inter:aktiv II

Für einen ehemaligen Internatszögling erweist sich die Diskussion über Datenschutz, seien es die persönlichen Daten zu Krankheiten und dem Medikamentenkonsum, die Datenerfassung beim Bezahlen mit einer Kreditkarte, als eine nebensächliche Diskussion. Genauso die Fragen zur Speicherung der Einkäufe beim Lebensmitteldiskonter auf dem Kundenkonto, egal ob es um Joghurt, Kaffee oder Wurstsorten geht, als Kaffeeplausch. Welchen Stellenwert haben die Fragen rund um die Erlaubnis zur Aufzeichnung von Internetkontakten, Telefonanrufen oder dem Email verkehr, wenn man in der Zeit aufgewachsen ist, wo Gott selbst die geheimsten Gedanken lesen konnte. Dieses Gefühl begleitet die Internatszöglinge noch Jahrzehnte später. Die Pessimisten befürchten, dass wir mit der Zunahme der Vernetzung und der freiwilligen Preisgabe von wesentlichen Ereignissen aus unserem Leben darauf zusteuern, dass Google bald unsere geheimsten Gedanken lesen kann. Wie ist es sonst möglich, dass mir bei jeder Gelegenheit freie Hotelzimmer in Portoroz angeboten werden?

Zumeist fühle ich mich in einem größeren Speisesaal wohler, als in einem kleinen Restaurant, wo das Buffet ständig vom Oberkellner beobachtet wird. Auch die Stimmung unter den Gästen ist in einem größeren Ambiente lockerer, als wenn in einem kleinen Saal die Tische zumeist sehr eng gestellt sind und jeder auf jeden acht gibt. Schleppe ich noch immer etwas aus meiner Internatszeit herum oder ist es einfach der Wunsch nach mehr persönlichen Freiraum?

Schwarzes Loch.

inter:aktiv I

Die Möglichkeit eine höhere Schule, in Verbindung mit einem Internat zu absolvieren, war in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ein Privileg. Zumeist konnten dies ihren Kindern nur Eltern der gehobenen Einkommensschicht  bieten. Die monatlichen Internatsgebühren schlossen die Kinder der Arbeiter- und Bauernklasse davon großteils aus. Neben dem Vorteil von einem kurzen Schulweg, wenn Schule und Internat im selben Gebäudetrakt untergebracht waren, gab es am Nachmittag bei den Hausaufgaben eine Aufsicht, bei festgelegten Studienzeiten. Der Tagesablauf in einem Internat ist zum größten Teil geregelt, es gibt feststehende  Essens-, Schlaf-, und Studierzeiten, dazwischen die Freizeitbeschäftigungen.

Zu den leiblichen Erziehungsbevollmächtigten, den Präfekten und dem Lehrpersonal kam noch eine übergeordnete Instanz, die Transzendente. Für uns Zöglinge eine ganz und gar unheimliche Instanz, weil dieser nichts verborgen bleibt. Egal ob man sich im Turmzimmer oder in einer Hütte im Wald versteckte, dem lieben Gott, wie er von den Präfekten genannt wurde, bleibt nichts verborgen. Selbst die bösen Gedanken, die man gegenüber einem Mitschüler hegte, weil er einem bei der Hausaufgabe nicht geholfen hat. Ebenso die unkeuschen Gedanken, die einem nach dem Blick auf den Busen der Tochter vom Schulwart nicht mehr losließen. Von alldem wusste Gott, Gedanken auf die sonst niemand Zugriff hatte. Die Präfekten konnten sich im Umgang mit den Zöglingen viel Ärger ersparen, es genügte der Hinweis, dass Gott alles sieht, auch wenn wir es vor dem Erzieher verheimlichten.

Drittes Auge

vor:gestern

Als der Vater ein Moped, die blaue Puch 50, kaufte bedeutet dies für uns Jugendliche einen Schritt nach vorne. Die blaue Puch durfte auch von uns Burschen benützt werden, plötzlich waren wir mobil. Das zweisitzige Moped wurde vielseitig eingesetzt, um Lebensmittel im nahen Ferndorf zu besorgen, die Eier und die Milch zur Sammelstelle zu bringen, zum Besuch der Sonntagsmesse und an Wochentagen um den weit entfernten Holzschlag zu erreichen. Im Sommer fuhren wir mit dem Moped  am Sonntagnachmittag in das Ferndorfer Strandbad nach Döbriach. Diese Fahrten gingen nicht immer ohne Blessuren an uns über die Bühne. Die erste Frage nach einem Ausrutscher mit dem Moped war, ist die Blaue nicht beschädigt und fahrtüchtig?, alles andere war nebensächlich. Die wenigen Stunden am Millstättersee reichten aus, dass wir die nächsten Tage an einem Sonnenbrand litten. Zur Fütterung und dem Melken der Kühe mussten wir abends pünktlich am Hof sein. Das schrille Nacht- und Strandleben am Millstättersee, in den wilden 60er Jahren, ging an uns ungenützt vorbei. Die Unterhaltungstempel Rossmann oder Hausboot kannten wir nur vom Hörensagen. Für uns hingen die Trauben tiefer, dies war die Diskothek Untersteggaber in Olsach und die Kirchtage in den umliegenden Dörfern.

Meine Tagehefte werden von mir nummeriert, mit einem Index versehen und in ein Verzeichnis eingetragen. Ein Teil der Notizhefte, deren Ursprung bereits Jahrzehnte zurückliegt, wird  in absehbarer Zeit an das Deutsche Literaturarchiv Marbach am Neckar verschickt. Dort finden sie eine neue Heimat, ergänzend zur online Archivierung meines Blog schlagloch.

Ein Sommer wie damals.

reise:gestern II

In einem Sommer arbeitete die Schwester im familiären Hotel Miralago in Pörtschach am Wörthersee. Direkt am Ufer gelegen mit eigenem Badestrand, Bootshaus, Bootssteg und hoteleigenen Ruderbooten.Die Schwester servierte dort morgens das Frühstück und räumte am Vormittag die Zimmer auf. Während ihrer Zimmerstunde saßen wir gemeinsam auf der Hotelterrasse, blickten auf den Wörthersee und genossen unser Eis. Eines der Wenigen während des Sommers. Als Getränk gab es für uns Kinder zumeist Almdudler. Zugleich beobachteten wir die vornehmen Leute am Strand beim Baden, bestaunten die braungebrannten Körper der feinen Damen. Vor einigen Jahren haben wir der Schwester eine Überraschung bereitet und mit ihr nochmals das Hotel Miralgo besucht. Die Außenfassade des Hotels ist unverändert, es führt dieselbe breite Treppe von der Terrasse zum Badestrand. Wie damals vor  fünfzig Jahren. Die Jugendstilvilla hat inzwischen die Besitzer gewechselt, in den Sommermonaten wird weiterhin vermietet. Aus ihrer Zeit als Stubenmädchen gibt es ein Foto mit der damaligen Belegschaft, aufgenommen auf der Stiege. Diese Fotoszene haben wir nachgestellt.

Weder die Eltern noch meine Brüder konnten schwimmen. Als einziger in der Familie lernte ich in Tanzenberg, im internatseigenen Badeteich, schwimmen. Beim selben Professor, bei dem ich während eines Skikurses auf der Flattnitz Schifahren lernte. Nichts desto trotz gingen wir an besonders heißen Samstagnachmittagen mit dem Vater zu Fuß über den Berg, vorbei an Nußdorf und Kleinegg, zum Millstätersee in die Laggerbucht zum Baden. Zuvor wurde die Heuarbeit auf den steilen Wiesen in Politzen erledigt. Im Gebäck unsere schwarzen Klothhosen, die sowohl beim Turnen, beim Fußballspielen und beim Baden getragen wurden. Das Planschen im Millstättersee,  nach einem verschwitzten Arbeitstag in der Landwirtschaft, ersetzte zugleich das Baden in der Badewanne. Ansonsten wurde im Hof eine große Blechwanne mit lauwarmem Wasser gefüllt, dort konnten wir uns den Schmutz und den Staub vom Leibe waschen. Ein Bad oder Dusche im heutigen Sinne gab es zur Jugendzeit auf dem Bauernhof nicht.

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Die Astrophysikerin Kaltenegger verkündete in einem Interview, dass die Temperaturen auf der Erde stetig steigen und es in soundso viel Milliarden Jahren unerträglich heiß sein wird? Dadurch wird menschliches Leben, wie wir es heute kennen, unmöglich sein. Können wir in unserer jetzigen Situation dagegen Vorkehrungen treffen? Welche Konsequenzen hat diese Information ganz persönlich für mich, soll ich mir Sorgen machen um Generationen die in soundso vielen Millionen Jahren leben werden? Wie wird man in Millionen Jahren Leben definieren, gibt es dann überhaupt noch menschliche Lebewesen wie du und ich? Was wird man in ein paar Millionen Jahren unter einem Menschen verstehen: Dieselbe bewegliche Masse wie wir es kennen oder ist es eine Art Fleischklumpen, wie ein Stumpen vom Regenwurm mit Gehirnzellen?Eine Existenz die ohne Nahrung auskommt, die Sonnenstrahlen in Lebensenergie umwandelt. Wogegen das heutige Solarzeitalter wie die Steinzeit erscheint. Dazu bewegen wir uns mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit durch das Universum, ohne das es einer Infrastruktur, wie der Raumfahrt bedarf. Keine stationären Wohnungen, Arbeitsplätze, Schulen, Eisenbahnen, Landwirtschaft, Supermärkte und vieles mehr.

Worin werden wir in ferner Zukunft unseren Daseinssinn sehen, wenn unsere heutigen Strukturen nicht mehr aufrechterhalten werden müssen? Wie funktioniert unsere Gemeinschaft und zu welchem Zweck, wenn wir transzendent und transmobil im ganzen uns bekannten Universum unterwegs sein können? Kann man die Entwicklung, dass die Sonne explodieren und letztendlich verglühen wird, als Gottesplan  annehmen? Eine Entwicklung, die in Folge uns und unseren blauen Planet verglühen lässt. Schon Millionen Jahre vorher wird sich der Mensch als biblische Gestalt völlig verändert haben, trifft dann die Botschaft der Bibel noch zu. Vielleicht ein Leben ohne geschlechtlicher Liebe, automatisierter Fortpflanzung und ohne Geschichtsbewusstsein. Was passiert mit den Tieren, hinken sie unseren biologischen Veränderungen hinterher oder ziehen sie nach? Welchen intellektuellen Zustand erreichen sie?

Unsere Vorstellungen von unserer Lebensart reichen gerade einmal dreißig oder maximal fünfzig Jahre in die Zukunft. Dabei gehen wir von unserem jetzigen Aussehen und geistigem Entwicklungsstand aus. Kaum jemand forscht über das Leben nach dem Homosapiens. Wie lange wird es uns wohl noch geben? Auf was wird der Homosapiens in der null Generation Bezug nehmen?

Sinneswandel.