handke:handschrift I

Kein Jahr vergeht, indem man nicht im Zusammenhang mit der Entwicklung des Internet ein Jubiläum feiert. Verschiedene Rückblicke inszeniert, so lange gibt es diese und jene Suchmaschine, seit diesem Zeitpunkt werden SMS und Email verschickt oder das Erstellen einer Webseite mit einer Gratissoftware ist für jeden möglich. Das Handy und der Laptop haben Kultstatus erreicht. Handschriftliches bestaunt man nur noch in Bibliotheken und Literaturmuseen. In einer Lehrveranstaltung, anlässlich des halbrunden Geburtstages des Weltschriftstellers Peter Handke, wurde in den Vorlesungen auf die Bedeutung der Notizhefte im Schaffen von Peter Handke hingewiesen. Philologen und Germanisten haben beobachtet, dass Handke zuerst begleitend zum Schreiben an einem Buch Notizen gemacht hat. Nach dem Jahre 1976 veränderte er sein Verhalten, die Eintragungen in die Notizbücher werden in der Absicht geschrieben, diese Zeilen als eigenständige Texte zu veröffentlichen. Ein Konglomerat aus Gehörtem, Gelesenem, Erlebtem und Beobachteten. In einem nochmaligen Prozess werden Orte und Namen verfremdet.

Täglich werden von Handke Notizen gemacht. In einem Zitat drückt er das Obsessive des Tagebuchs führen aus: Ich muss mit mir allein sein, es braucht keine andere Existenz. In den Notizbüchern kommuniziert er mit seinen Mitmenschen, Tieren und mit sich selbst. Für die Germanisten sind die Notizbücher eine Fundgrube, lassen sich doch darin der Entstehungsprozess seiner Bücher nachverfolgen, Wörter und ganze Textstellen tauchen darin auf. Diese Notizhefte werden durch die eingefügten Fotos, Zeichnungen, Fundstücke von der Natur oder auch durch eine gelöste Fahrkarte, einmalig.

Schönschreiben

über:kärnten II

Manche politischen Vorkommnisse in Kärnten, nach der Jahrtausendwende, wurden über die Landesgrenzen, teilweise über die Bundesgrenzen hinaus bekannt. Bewegte man sich als Kärntner im österreichischen Ausland, wurde man über Jahrzehnte auf die  Person Jörg Haider angesprochen. Ein politisches Talent, wie man es in der österreichischen Innenpolitik selten erlebte. Mit einem Talent geboren zu sein, bedeutet  für dieses Talent Verantwortung zu übernehmen. Dabei gibt es den Bibelspruch, dass man seine Talente nicht unter den Scheffel stellen soll und auch nicht vergraben. Dem Talent hat ein Verkehrsunfall ein jähes Ende bereitet. Für die negativen Folgen seines Handelns hat er keine Haftung übernehmen müssen. Wie wir es bei Schauspielerinnen und Sängerinnen erleben, dass sie ein früher Tod vor dem Alter bewahrt hat. Am Höhepunkt seines Ruhmes ist er abgetreten, für die Schattenseiten musste er nicht mehr gerade stehen.

In diesem Zusammenhang wurde, nicht zum ersten Mal, die Psyche der Kärntner von Wiener  Psychiatern unter die Lupe genommen. Schon Erwin Ringel, der Erklärer der Österreichischen Seele, hat darauf hingewiesen, dass die Kärntner Seele sich wesentlich von den Restösterreichern unterscheidet.  Er hat die Kärntner als die Sizilianer Österreichs bezeichnet. Im Herbst 1988 hat Erwin Ringel im Schlossgarten von St. Kanzian einen denkwürdigen Vortrag gehalten. Diesem Vortrag habe ich gelauscht  und im Hermagoras Verlag ist danach das Buch, Die Kärntner Seele, erschienen. Vor zwei Jahren war ich wieder in St. Kanzian und habe dabei gesehen, wie sich das Ambiente des Schlossgartens verändert hat. Den Mittelpunkt bildet heute ein Bildungszentrum mit einem angeschlossenen Hotel und Restaurant. Manche Bäume, dachte ich mir, sind schon damals hier gestanden.

Ein Psychologe hat anlässlich des 10. Todestages von Jörg Haider erklärt, der Umgang der Kärntner mit dem verunglückten Landeshauptmann gleicht mit dem eines Heiratsschwindler. Obwohl man vom Heiratsschwindler emotional hereingelegt und finanziell ausgenommen wurde, schwärmen dessen ungeachtet viele Frauen weiterhin vom Charme und dem weltoffenen Auftreten.Dies ist eine Seite der menschlichen Psyche, wir verdrängen oftmals das Unangenehme und erinnern uns nur an die schönen Seiten. Bei Heiratsschwindlern sind die Opfer vornehmlich Frauen. Uns Männern geht es ähnlich. Jahre nach einer gescheiterten Beziehung beschwört man das Liebliche in der Verbindung, die schönen Augenblicke. Die unschönen Seiten und  Erlebnisse in der Partnerschaft, welche die Seele verletzt haben, werden ausgeblendet.

Fabrikant

über:kärnten I

Die kreative Empfindsamkeit betrifft nicht nur Musik und Gesang, sondern auch Literatur und Malerei. Kärnten wird gerne als Land der Dichter bezeichnet. Bedeutsame deutschsprachige Schriftsteller der Vergangenheit, wie auch der Gegenwart stammen aus Kärnten. Meine Favoriten, um drei Namen zu nennen: Ingeborg Bachmann, Peter Handke und Christine Lavant. Mir persönlich bekannte Literaten will ich hier nicht erwähnen. Wie in allen Künsten gibt es ein breites Fußvolk, dieses hat auch seine Berechtigung. Mitunter ändern sich die Zeiten. Es passiert, sind Personen zu Lebzeiten auch sehr bekannt, rücken sie nach dem Tod wieder in den Hintergrund. Darüber bestimmen auch die Nachlassverwalter mit. Verwandte, welche den künstlerischen Ambitionen eines Familienmitgliedes zu Lebzeiten skeptisch gegenübergestanden sind. Wo es um ein Mitspracherecht geht, in der Öffentlichkeit auf den Lorbeeren des Verstorbenen sich auszuruhen, ist man interessiert. Möglicherweise kein Buch des Familienmitgliedes aufmerksam gelesen, sie stehen zu Hause ungelesen im Bücherschrank.

Die Jungkärntner in Wien werden wahrscheinlich auf die tollen Events im Land, auf die Freizeitmarke Kärnten angesprochen. Auf das GTI-Treffen im Frühsommer zudem GTI-Fahrer aus ganz Europa anreisen, auf den Villacher Kirchtag, wo Scharen von Italiener die Innenstadt bevölkern. Weitere Events, in Verbindung mit den Kärntner Seen, verbreiten den Geschmack des lebensfrohen Kärnten. Zu dieser Marke gehört auch die Nachbarregion Friaul. Das bunte Kärntner Völklein wird als eine Mischung aus Italiener und Österreicher eingestuft, mit einer gewissen Sorglosigkeit im Alltag.

Die Kreativität zeitigt aber auch besondere Auswüchse. So gibt es das Kärntnerwasser mit Zitrogeschmack in Flaschen zu kaufen. Für Einheimische  müsste es beim Kauf eine Vergünstigung geben, handelt es sich dabei doch um das Kärntner Wasser und gehört dies nicht allen Kärntner? Die Verkäuferin im Supermarkt meinte auf eine diesbezügliche Anspielung, auch für Kärntner gibt es keinen Rabatt.

Undine

ver:kehrt II

Zumeist resignieren die Mitbewohner vor dem lautstarken Auftreten der Zugezogenen und räumen ihnen kleine Vergünstigungen ein. Sei es ein kleiner Abstellraum oder ein mehr an Kellerabteil. Nach einem Monat kommt der Anspruch, der ganze Keller gehört nur einer Familie. Bei aller Nachsicht, ist man gut beraten, wenn man darauf besteht, dass sich auch Menschen aus anderen Volksgruppen die Regeln der Mehrheit einhalten. Ein Miteinander wird wahrscheinlich nur dann funktionieren wenn es gemeinsame Vereinbarungen gibt und nicht einfach der Aggressivere das Sagen hat. Bemüht sich ein einfühlsamer Mensch um einen Ausgleich, hat es zudem für ihn den Nachteil, dass er zumeist einige Tage darüber grübelt, wie Konflikte auf friedliche Art, nachbarschaftlich, gelöst werden können. Ungelöste Konflikte auch in die Träume einfließen und die Nachtruhe beeinträchtigen. Wahrscheinlich leidet er mehr darunter, als derjenige welcher die Übertretungen begangen hat.

Eine verkehrte Situation ist, wenn im Regionalexpress von Wiener Neustadt nach Vorau bei sommerlichen Temperaturen die Klimaanlage ausfällt. Zuerst vertröstet man sich, wenn der Zug in Fahrt kommt, dann wird sich die Klimaanlage schon aktivieren. Umgekehrt, nach einer Viertelstunde wird es im Abteil immer heißer. Bis jetzt, versichert mir eine Zugnachbarin, sie fahre regelmäßig mit diesem Zug, hat es noch keinen Ausfall der Klimaanlage gegeben. Auch in den Nahverkehrszügen ist laut ÖBB freies W-LAN verfügbar, die Klima funktioniert nicht. Während der Fahrt öffnet die Nachbarin eine Tragtasche und entnimmt dieser einen Karton mit einem Elektrogerät. Insgeheim habe ich gehofft, es könnte sich um einen Ventilator handeln, Steckdosen wären vorhanden. Stattdessen packt die Nachbarin einen mehrstufigen Föhn aus.

ver:kehrt I

Leben wir in einer verkehrten Welt?  In einer Fachzeitschrift für Psychologie lese ich, dass die guten Menschen, Menschen mit guten Absichten, im Alltag in den meisten Fällen bei einem Konflikt den bösen Menschen unterliegen. Das bedeutet, dass sich zumeist diejenigen, welche im Garten ohne Rücksicht auf die Nachbarn lauthals am Wochenende ein Spanferkel grillen, behaupten können. Zumeist breiten sich diese Gerüche über ein ganzes Viertel aus und setzen sich in den Zimmern und Wohnungen der Anrainer fest. Die Verursacher triumphieren über alle anderen Nachbarn. Dazu eingeladen ist das breite Spektrum der Verwandtschaft, die bei fortgeschrittener Zeit sich in  lautstarke Auseinandersetzungen verbeißt, teilweise bei einem Handgemenge in den Haaren liegen.

Was nützen behördliche Anweisungen und Anrainerwünsche, dass sie sich an ortsübliche  Regeln halten soll, wenn die Feier weit nach Mitternacht dauert. Zumeist stoßen verschiedene Wohn- und Lebensvorstellungen aufeinander. Bedürfnisse der neu Hinzugezogenen können sich diametral von den Ansässigen unterscheiden. So nützt es wenig, wenn man in freundlicher Weise mit den neuen Nachbarn redet. Sie verwechseln ihre Mietwohnung mit Gartenanteil mit einem Haus am Waldes- oder Ortsrand. Die Reaktion der Angesprochenen besteht darin, dass sie darauf pochen in ihrem Garten tun und lassen zu können, was sie wollen. Sie anerkennen keine Hausordnung. Dazu kommt der Einwand, man könne nicht so gut deutsch und habe manches im Mietvertrag nicht verstanden.

Nix vasteahn.