corona:front

Beim Abendessen im Goiserer Stüberl hatten die Tischnachbarn jeder seine persönliche Story. Per Smartphone wurde ihnen mitgeteilt, was sich zu Hause, an der Heimatfront, abgespielt hat. Sie berichteten von vollen Parkplätzen bei den Supermärkten und leeren Regalen bei Gemüse, Konserven und Teigwaren wie Nudeln. Sollte zu Hause, in der Draustadt, viele Artikel nach dem Wochenende nicht mehr erhältlich sein, an Teigwaren wird es bei uns nicht mangeln. In der Nähe von Villach befindet sich die Finkensteiner Nudelfabrik, welche einen Fabrikverkauf anbietet. Die Qualität der Finkensteiner Nudeln bestätigen viele Kärnten Urlauber, welche vor der Heimreise im Nudelshop für daheim großzügig einkaufen. Zumeist den restlichen Platz im Kofferraum mit Teigwaren aus der Nudelfabrik füllen. Dies Sommer für Sommer, lange vor der Coronavirus Krise. Wie ich erfahren habe, wurde wegen der aktuellen Versorgung mit Lebensmittel die Produktionszeiten ausgeweitet.

Ein wenig hat sich das Einkaufsverhalten in Krisenzeiten auch bei den Spaziergängern in der Kurstadt bestätigt. Die Frauen hatten als kleines Souvenir einen Pack Klopapier und die Männer ein Zwölfer Tragerl Ottakringer Bierdosen unter dem Arm. Auf den Parkplätzen der Diskonter konnte ich beobachten, dass Frauen Lebensmittel und Toilettartikel verstauten, Männer vor allem Bierkisten. Der kleine Unterschied zwischen Frau und Mann.

covid-19/8

corona:morgen II

So ereignislos wie derzeit stelle ich mir die Landschaft für einen Filmeinstieg in ein Bedrohungsszenario vor. Dabei sind wir mittendrin in einem Gefahrenszenario, bedroht vom Coronavirus. Für das Auge unsichtbar, geruchlos für die Nase und für die Hände nicht zu fassen. Die Stille ist nach dem kleinen Wintereinbruch massiv. Vom kahlen Baum fliegt ein Vogel auf das Dach des japanischen Teehauses und streitet dort mit einem anderen Vogel um einen Platz, der für hunderte Vögel reichen würde.

Vierzehn Tage Ausgangsbeschränkungen und immer wieder ertappe ich mich bei der Frage, wo ist die Gefahr? Das Plateau von Warmbad-Villach ist so überschaubar, kein Risiko könnte sich den Häusern unbemerkt nähern. Etwas Nebuloses würde man von Weitem erkennen und könnte sofort die Fenster dicht machen. Die Vorhänge zuziehen, wie alle Tage, ob Bedrohung oder nur vermeintliche Bedrohung. Die Blicke des Nachbarn könnten eine Krise auslösen, die Lunge zerstören, überall werden Zäune hochgezogen, um sich von den Hinzugezogenen abzuschotten. Hier ist man lange unter sich gewesen und jetzt wimmelt es von Unbekannten, ob die etwas mit dem Virus zu tun haben?

Das Coronavirus lacht mir aus der Morgenzeitung entgegen, hüpft im Vorraum vom Titelblatt und lässt sich nicht mehr einfangen. Kreuz und quer hüpft es durch die Wohnung, bis es in einer Ecke müde einschläft. Als Sandmännchen wird es abends bei den ZIB 2 Nachrichten lebendig. Es streut Sand in die Augen, sie beginnen zu Brennen und lassen sich nicht mehr schließen und bleiben bis kurz vor Mitternacht offen. Aus dem TV-Kastl kommen immer neue Berichte über die Corona- Epidemie, zuerst aus Österreich, dann aus Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland. Auffallend ist, es gibt wenige Berichte zur Lage in der Schweiz.

covid-19/7

corona:morgen

Vor zwölf Tagen gab es morgens Sonnenschein und die Singvögel kreuzten sich in der Luft. Die Rosenstöcke auf der Loggia trieben kräftig aus, es bildeten sich die ersten Blätter. Wir waren schon mit den Ausgangsbeschränkungen der Corona Krise behaftet. Beim Blick aus dem Wohnzimmer war es für mich schwer vorstellbar, dass draußen eine Bedrohung auf uns lauern könnte. Herinnen war es warm und nach dem Öffnen der Schiebetüren bin ich auf die Loggia getreten, dabei sind die dramatischen Berichte aus den Fernsehkanälen wie vom Geisterwind verschwunden.

Zwei Wochen später ist es am frühen Morgen draußen noch diesig, hochnebel artige Bewölkung. Auf der Wiese, den Gärten und den Hausdächern in der Nachbarschaft liegt ein feiner Flaum von Schnee. Nach dem leichten Schneefall über Nacht bleibt die Schiebetür geschlossen. Am Schnee zeichnen sich einzelne kleine schwarze Vögel ab, die Äste der Bäume wirken wie erstarrt. Es ist still draußen, auch auf der Tangente bei Warmbad Villach, das Ohr und das Auge geht in das Leere. Dann doch ein Auto auf der Straße, ein zaghaftes Lebenszeichen. Im Morgengrauen leuchten die überdimensionierten Scheinwerfer die leeren Parkplätze vor dem Einkaufszentrum Atrium aus. Sie wirken so, als hätte man sie vergessen vor dem Ausbruch der Corona Krise abzuschalten. Ich lehne mich im Stuhl zurück und auf meinem Schoss liegt das Buch „Der Engel mit der Posaune.“ Gerade habe ich es zu Ende gelesen, die Familiengeschichte des Klavierbauers Franz Alt. Der geschichtliche Bogen spannt sich vom Ende der Monarchie bis zum Niedergang des „Tausendjährigen Reiches“. Die Lebensgeschichte der Personen ist verwoben mit dem Zerfall der österreichischen-ungarischen Monarchie, dem Gräuel des Ersten Weltkrieges, den Wirren der Ersten Republik, dem Aufstieg der Nationalsozialisten bis zur Niederlage des Deutschen Reichs. Neben mir knabbert die Wohnungskatze Sissi an ihrem Trockenfutter, an dem, was von der Nacht übrig geblieben ist. Zaghaft werden die Vögel mehr, Sissi verlangt nach draußen auf die Loggia zu gehen und nimmt Platz im Blumentrog um den Flugverkehr der Vögel zu überwachen. Auf dem Warmbader Plateau ist sie die Fluglotsin, kein Vogelflug entgeht ihrem wachsamen Auge. Es hat schon mehr Flugverbindungen gegeben, gelangweilt wendet sie sich wieder dem Rondell zu.

covid-19/6

corona:viren

Von einem Tag auf den anderen veränderten die Corona Schutzmaßnahmen unseren Alltag, die Bundesregierung steigerte von Tag zu Tag die Dosis. Es begann mit einer homöopathischen Dosis und endet bei starken Antibiotika. Schließung von Schulen, Kindergärten, Skilifte, Absage von Großveranstaltungen und weiter mit Schließung von Geschäften, Schwimmbäder, Kurhotels und stellte einen Großteil der Bevölkerung unter Hausarrest. Noch fragen sich welche, ist dies ernst zunehmend und lässt sich ein Virus so stoppen? Heute schicken die meisten Reisenden per WhatsApp Nachrichten und Fotos aus ihrem Urlaub oder der Gesundheitswoche nach Hause. Nicht immer kommen diese digitalen Nachrichten virenfrei an. Meine Art Urlaubsgrüße zu verschicken folgt noch der alten, verstaubten Art. Ich versende Ansichtskarten, wobei ich darauf aufmerksam gemacht habe, dass es sich dabei um garantiert virenfreie Ansichtskarten handelt. Virenfrei hat in diesen Tagen eine doppelte Bedeutung, virenfrei im Sinne der Digitalisierung, aber auch frei von Coronaviren.

Mit dem Turmbau zu Babel wollte der Mensch einen Blick in den Himmel werfen, die Allmacht Gottes herausfordern, da kam der Stopp von oben. Mit der Kernkraft wollten wir uns unerschöpfliche Ressourcen an Energie erschließen und dann kam ein Wink aus dem Inneren der Materie, dass es eine Gratwanderung ist, die kosmische Energie zu nützen. Gerade waren wir davon überzeugt, dass wir in absehbarer Zukunft alle Krankheiten ausschalten könnten. Schon jetzt mit unserer Medizin für ein fast schmerzfreies, ewiges Leben sorgen können. Wie durch eine unsichtbare Wand bricht das Coronavirus herein und zwingt uns, uns vom gewohnten gesellschaftlichen Leben zu verabschieden. Über viele wird eine unsichtbare Glaskugel gestülpt, dies erinnert mich ein wenig an den Roman von Marlen Haushofer, Die Wand. Diejenigen, welche am wenigsten Kontakt zu anderen pflegen, haben die beste Gesundheitsprognose.

covid-19/5

corona:kaiser

Bei einem Spaziergang durch Bad Ischl, zu Beginn der Corona Krise, kam mir der Ort so unwirklich vor. Der malerische, immer noch ein bisschen verstaubt wirkende Kurort, für den Kaiserin Sissi und Kaiser Franz Josef, der hier im Jahre 1916 mit Dreiundneunzig Jahren verstorben ist, als wichtigste Werbeträger fungieren. Ein besonderes Highlight ist der Kaiserpark mit der Kaiservilla, ein Muss für jeden Kurgast. Was der gute alte Kaiser wohl zur Corona Krise sagen würde? Einige Hiesige sind sich einig, unter dem Kaiser hätte es kein Corona Virus gegeben. Die Spaziergänger an der Esplanade, welche einen Cappuccino beim Zauner trinken, sind verunsichert. Sie sollen sich vor etwas in Acht nehmen und schützen, dass sie nicht sehen, angreifen, riechen oder schmecken können. Ein wenig erinnert mich die Gefühlslage an die Tage nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Plötzlich sollten wir in den Wohnungen bleiben, nicht nach draußen gehen, keinen Gehsteig kehren und die Kinder nicht im Freien Spielen. Das Gemüse aus dem Garten, die Pilze oder das Wildbrett war plötzlich nicht genießbar. In meiner Erinnerung haben die Vögel kaum gezwitschert, ein Ausdruck war gebräuchlich, der stumme Frühling.

Gerade so wie zu Tschernobyl Zeiten beginnt jetzt draußen der Frühling, ein heimtückischer Zeitpunkt für den Ausbruch der Epidemie. Vielfach haben wir den Kontakt zur Natur verloren, jetzt sollen wir auch Abstand zu den Mitmenschen halten. Viele ältere und manche kranken Menschen konnten gerade aufatmen, dass der Winter vorbei ist, da gibt es eine neue Bedrohung. Mitten in die ersten Frühlingsgefühle kommt eine Warnung, aber von wem?

covid-19/4