ordi:nation

Ein unerforschtes Feld sind die aufliegenden Zeitschriften für die wartenden Patienten.

Es ist zumeist dieselbe Formel mit der einem der Ordination Assistentin, nachdem man sich schon halb entblößt hat, vertröstet: „Es dauert noch ein wenig bis man zum Arzt vorgelassen wird, man muss ein wenig Geduld haben. Man soll im Wartezimmer Platz nehmen, man wird aufgerufen“. Die Möblierung der Wartezimmer sind kein Ort für Wohnungsjournale, je länger ein Arzt ordiniert, umso abgewohnter die Möbel. Selten habe ich erlebt, dass in die Renovierung der Wartezimmer investiert wurde. Arztpraxen, welche neu eröffnet oder neu übernommen werden, verfügen zumeist über ein attraktives Wartezimmer. Angenehm, wenn es eine räumliche Abtrennung zwischen Patientenaufnahme und dem Wartebereich gibt. Die Wartezimmer von Gemeinschaftspraxen, mehrere Ärzte benützen dieselben Ordinationsräume, folgen eigenen Regeln. Hier ist das Mobiliar so zusammengewürfelt wie die Fachgebiete. Da treffen Hippe Sessel, hypermoderne Sitzbänke auf Retro Möbel aus den 70er Jahren.

Ein noch unerforschtes Feld sind die aufliegenden Zeitschriften, das Lektüreangebot für die wartenden Patienten. Ein Teil der Zeitschriften sind Werbebroschüren von Pharmafirmen, medizinische Aufklärungsschriften zu bestimmten Gesundheitsrisiken. Etwaigen Illustrierten sieht man ihr Erscheinungsdatum an, manches Mal entdeckte ich in diesen Zeitschriften ein Senfkorn. Die Auswahl an Zeitungen und Zeitschriften verliert heute immer mehr an Bedeutung. Es gibt kaum jemandem unter Fünfzig, welche nicht sofort nach dem Platz nehmen ihr Smartphon aus der Gesäßtasche ziehen. Darauf nach Meldungen und Nachrichten surfen und mit dem Antworten beginnt. Eines hat sich durchgesetzt, im Unterschied zu anderen Bereichen, wie bei Behörden, in Supermärkten oder Cafés, haben alle das Handy auf lautlos gestellt und verzichten auf ankommende Gespräche.

corona:virus

Eine der ersten Maßnahmen im Kurhotel, nach dem Einsetzen der Coronavirus- Medienschlacht war, die Selbstbedienung beim Frühstücks- und Salatbuffet einzustellen. Jedem Gast wurde ab sofort das Frühstück und zu Mittag die Suppe und der Salat serviert. Mein Gedanke war, dass die Einschränkungen beim Buffett deshalb gesetzt wurden, weil am Vorabend beim Bauernbuffett die Kurgäste kräftig zugelangt haben. Jetzt werden wir generell auf Reduktion gesetzt. Nichts kippt die Stimmung in einem Kurhotel so schnell, wie wenn die täglichen Speisen von minderer Qualität sind. Vieles entschuldigt man während eines Kuraufenthaltes, die anstrengenden Therapien, die kleinen Mängel in den Zimmern. Aber, wenn das Niveau der Verpflegung sinkt, dann sind sofort Kurgäste bei der Rezeption und lassen ihren Frust freien Lauf. Auch die Benützung des Schwimmbades wurde für fremde Personen gesperrt.

Die Information über die Schließung des Buffett lag morgens auf dem Tisch im Goiserer Stüberl. Ich schwankte zwischen Gelassenheit und Alarmismus. Ich überlegte, ob ich diese Einschränkungen meiner Lebensgefährtin zu Hause mitteilen oder verheimlichen sollte? Ich fragte ein paar weibliche Kurgäste, wie sie auf eine solche Nachricht reagieren würden? Die Meinungen gingen auseinander, es kommt auf den Frauentyp an, ob ein ängstlicher oder ein gelassener Typ. Eine stellte in den Raum, ob die Frau schon mit den Gedanken gespielt hat, wie sie mich loswerden könnte? Die Praktischen meinten, wie lange dauert es, bis die Frau mich mit dem Auto vom Kurhotel abholen könnte? Aus dem Tagebuch….

covid-19/12

intervall:fasten II

Wer das Fasten mit dem Angenehmen verbinden will, fastet nicht zu Hause im stillen Kämmerlein, sondern verbringt bis zu drei Wochen in einem Kurheim. In der Fastenzeit werben auch verschiedene Klöster vermehrt um Kurgäste und bieten neben den körperlichen Effekten einen spirituellen Mehrwert an. So toll die meisten Gesundheithotel sind, den Geist Gottes können sie nicht auf den Therapieplan setzen. Diesen Vorsprung haben die Klöster. Die Auswahl an Gesundheithotels ist in Österreich groß. In allen Einrichtungen haben die Kurgäste denselben Wunsch, gesund zu bleiben und den Versuch das Leben zu verlängern. Wem trauen wir die wirkliche Macht über das Leben zu, dem Kurarzt oder den Marienschwestern und dem lieben Gott?

Die Verpflichtung zur Selbstoptimierung gibt es auch im Gesundheitsbereich. Dort wird vor allem an die Senioren gebetsmühlenartig appelliert, sich fit zu halten und zu trainieren. Wer von den Gerontologen hat schon am eigenen Leib gespürt, dass man an manchen Tagen einfach nicht mag. Beim Antrittsbesuch bei meinem neuen Hausarzt, der bisherige ist in den Ruhestand getreten, habe ich ihm erklärt: „Mein Wunsch ist ein erträgliches Leben, ich strebe nicht die Gesundheitswerte eines Vierzigjährigen an.“ Diese Aussage hat ihn kurz irritiert. Die Senioren kann man nicht alle über den Kamm scheren. Einige haben ein körperlich schweres Berufsleben hinter sich, andere fühlen sich für neue Herausforderungen gewappnet.

Die Landbevölkerung lebt nach dem Spruch, willst du ein langes und glückliches Leben führen, so stehe mit den Hühnern auf und gehe mit ihnen schlafen.

Hahnenschrei

intervall:fasten I

Die wichtigsten Vorsätze zu Jahresbeginn sind zumeist sich mehr zu bewegen, den Körper zu entschlacken und abzunehmen. Vor einigen Jahrzehnten war es der Vorsatz mit dem Rauchen aufzuhören, diesen Vorsatz hört man nur mehr selten. Jetzt wird das ganze Jahr über gegen die Raucher gewettert, es bedarf keiner persönlichen Vorsätze mehr. Als Raucher steht man unter argwöhnischer Beobachtung der Mitmenschen. Seitdem das Rauchen in allen öffentlichen Lokalen verboten ist, wird am Gehsteig vor den Lokalen geraucht, am Pranger. Manche Wirte haben zum Schutz der Privatsphäre für die Raucher kleine Container oder Zelte vor ihren Gaststätten aufgestellt. So sind die Raucher bei ihrem Geschäft vor den Blicken der vorbeihuschenden Menschen geschützt. In vielen Gesundheitszentren, wie in Bad Vigaun, gibt es am Rande vom Freigelände ein Raucherhüttl. Dort treffen sich die Raucher unter den Kurpatienten. Zumeist läuft zwischen ihnen der bessere Schmäh als in der Eingangshalle. Macht rauchen lustig?

Mit der Umsetzung des Vorsatzes Abzunehmen haben manche bis zum Ende der Faschingszeit gewartet. Am Aschermittwoch hat man beim Verzehr von einem Heringssalat noch einmal richtig gesündigt, um jetzt mit dem selbst gewählten Fastenprogramm zu starten. Die Auswahl an Diäten ist groß: Heil-, Basen-, Suppenfasten oder F.-X.-Mayr-Kur. Jedes Jahr kommen neue Fastenvorschläge dazu. Stark im Gespräch ist das Intervallfasten. Dabei, versprechen die Fastenbegleiter, verliert man nicht nur Gewicht, sondern es setzt auch eine Zellreinigung und -verjüngung ein. Wichtig ist, dass man über einen Zeitraum von sechzehn Stunden nichts isst. Dadurch wird der Reinigungsprozess, Autophagie, in Gang gesetzt. Das ganz große Versprechen ist, dass die vorzeitige Alterung der Zellen verzögert und dadurch das Leben verlängert wird.

Ausmisten

schlaf:störung

Vieles in der Umgebung des Menschen lässt kaum noch einen tiefen Schlaf zu. Der digitale Mensch geht mit Schlaftötern in das Bett. Da werden im Schlafzimmer noch einmal die Emails gecheckt, auf Facebook gepostet und das Smartphone liegt griffbereit auf dem Nachtkästchen. Für den Beruf könnte eine Interaktion notwendig werden. Selbst wenn es nicht klingelt, könnte es klingeln, wie soll man dabei entspannt einschlafen. In den Familien gibt es kaum fernsehfreie Schlafzimmer. Ich brauche eine Übergangsphase, von einem Fernsehbericht oder einer Veranstaltung, um gut zu schlafen.

Jeder, welcher mit Schlafstörungen kämpft hat sein Rezept, Tabletten ausgenommen, wie er diese Zeit überbrückt. Die einen beginnen in einem Buch zu lesen, beten eine Litanei oder zählen die berühmten Schafe. Manche fangen an zu stricken oder lösen ein Kreuzworträtsel. Zumeist ist es möglich den Fernseher vom Bett aus einzuschalten und sich in das Nachtprogramm einzuklicken. Andere stehen auf, aktivieren den Computer und spielen Roulette oder Rommy. Dabei lesen sie auf den Nachrichtenportalen die neuesten Meldungen, die zumeist schlechter Natur sind und erst recht keinen Schlaf zulassen werden. Vieles ist möglich, manche Rentner benützen um Mitternacht den PC um die Tageszeitung vom nächsten Tag durchzublättern und darin zuerst die Rubrik mit den Todesanzeigen zu lesen. Nach der Prämisse, kann ich die Todesanzeigen lesen, dann gehöre ich noch zu den Lebenden. Unter den Verstorbenen befinden sich Personen,  welche man  aus dem Arbeitsleben, aus der Nachbarschaft, aus der gemeinsamen Schulzeit gekannt hat. Ob die Gewohnheit nachts die Todesanzeigen des nächsten Tages zu lesen schlaffördernd ist, kommt auf die einzelne Person an? Möglicherweise lässt es sich besser weiterschlafen, wenn man für die Verstorbene auf der Webseite eine digitale Kerze angezündet hat. Ein Spruch lautet, der Schlaf ist der kleine Bruder des Todes.

Schlaf, Kindlein schlafe.