettruhe unter welchen Anspannungen und Arbeitsdruck sie die letzten Monate gelebt haben. Jetzt kann die Bettruhe zugleich eine Auszeit sein.

Dahindösen.

kind:schlaf

Von manchen Fernsehdokumentationen und Besuchen im  Altersheim habe ich erfahren, dass man im fortgeschrittenen Alter, in einigen Fällen, wieder die Fürsorge wie für ein Kind braucht. Wegen fortschreitender Gebrechlichkeit und Krankheit gehunfähig oder bettlägerig wird. Gepflegt werden muss wie ein Kleinkind, gefahren im Rollstuhl, gefüttert und versorgt im Bett. Dies sind Zukunftsszenarien, die sich keiner der älter wird wünscht. Dagegen man sich wehrt, mit der  Schutzbehauptung, dies muss mir nicht zustoßen. Aktiv Gott bittet, dass einem dies nicht passiert und passiver, Gott möge dies mir ersparen. Wobei wir im vorhinein keine genauen Vorstellungen haben, wie die letzten Lebensjahre einmal sein werden. So, wie Neunzigjährige im Fernsehen gezeigt werden beim Schifahren und wie sie die Kirchglocke läuten. Fünfundsiebzig-jährige die gerade ein Studium abgeschlossen haben oder noch jeden Tag in der Hotelhalle die ankommenden Gäste begrüßen? So würden wir es wünschen, keinesfalls wie wir es bei einem Besuch in der Geriatrie im  Krankenhaus erleben, mit dahin dösenden Patienten in einem Bett mit Gitternetz. Im Spittal freut man sich über Patienten, welch einen guten Schmäh draufhaben, das ganze Zimmer unterhalten können und sich optimistisch geben.

In Rentnerheimen gleichen manche Tageszeiten der frühen Kindheit, dass nach dem Mittagessen ein Mittagsschläfchen ansteht. Dies weckt Erinnerungen an den Kindergarten, wo die Tante uns alle aufgefordert hat, sich auf eine Decke am Boden zu legen und zu schlafen. Keiner von uns durfte sich rühren, kein herumtollen mehr und die Vorhänge wurden zugezogen. Die Tante wachte mit Argusaugen darüber, dass alle Mucksmäuschenstill  waren. So geschieht es auch in manchen Seniorenwohnheimen, zum Mittagsnickerchen ist absolute Stille  angesagt. Kein Herumwandern in der Wohnung, kein Rascheln beim Umblättern der Zeitung, selbst der Hund wird angehalten sich an das  verordnete Silentium zu halten. Die einzige Ausnahme ist der Gang auf das Topferl, heute ist es das WC. Die Unterschiede zwischen Kindergartenzeit und Altersteilzeit werden nivelliert, im Leben wiederholt sich alles wieder.

Es besteht auch die Aussicht, dass sich beim Sterben der Geburtsvorgang wiederholt. Man wird in eine “andere Welt” hineingeborenen, von der wir noch nicht wissen, wie sie aussehen wird. Unmöglich, dies  mit unserem Wortschatz zu beschreiben, wir haben dafür keine Wörter, außer unsere Hoffnungen.

Der weite Horizont.

specku:lation II

Wer akute Schmerzen hat und sich untersuchen lässt, kann in den meisten Fällen mit einer klaren Diagnose rechnen. Zumindest erwartet man sich nach einer Reihe von Untersuchungen einen genauen Befund und Behandlung. Ein großes Feld für viele Spekulationen eröffnet eine Vorsorgeuntersuchung.  Im besten Vertrauen begibt man sich in die Ordination von Fachärzten.  Bei einer Vorsorgeuntersuchung werden auch mögliche Krankheitsbilder, von denen niemand genau sagen kann ob sie akut werden können, angezeigt und mitgeteilt. Es ist wie in der Genforschung, wo man sagt, dies und jenes Gen könnte später eine Krankheit verursachen. Ist dies jetzt ein medizinischer Fortschritt oder sehen die meisten Menschen dies als Belastung für die nächsten Jahre?  Wüssten wir, was uns in den kommenden Jahren erwartet, so würden dies die Meisten nicht als Glück sondern als Unglück empfinden. Es kann schnell vorkommen, dass im Kopf immer wieder die Frage auftaucht, wie wird sich dieses Gen entwickeln?  Für was wird es sich entscheiden, für Stillhalten, für die guten oder die schlechten  Eigenschaften?

Ein Ausweg ist, die immer wieder auftauchenden Fragen zu personalisieren, den einzelnen Fragen einen Namen zu geben, Michael, Fritz,  Fina, Hanna usw.  Die Fragen gerecht zwischen männlichen und weiblichen Vornamen aufzuteilen, im Sinne der Gleichberechtigung. Es könnten auftretende Fragen auch geschlechtslos oder beiderlei Geschlechts sein.  Ich zähle nicht zu jenen, die über die Information von vermeintlichen Risiken glücklich ist. Glück ist für mich anders. Es ist schlimm, dass im finanziellen Bereich spekuliert wird, noch schlimmer finde ich es, dass bei den Diagnosen spekuliert wird.

Genforschung.