GOTTES:tierpark

Es gibt den Ausspruch: „Gottes Tiergarten ist groß“. Damit ist nicht die Vielzahl der Tiere in der freien Wildbahn gemeint, es kann damit ein Bekannter oder jemand mit dem man kurz Kontakt hatte und über deren Verhalten man sich gewundert hat, gemeint sein. Damit kann jemand gemeint sein, der einen Motorradhelm am Kopf trägt und zu Fuß in Richtung Maibachl unterwegs ist. Am Rücken trägt er einen Rucksack, in einer Hand hat er einen Skistock und redet mit sich selbst. Dabei wird er so laut, dass man ihn in dreißig Meter Entfernung verstehen kann. Er schimpft über seinen Freund, dem er in seiner Keusche ein Zimmer eingeräumt hat und jetzt soll er auch noch die Strom- und Heizkosten für ihn zahlen. Dazu stiehlt der Freund seine Jause aus dem Kühlschrank, weil dieser sein Geld lieber für Alkohol ausgibt, als sich etwas zum Essen zu kaufen. Die meisten Spaziergänger ignorieren ihn, andere werfen einen nachsichtigen Blick hinterher. Er und sein Freund haben eine Lebensgemeinschaft gebildet, wenn auch anders, als wir uns dies vorstellen.

Heilbad.

KÄRNTNER:lied

Von den Kärntner wird behauptet, dass viele eine schöne Stimme haben, sie gerne singen und die Melodien schwermütig sind. Auch als unmusikalischer Kärntner kann ich dem zustimmen. Zu den Texten der Kärntnerlieder kann ich sagen, dass viele nicht besonders aussagekräftig sind. Auch bei den „Neuen Kärntnerliedern“ haben sich die Texte seit fünfzig Jahre nicht geändert. Es gereicht einer Talschaft zur Ehre, dass die Wiesen so grün und die Bächlein so klar sind, aber muss dies hundertfach wiederholt werden? Wer ist heute noch „valossn wia a Stan auf da Schtrossn“ und zieht in die Ferne? Es hat jeder sein Handy dabei und schickt Fotos per Email. Der Heimatbegriff, wie wir ihn verwenden ist etwa vor hundertfünfzig Jahren entstanden, als durch die Industrialisierung tausende Menschen aus den Tälern in die Städte gezogen sind, um in den neu entstandenen Fabriken zu arbeiten. Aus Wehmut sind damals die ersten so genannten Heimatlieder entstanden. Dabei wurde die Schönheit des Tales besungen, welches man verlassen musste. Heute erfolgen die Fernreisen freiwillig, die Menschen sind bereit für das Abenteuer in anderen Länder zu zahlen.

Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es nirgendwo in Österreich so viele Chöre wie in Kärnten. Stehen drei Kärntner beisammen, fangen sie zum Singen an. Ist man in einem anderen Bundesland unterwegs, dann wird einem Kärntner schnell die Frage gestellt, ob man bei einem Chor mitsingt?  Die schönsten volkstümlichen Schlager und Heimatlieder hat Frank, der seit über fünfzig Jahren in Australien lebt, bei einer Geburtstagsfeier gesungen. Diese Hingabe bei den Heimatliedern habe ich sonst noch nie erlebt, Schlager und Melodien, die man bei uns nicht mehr hört.

Österreicherklub.

BIENEN:hütte

Der beste Ort um mich zu entspannen ist in Möselstein eine Bienenhütte, auf einem Plateau oberhalb des Ortes, in einer Lichtung, mitten im Wald. Der Weg führt bei der Kreuzkapelle mit dem Steinchristus vorbei, ein persönliches Stimmungsbarometer. Je nachdem ob Christus seine Augen gegen den Himmel oder auf die Erde richtet, ob er mich freudig oder traurig anschaut, so ist die Befindlichkeit der Welt. Die globalen Ereignisse, wie Erdbeben, Brandkatastrophen, Überschwemmungen und Gewaltausbrüche zeichnen sich in seinen Augen ab. Meine Fragen und Gedanken verursachen Furchen in seinem Gesicht.

Nach der Kapelle folgt ein steiler Anstieg und ich bin von allen Straßen- und Zuggeräuschen getrennt. Es ist sonnig und die Bienen schwärmen aus, um die letzten blühenden Blumen und Sträucher, zu besuchen. Ich bin überzeugt von der Disziplin und dem Fleiß der Bienen. Das Gras ist gemäht und in das Grün mischen sich braune Farbtöne. Die Blätter der Sträucher und Bäume verfärben sich, noch einmal erreichen sie unsere Aufmerksamkeit. Ob hier ein Kraftort ist, wie sie jetzt von Geomanten hinter jeder Hausecke in Kärnten entdeckt werden?

Die letzten Radtouren haben meine Hüftgelenke durchbewegt und gelockert, die Sperrigkeit in den Gelenken gelöst. Die Verspannungen nach der Geschäftsübergabe werden weniger, manches mal treten sie noch auf.

Bienengift.

ARBEITS:pause

In einem Vormittag ist die Buchhaltung der letzten Woche erledigt, das Kassabuch und das Wareneingangsbuch aufgebucht, sowie die aktuellen Kontoauszüge bearbeitet. Bis Mittag bleibt noch Zeit, um den Innenhof mit einem Laubstaubsauger zu säubern. Vorher entferne ich bei den Blumen das Unkraut und beschneide einige überbordende Sträucher. Dies ist eine Beschäftigung die mir viel Freude bereitet, eine Abwechslung zur kaufmännischen Arbeit. Dabei kann ich beobachten, was sich von Woche zu Woche im Hof verändert hat.

Die Mittagszeit und das schöne Wetter erlauben es, eine kleine Radtour zu unternehmen. Mein Weg führt durch das Möselsteiner Moor der Bahn entlang nach Pöckau, weiter nach Neuhaus, bis zur ersten Rast in der Oberschütt. In diesem Frühjahr wurden die Ebereschen ausgegraben und durch Kastanienbäume ersetzt. Die Ebereschen waren für mich ein Jahreszeitenthermometer. Färbten sich die Beeren rot, war dies ein Zeichen, dass der Hochsommer vorbei war und der Frühherbst beginnt. Gleichzeitig war dies der Auftakt für die neue Schulsaison, die mit der Schulbuchauslieferung begonnen hat. Auch in der heißen Phase des Schulanfanges habe ich, wenn es die Zeit erlaubt hat, diesen Ort aufgesucht, um auszuspannen. Manche begehen den Fehler, dass sie in einer intensiven Arbeitsphase auf das Ausspannen vergessen, dann wenn man es am nötigsten hat.

Nach einer gelungen Arbeit ist die Freude beim Ausspannen groß, gerade dann, wenn man sich die die Auszeit stehlen musste. Wie ändert sich das, wenn man in Pension ist, wo die Auszeit das Normale und die Arbeitszeit die Ausnahme ist.

Vorzeichenwechsel.

BANK:konto

Welchen Wert haben die Ersparnisse auf einem Bankkonto, wenn man stirbt. Es ist eine unheilvolle Allianz zu wissen, über soundsoviel Geld zu verfügen, und dann im nächsten Moment, in den nächsten Tagen sterben zu müssen. Was wird einen in der Todesstunde beschäftigen. Der Tod ist durch Geld nicht zu bestechen, es gibt keine Stunde, keinen Tag zusätzlich. Man wird sich nicht über das, was man getan hat aufregen, als vielmehr über das, was man nicht getan hat. Aus menschlicher Sicht gibt es tragische Verknüpfungen, wo man sich fragt, warum hat man etwas nicht schon früher gemacht. Sich anderen Menschen geöffnet, anderen Menschen geholfen oder bei gesellschaftsrelevanten Bewegungen mitgearbeitet. Vieles wird von uns auf später verschoben, wenn es leichter möglich ist, es in den Lebensalltag einzubauen. Manchmal fehlt einem dann die Kraft dazu oder es ist plötzlich zu spät. Im menschlichen Leben gibt es „Sternstunden“, Ereignisse schicksalhafter Natur, nach denen man eine Kurskorrektur vornimmt.

Das Erdbeben, welches in den siebziger Jahren in Friaul tausende Tote verursachte und Südkärnten erschütterte, führte zu einer Veränderung der Lebensumstände. Es war am 6. Mai um etwa 20.45, dass ich mit dem Stuhl wie auf einer Welle hochgehoben wurde, um dann wieder am Fußboden zu landen. Die Erdstöße verursachten wellenförmige Bewegungen. Dann folgten die Erschütterungen der Mauern, das Klirren der Fenster und Gläser. Von draußen hörte man das Aufprallen der herabstürzenden Dachziegel und Mauerbrocken. Danach absolute Stille, bis die Menschen aus allen Häusern in das Freie stürmten. In den nächsten Tagen war das Durchschlafen unmöglich, immer wieder gab es leichte Erdstöße, die Türen standen zwecks schneller Fluchtmöglichkeit offen. Die Zeitungen und das Fernsehen berichteten ausführlich von den Zerstörungen bei den Nachbarn, manche Ortschaften waren völlig zerstört, wie nach einem Bombenangriff. Schon am darauffolgenden Wochenende waren die Gasthäuser und die Tanzlokale in Südkärnten gut besucht, viele versuchten etwas vom Leben nachzuholen, bevor es zu spät sein könnte. Beim Totenschmaus ist es in Kärnten so unterhaltsam wie beim Hochzeitsmahl.

Wiedergeburt.