faschen:trauma

In den sechziger Jahren wurden die Babys in den ersten Lebensmonaten nach dem Füttern und dem Trockenlegen „eingefascht“. Dies war ein Vorgang, als ob man bei einem offenen Fuß eine Wunde mit einer Binde versorgt hat. Dabei wurden auch die Beine eingewickelt,  es waren nur die Hände frei. Die Babys hatten das Aussehen von Modepuppen. Als Volksschüler  musste  ich in den Sommermonaten, wenn die Eltern und die Geschwister bei der Heuernte waren, auf meinen jüngsten Bruder, der ein paar Monate alt war, aufpassen. Nach dem Füttern schlief er, aber nach dem Aufwachen wurde er unruhig. Er fing an zu greinen, beim Raunzen das Gesicht zu verziehen, die Hände zu  bewegen und versuchte es auch mit den Füßen. Kaum hatte ich die Faschen von seinen Füßen entfernt, beruhigte er sich und fing zum Lachen an. Sofort strampelte er mit beiden Füßen auf das Heftigste. Wahrscheinlich war ich als Baby in einer ähnlichen Lage. Heute bezeichnet man solche  Erfahrungen schnell als Kindheitstrauma.

Ähnliche Erfahrungen macht man bei einer Kneippkur und ich nehme an, dass man bei bestimmten Anwendungen auf ein Kindheitstrauma stößt.  So wehrt  man sich bei manchen Therapien ganz fest eingeschnürt zu werden. Dabei ist dies bei Moorpackungen, egal ob für die Hüfte, die Lenden oder für die Schultern,  unerlässlich. Wurde es mit den Faschen ganz eng,  dann habe ich mich dafür stark gemacht, dass ich eine meiner Extremitäten im Freien lassen durfte. Keine Möglichkeit sich zu wehren besteht,  wenn man zur Stärkung des Immunsystems um fünf Uhr morgens aus dem Bett geholt wird und der Oberkörper mit einem Frotteehandschuh und  mit kaltem Wasser abgerieben wird. Dabei gibt es keinerlei „Nachsicht“. Ähnlich überfallsartig wird frühmorgens ein kalter Salzwickel zur Anregung und Entgiftung  der Leber  angebracht. Danach wird man bei beiden Anwendungen mit Decken  und Tüchern eingefascht.

Kaltwasseranstalt

SCHATZ:truhe

Den Kleinbetrieben, egal ob im Handel, im Handwerk oder in der Gastronomie fällt es schwer, im Werbechor der Großbetriebe, welche die Haushalte täglich mit Flugzettel eindecken, Aufmerksamkeit zu erwecken. Mit einer persönlichen Betreuung kann ein Kleinbetrieb punkten. Dadurch kann man das viele Geld, welches die Großbetriebe für die Werbung verwenden, etwas kompensieren, aber nicht ersetzen. So führte eine Abartigkeit, wie es von einigen Personen bezeichnet wurde dazu, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Die generelle Kleinschreibung bei den Flugzetteln, bei den Einschaltungen in den örtlichen Gemeindenachrichten, konnte in den siebziger Jahren unter der Bevölkerung einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Eine Möglichkeit, um Erwachsene an ein Geschäft oder ein Gastlokal zu binden besteht darin, die Kinder wie „Könige“ zu behandeln. Die Kinder reden ein Wort mit, wenn die Eltern etwas kaufen oder ein Restaurant besuchen. Ein Beispiel für diese Art der Kundenbindung ist eine bekannte Fast-Food-Kette. Um eine Juniortüte zu bekommen ist den Kindern jedes Mittel recht. Beim Besuch eines Speiselokals in Möselstein konnte ich zusehen, wie die Servierkraft am Nebentisch zum Kassieren eine kleine Schatztruhe hinstellte. Mein erster Gedanke war, ob sie auf Nummer sicher geht und das Geld sofort in der Truhe, wie wir es von den Seeräubern kennen, verwahren will. Sie öffnete die Schatztruhe und die Kinder durften sich eine Süßigkeit aussuchen. Beim Kassieren fragte ich die Kellnerin: „Kann ich mir in der Schatztruhe auch etwas aussuchen“? Sie sagte: „Nur Kinder dürfen sich etwas aussuchen“. Auf meine Frage: „Wie lange ist man Kind und was ist der Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen mit einem kindlichen Gemüt“, wusste sie keine Antwort. In der Bibel steht: Werdet wie die Kinder.

Traubenzuckerlutscher.

ZU:gezogen

Wie bilden wir uns, über Menschen denen wir begegnen, über neue Nachbarn in der Wohnanlage, eine Meinung? Der erste Gedanke ist, wie alt sind sie und woher kommen sie: Aus der näheren Umgebung, aus einem anderen Bundesland, aus dem Ausland und welche Sprache sprechen sie? Bevor man mit den neuen Bewohnern gesprochen hat, bilden sich schon Meinungen, die im Raum stehen bleiben und nicht  leicht zu verändern sind. Mit einer vorgefassten Meinung verbaut man sich die Chance für ein vorurteilsloses Gespräch. Aus Stolz vergeht manches mal, weil man von den Neuankömmlingen erwartet das sie zuerst Kontakt aufnehmen, ein ganzes Jahr, bis es zu einem Gespräch kommt. Auch von den Österreichern in den anderen Bundesländern gibt es bestimmte Vorstellungen, je nachdem ob es sich um Vorarlberger, Wiener oder Tiroler handelt. Die meisten Vorbehalte gibt es gegenüber denen, die aus dem ehemaligen Osten, dem Balkan und aus dem Fernen Osten kommen.

In Möselstein gibt es überwiegend Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der Kontakt besteht hauptsächlich dadurch, dass die Mütter mit den Kindern die Schulartikel einkaufen. Die Mütter schätzen die Beratung beim Einkauf, nach den Wünschen der Lehrerin. Die Kinder lernen meistens schneller und besser Deutsch als die Erwachsenen. Einem Zuwandererkind habe ich einen Zehneuroschein zu viel an Retourgeld gegeben. Nach einer Viertelstunde hat das Kind den Zehneuroschein zurückgebracht und gesagt: „Ich hätte diesen zu viel ausbezahlt“.

Ehrlichkeit.

VOR:tritt

Aus der Schulzeit sind den Meisten von uns einige Vorkommnisse, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegen, in Erinnerung geblieben. Zu den Ungeliebten gehörte die Aufforderung vom Professor: Vorzutreten. Ein Grund dafür konnte sein, dass man während des Unterrichtes ein Stück Brot gegessen hat, dabei erwischt wurde und es abgeben musste. Im Internat war dies ein Stück Brot, ohne Brotaufstrich. Bei uns Zöglingen waren die Endstücke des Brotlaibes bliebt, an der Rinde konnte man länger kauen. Ein anderer Grund konnte sein, dass man bei der Schularbeit versucht hat seinem Vordermann einen „Schwindelzettel“ zu zuschieben oder man wurde aufgefordert vorzutreten, weil man während der Stunde schwätzte. Wer für eine Frage die richtige Antwort hatte oder eine Rechenaufgabe lösen konnte, ist nach vorne gegangen und hat die Lösung an die Tafel geschrieben. Solche, die es nicht wussten, versteckten sich hinter dem Vordermann und haben es vermieden den Professor anzusehen. Bei der Aufforderung einen Satz in das Lateinische zu übersetzen und an die Tafel zu schreiben war es hilfreich, dass in den vorderen Sitzbänken die besseren Schüler saßen. So konnte man hoffen, dass bei Schwierigkeiten etwas zuflüstert wurde. Als Belohnung gab es ein Stück Schokolade.

Die Unbekümmertheit wie man als Kind zu einer Prüfung vor die Klasse getreten ist, geht manchmal im Laufe des Lebens verloren. Es gibt keinen Grund auf seinen Leistungen sitzen zu bleiben.

Taubstummensprache.

NICHT:alt

Arbeitet man mit jungen Menschen zusammen und ist für ihre Ausbildung verantwortlich oder ist in einem Geschäft beschäftigt, dass von vielen Jugendlichen frequentiert wird, dann erlebt man auf angenehme Art,dass man nicht zum „alten Eisen“ gehört. Dabei erlebt man, wie zwanglos sie mit älteren Menschen umgehen,ohne ausfällig zu werden. Von anderen Menschen wird darüber geklagt, dass die Jugend keinen Respekt vor dem Alter hat und sich abfällig äußert. Die Jugendlichen benehmen sich gegenüber Älteren genauso locker wie untereinander,steife Umgangsformen lehnen sie ab. Wer diese Art von Umgang akzeptiert erlebt eine Bereicherung für seinen Alltag, außer man kehrt veralterte Ansichten hervor. Diesen Umgang vermisst man, wenn man das Milieu wechselt .

Einem Schüler ist übel geworden und er erzählt der Lehrerin, dass er vor Schulbeginn eine Tüte Kartoffelchips gegessen hat. Die Lehrerin macht ihn darauf aufmerksam, dass er mit vierzehn Jahren so vernünftig sein müsste um zu wissen, dass dies nicht gesund ist. Der Schüler: „Frau Lehrerin, mit fünfzehn Jahren werde ich gescheiter sein“.

Weisheiten.