Vor zwölf Tagen gab es morgens Sonnenschein und die Singvögel kreuzten sich in der Luft. Die Rosenstöcke auf der Loggia trieben kräftig aus, es bildeten sich die ersten Blätter. Wir waren schon mit den Ausgangsbeschränkungen der Corona Krise behaftet. Beim Blick aus dem Wohnzimmer war es für mich schwer vorstellbar, dass draußen eine Bedrohung auf uns lauern könnte. Herinnen war es warm und nach dem Öffnen der Schiebetüren bin ich auf die Loggia getreten, dabei sind die dramatischen Berichte aus den Fernsehkanälen wie vom Geisterwind verschwunden.
Zwei Wochen später ist es am frühen Morgen draußen noch diesig, hochnebel artige Bewölkung. Auf der Wiese, den Gärten und den Hausdächern in der Nachbarschaft liegt ein feiner Flaum von Schnee. Nach dem leichten Schneefall über Nacht bleibt die Schiebetür geschlossen. Am Schnee zeichnen sich einzelne kleine schwarze Vögel ab, die Äste der Bäume wirken wie erstarrt. Es ist still draußen, auch auf der Tangente bei Warmbad Villach, das Ohr und das Auge geht in das Leere. Dann doch ein Auto auf der Straße, ein zaghaftes Lebenszeichen. Im Morgengrauen leuchten die überdimensionierten Scheinwerfer die leeren Parkplätze vor dem Einkaufszentrum Atrium aus. Sie wirken so, als hätte man sie vergessen vor dem Ausbruch der Corona Krise abzuschalten. Ich lehne mich im Stuhl zurück und auf meinem Schoss liegt das Buch „Der Engel mit der Posaune.“ Gerade habe ich es zu Ende gelesen, die Familiengeschichte des Klavierbauers Franz Alt. Der geschichtliche Bogen spannt sich vom Ende der Monarchie bis zum Niedergang des „Tausendjährigen Reiches“. Die Lebensgeschichte der Personen ist verwoben mit dem Zerfall der österreichischen-ungarischen Monarchie, dem Gräuel des Ersten Weltkrieges, den Wirren der Ersten Republik, dem Aufstieg der Nationalsozialisten bis zur Niederlage des Deutschen Reichs. Neben mir knabbert die Wohnungskatze Sissi an ihrem Trockenfutter, an dem, was von der Nacht übrig geblieben ist. Zaghaft werden die Vögel mehr, Sissi verlangt nach draußen auf die Loggia zu gehen und nimmt Platz im Blumentrog um den Flugverkehr der Vögel zu überwachen. Auf dem Warmbader Plateau ist sie die Fluglotsin, kein Vogelflug entgeht ihrem wachsamen Auge. Es hat schon mehr Flugverbindungen gegeben, gelangweilt wendet sie sich wieder dem Rondell zu.
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