LEBENS:genuss

Von der Jugend sagt man, dass sie bei einem zufälligen Treffen auf der Terrasse vom Cafe Platzl oder bei der Autowaschanlage „Fun Wash“ auf die Zeit vergisst. Nach Arbeitsschluss führt der erste Weg beim Kiosk an der B83 vorbei und das Fertigstellen des Gartenzaunes wird auf den nächsten Tag verschoben. Um für die Eltern etwas zu besorgen fehlt oft die Zeit, wenn man nach Hause kommt warten schon die Joggingschuhe auf den Einsatz. Ab geht die Post mit der Freundin, die Gail entlang, in der Almwirtschaft wird zugekehrt. Das Wochenende verbringt man im Cinaplex und irgendwie hat die Freundin die flotteren Sachen, dies ändert man beim Modeshoppen. Die Jungen wollen trendig sein und der Tag soll Spass machen auch wenn das Bankkonto schon schmal geworden ist. Bei größeren Anschaffungen, wie Autos und Wohnungseinrichtung vertraut man darauf, dass alles nach Plan verlaufen wird. Zuerst wird gelebt und dann gespart.

Vor Jahrzehnten war es umgekehrt, man hat zuerst gespart und dann gelebt. Manches mal hat man in der Zeit des Sparens das Genießen verlernt und sich mit der Zeit in der Pension getröstet. Später wird vieles schwieriger und beschwerlicher, auch das Genießen und Feiern. Die wenigsten werden reich geboren, sodass sie nicht arbeiten müssen und nur feiern können. Manche sind davon überzeugt, dass sie einen Auftrag in ihrem Leben haben, für sie kommt Genießen nicht in Frage. Sieht man die jugendlichen, braun gebrannten, fröhlichen Frauen von der Hauskrankenhilfe im Café sitzen, dann kommt einem der Gedanke, dass im Alter nicht alles trübe ist.

Zur schönen Aussicht.

FÜNF:hände

Während ich mich am Frühstücksbuffet bediene klage ich innerlich darüber, dass ich es mit einmal nicht schaffe, den Kaffee, den Orangensaft, den Käse, die Wurst und das Brot, zum Tisch mitzunehmen. Ich komme in das Grübeln und frage mich, wie viele Hände braucht der Mensch? Es gibt Situationen wo es mir lieb wäre, mehr als zwei  Hände zu haben. Dabei gehört die Situation am Buffet zu den angenehmen und ist leicht zu bewältigen. Bei einer Warenanlieferung könnte ich mir vorstellen, dass es ein Vorteil wäre, hätte ich mehr als zwei Hände. Ich könnte alles schneller erledigen. Wäre es  für den Menschen ein Nutzen, hätte er fünf Hände  und gäbe es  auch keine Nachteile? Die kürzeste Antwort ist: Die Evolution hat es gewusst warum wir „nur“ zwei Hände haben. Hätten wir mehr Hände, hätten wir die Ressourcen der Erde schon verbraucht, wir würden mehr haben wollen und mehr zusammentragen. Bei Kriegshandlungen und Verbrechen wären wir doppelt so grausam.

Am Nachbartisch sitzt ein Ehepaar mit zwei Kindern, eineinhalb und drei Jahre alt, beim Frühstück. Für die Mutter wäre es ein Nutzen, wenn sie fünf Hände hätte. Jedes der Kinder verlangt ihre Aufmerksamkeit und fordert seine Wünsche ein. Ein  Brot streichen, den Saft einschenken, ein Stück Kuchen abschneiden. Ihr selbst bleiben zum Frühstücken keine Hände frei, mit fünf Händen könnte sie auch  frühstücken. Die Frau mit den zwei Kindern besucht über das Wochenende den kurenden Mann. Umgekehrt wäre es kaum denkbar, dass eine Frau eine dreiwöchige Kur absolviert und der Mann zu Hause zwei Kleinkinder versorgt.

Rollentausch.                

KUNST:kosmos

In diesem Jahr gedenken wir des fünfzigsten Todestages von Albert Camus, er ist im siebenundvierzigsten Lebensjahr bei einem Autounfall gestorben. In einer Tagebucheintragung schrieb er: „In fünfundzwanzig Jahren bin ich siebenundfünfzig Jahre alt und trotzdem vergeude ich meine Zeit mit Nichtigkeiten“. Zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass sein Leben um zehn Jahre kürzer sein wird. Mit „Nichtigkeiten“  meinte er wahrscheinlich die Alltäglichkeiten des Lebens, die ihm viel von der Zeit zum Schreiben geraubt haben. Diese Feststellung werden andere schöpferische oder wissenschaftlich tätige Menschen auch machen. Sie wirft eine Reihe von Fragen auf: Wie entledigt man sich der Alltäglichkeiten, wie viel Kontakt braucht es zu den Familienmitgliedern und anderen Menschen. Geht die Fantasie verloren, wenn man sich von den Mitmenschen völlig isoliert, sind Künstler überhaupt beziehungsfähig? Besteht das Glück darin, sich in einem Kosmos von verständnisvollen Menschen zu bewegen.

Schreibzimmer.      

BE:schneidung

Im schöpferischen Bereich ist es eine Gratwanderung was von den Menschen, den Betrachtern, den Lesern noch akzeptiert wird. Wie weit geht das Verstehen und Verständnis für ein Bild, für eine Installation, für einen Text. Bei einer Installation erschließt sich für den Betrachter oft erst auf den zweiten Blick der Inhalt, die Aussage der Installation. Es gibt Bezüge zur wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation im Herkunftsland des Künstlers. Schwierig wird das Verständnis, wenn die Künstler aus anderen Erdteilen oder Megacitystädten kommen. Als Wissensgrundlage und zum Verständnis haben wir oft nur Dokumentationen und Nachrichtensendungen aus dem Fernsehen. Nachvollziehen kann ich ein Video von Mark Lewis, das auf der Biennale von Venedig im Pavillon von Kanada, gezeigt wird. Ein Arbeitsloser hat seine Schlafstelle, einen Schlafsack, über einem Kanalgitter am Straßenrand aufgeschlagen. In einer Sporttasche hat er seine übrigen Habseligkeiten. Eine Mineralwasserflasche, Joghurt und eine Dose mit Fertigkaffee stehen daneben. Der Dunst, der vom Kanalgitter aufsteigt, wärmt ihn. Ähnliches habe ich im Winter während meiner Lehrzeit in Spittal/Dr. gemacht. Ist es mir in der Mittagspause in meinen Halbschuhen zu kalt geworden, habe ich mich über ein Kanalgitter gestellt, mir die Füße und Hände gewärmt.     

Beim Schreiben ergibt sich eine andere Frage. Wie weit darf die Verwirrtheit gehen, sodass die Texte von den Lesern noch verstanden werden. Ist es eine Beschneidung der Kreativität, wenn man sich klar und verständlich ausdrückt. Im Kopf ist der Text eine brodelnde, erhitzte Masse, die an die Oberfläche drängt. Nach dem Ausbruch langsam erstarrt und dabei bizarre Formen annimmt. Die Art des schriftstellerischen Denken ist eine Gratwanderung. Für den einen verläuft der Weg mehr rechts, für den anderen mehr links. Auch Kommentare, wie die von Siegfried Paul Posch, können eine Gratwanderung sein. Das Internet eröffnet neue Mitteilungsmöglichkeiten. Für manche muss es die Mitte sein, selbst will man im Mittelpunkt stehen. Stimmt die Mitte der Zähne, ist auch die eigene Mitte gestärkt.

Der Mittelfinger.

FOTO:kunst

Im Bereich der bildenden Kunst hat es der FotokünstlerIn am schwersten Anerkennung zu finden. Es ist für sie schwieriger Beachtung zu finden, als für einen Maler oder Bildhauer. Beim Betrachten eines Fotos fällt oft der Satz: „Dieses Foto hätte ich auch machen können“. In Galerien hört man von Besuchern den Ausspruch: „Dieses Bild kann ich auch malen“. Wie ein Experiment, wenn man mit Farbe und Pinsel vor einer Leinwand gesetzt wird, ausgehen würde, ist ungewiss. Im Internet finden sich viele Fotokünstler. Eine Idee ist, dass man sich zu einem bestimmten Thema zusammenschließt, ein Wochenthema, ein Jahresthema schafft.

Erzählt man vom Schreiben oder wird auf das Schreiben angesprochen, dann bekommt man von anderen zu hören, dass sie vieles erlebt und gesehen haben, dass sie ein Buch schreiben könnten. Viele beginnen zu erzählen und beim Zuhören merkt man, dass sich die Erzählenden wiederholen, immer vom Selben erzählen. Statt ein Buch wären es fünf Seiten. Dabei sind die Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn man vor einem leeren Blatt Papier sitzt, heute vor einem leerem Word Dokument, nicht eingerechnet. Es ist gleich, ob es sich um die bildende, fotografische oder schreibende Kunst handelt, eine wichtige Voraussetzung ist das Beobachten. Ohne genaues Hinsehen kein Bild, kein Foto, kein Text.

Das leere Dokument.