ZU:gezogen

Wie bilden wir uns, über Menschen denen wir begegnen, über neue Nachbarn in der Wohnanlage, eine Meinung? Der erste Gedanke ist, wie alt sind sie und woher kommen sie: Aus der näheren Umgebung, aus einem anderen Bundesland, aus dem Ausland und welche Sprache sprechen sie? Bevor man mit den neuen Bewohnern gesprochen hat, bilden sich schon Meinungen, die im Raum stehen bleiben und nicht  leicht zu verändern sind. Mit einer vorgefassten Meinung verbaut man sich die Chance für ein vorurteilsloses Gespräch. Aus Stolz vergeht manches mal, weil man von den Neuankömmlingen erwartet das sie zuerst Kontakt aufnehmen, ein ganzes Jahr, bis es zu einem Gespräch kommt. Auch von den Österreichern in den anderen Bundesländern gibt es bestimmte Vorstellungen, je nachdem ob es sich um Vorarlberger, Wiener oder Tiroler handelt. Die meisten Vorbehalte gibt es gegenüber denen, die aus dem ehemaligen Osten, dem Balkan und aus dem Fernen Osten kommen.

In Möselstein gibt es überwiegend Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der Kontakt besteht hauptsächlich dadurch, dass die Mütter mit den Kindern die Schulartikel einkaufen. Die Mütter schätzen die Beratung beim Einkauf, nach den Wünschen der Lehrerin. Die Kinder lernen meistens schneller und besser Deutsch als die Erwachsenen. Einem Zuwandererkind habe ich einen Zehneuroschein zu viel an Retourgeld gegeben. Nach einer Viertelstunde hat das Kind den Zehneuroschein zurückgebracht und gesagt: „Ich hätte diesen zu viel ausbezahlt“.

Ehrlichkeit.

VOR:tritt

Aus der Schulzeit sind den Meisten von uns einige Vorkommnisse, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegen, in Erinnerung geblieben. Zu den Ungeliebten gehörte die Aufforderung vom Professor: Vorzutreten. Ein Grund dafür konnte sein, dass man während des Unterrichtes ein Stück Brot gegessen hat, dabei erwischt wurde und es abgeben musste. Im Internat war dies ein Stück Brot, ohne Brotaufstrich. Bei uns Zöglingen waren die Endstücke des Brotlaibes bliebt, an der Rinde konnte man länger kauen. Ein anderer Grund konnte sein, dass man bei der Schularbeit versucht hat seinem Vordermann einen „Schwindelzettel“ zu zuschieben oder man wurde aufgefordert vorzutreten, weil man während der Stunde schwätzte. Wer für eine Frage die richtige Antwort hatte oder eine Rechenaufgabe lösen konnte, ist nach vorne gegangen und hat die Lösung an die Tafel geschrieben. Solche, die es nicht wussten, versteckten sich hinter dem Vordermann und haben es vermieden den Professor anzusehen. Bei der Aufforderung einen Satz in das Lateinische zu übersetzen und an die Tafel zu schreiben war es hilfreich, dass in den vorderen Sitzbänken die besseren Schüler saßen. So konnte man hoffen, dass bei Schwierigkeiten etwas zuflüstert wurde. Als Belohnung gab es ein Stück Schokolade.

Die Unbekümmertheit wie man als Kind zu einer Prüfung vor die Klasse getreten ist, geht manchmal im Laufe des Lebens verloren. Es gibt keinen Grund auf seinen Leistungen sitzen zu bleiben.

Taubstummensprache.

NICHT:alt

Arbeitet man mit jungen Menschen zusammen und ist für ihre Ausbildung verantwortlich oder ist in einem Geschäft beschäftigt, dass von vielen Jugendlichen frequentiert wird, dann erlebt man auf angenehme Art,dass man nicht zum „alten Eisen“ gehört. Dabei erlebt man, wie zwanglos sie mit älteren Menschen umgehen,ohne ausfällig zu werden. Von anderen Menschen wird darüber geklagt, dass die Jugend keinen Respekt vor dem Alter hat und sich abfällig äußert. Die Jugendlichen benehmen sich gegenüber Älteren genauso locker wie untereinander,steife Umgangsformen lehnen sie ab. Wer diese Art von Umgang akzeptiert erlebt eine Bereicherung für seinen Alltag, außer man kehrt veralterte Ansichten hervor. Diesen Umgang vermisst man, wenn man das Milieu wechselt .

Einem Schüler ist übel geworden und er erzählt der Lehrerin, dass er vor Schulbeginn eine Tüte Kartoffelchips gegessen hat. Die Lehrerin macht ihn darauf aufmerksam, dass er mit vierzehn Jahren so vernünftig sein müsste um zu wissen, dass dies nicht gesund ist. Der Schüler: „Frau Lehrerin, mit fünfzehn Jahren werde ich gescheiter sein“.

Weisheiten.

SCHREIBEN:rechnen

Spricht man davon, dass sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert hat, dann meint man damit den technischen und medizinischen Fortschritt und wie sich in unseren Breiten der Wohlstand ausgebreitet hat. Dies sind Umstände, die uns den Alltag anders vorkommen lassen. Die heutigen Babys erscheinen uns um vieles lebendiger und interessierter, als zu unserer Jugendzeit. Diese Lebendigkeit haben sich die Babys selbst erstrampelt, eine Revolution im Kinderwagen. Als Volksschüler musste ich am Nachmittag auf den jüngeren Bruder, damals ein Baby, aufpassen. Unsere Eltern waren bei der Feldarbeit, ich kümmerte mich zuhause um meinen Bruder. Ich versuchte ihn zu beruhigen, wenn er unruhig war oder zu Schreien begann. Dies gelang mir, indem ich ihm etwas vorsang, aus meinem Lesebuch vorlas oder ihm erzählte, was ich in der Schule gelernt und gehört hatte. Damals war es üblich, dass die Babys mit Stoffwindeln gewickelt und dann „eingefascht“ wurden. Dies geschah mit einem Leintuch, welches wie ein Verband um das Kind gewickelt wurde, sodass es sich kaum bewegen konnte, nur die Arme waren frei. Als Baby führte man ein eingeschränktes Leben, viel freier geht es heute bei der Kinderpflege zu.

Einen Fortschritt sieht man heute darin, dass bereits die Volksschüler den Umgang mit dem PC und dem iPad erlernen. Schon mit den Erstklässer werden Projektarbeiten und Studien außerhalb der Schule durchgeführt. Nach dem schlechten Abschneiden der österreichischen Schüler bei der Pisastudie ist von einem Pädagogikprofessor die Anregung gekommen, dass das Augenmerk beim Unterrichten in der Volksschule wieder darauf gelegt werden muß, dass die Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Irgendwann scheint das Wesentliche beim Unterrichten verloren gegangen zu sein.

Zum Ursprung.

DURCH:machen

In meiner Jugend ist es vorgekommen, dass ich „durchgemacht“ habe. Damit ist gemeint, dass man bei einer Veranstaltung bis in die frühen Morgenstunden dabei ist, vom Fest zur Arbeit eilt. Zu den Feiern  gehörten der Jahreswechsel, der Faschingsausklang und der Kirchtag. Da sind viele in Möselstein erst in den Morgenstunden auf dem Heimweg, derweil die Arbeiter vom Wirtschaftshof die Wurfschlangen und die Bierflaschen vom Marktplatz wegräumen. Manche stapfen bloßfüßig durch den Schnee und tanzen den Kriegstanz. Vom Kirchtag verschlungen wie ein Bierbrezen über den Hauptplatz gehen und denken, Scherben bringen Glück. Damals dachte ich, dass es immer so bleiben wird, jetzt muss ich erkennen, dass der Elan vor Mitternacht nachlässt und ich vom Heimweh gepackt werde.

Es gibt Selbstständige, die sind vom „Durchmachervirus“ befallen. Sie übersehen den Zeitpunkt wo es sinnvoll ist den Betrieb aufzugeben oder weiterzureichen. Wer die Müdigkeit vor Mitternacht unterdrückt und die Mitternachtsstunde verleugnet, hat keine andere Wahl, als durchzumachen. Es gibt Kollegen, die nicht aufhören wollen und als Selbstschutz fragen: „Was soll ich zu Hause machen“. Für diejenigen, die in Pension gehen, nur Kopfschütteln übrig haben. Ein achtzigjähriger Kaufmann hat bei einer Ehrung der Wirtschaftskammer auf die Frage: „Wann er die Absicht hat aufzuhören“, gemeint: „Jetzt, da ich weiß wo jede Schraube in meinem Geschäft zu finden ist, soll ich aufhören“?

 Finderlohn.