kondolenzbuch ll

Es ist ein freudloses Begräbnis gewesen.

Auf einem freudlosen Begräbnis sei er gewesen, wie sich der Bekannte bei einem Cappuccino ausdrückte. In früheren Jahrzehnten war ein Begräbnis ein gesellschaftliches Ereignis. Die Kränze, Gestecke und Kerzen rund um den Sarg des Toten strahlten Würde aus, zeugten auch von Hilflosigkeit gegenüber dem Tod. Keine Verabschiedung ohne die Trostworte des Pfarrers an die Hinterbliebenen und der Verweis auf ein paar Highlights im Leben des Verstorbenen. Manchen Anwesenden fiel dazu im Stillen noch etwas ein. Wer Vereinsmitglied bei einem Gesangsverein war oder gegen Bezahlung, für den gab es zu Herzen gehende Abschiedslieder mit Kärntner Schwermut. War jemand in einer öffentlichen Körperschaft tätig, so gab es einen Nachruf von höherer Stelle. Im Gastzimmer des Kirchenwirt in St. Paul lösten sich, beim Leichenschmaus, die betroffenen Gesichter der Trauergäste. Dort  munkelten die Hinterbliebenen darüber, wer noch ein außereheliches Kind des Verstorbenen sein könnte. Ob es wirklich stimmt, dass er beim Kauf vom Traktor einen Teil des Kaufpreises abgestritten hat?  Manche Ungewissheit lässt sich auch bei einer Portion Gulasch, einer Semmel und einem Bier nicht klären. Ein paar Geheimnisse nimmt der Verstorbene mit in das Jenseits. Mancher Vorwurf und Beleidigung gegen den Toten, welche unter den Trauergästen grassiert, werden mit dem dritten Krügel Bier zu Grabe getragen.

kondolenzbuch

Dem Toten nicht zu nahe kommen.

Bei einem Begräbnis, der letzten Zuwendung die der Mensch erfährt, haben die online Dienste zugenommen. Todesnachrichten werden per Email verschickt und per WhatsApp getrauert. Im Internet kann man im digitalen Kondolenzbuch eine Kerze für den Verstorbenen anzünden, ein paar Trostworte schreiben und ein Smiley mit ein oder zwei Tränen hinzufügen. Die Aufbahrungshallen werden gemieden, dem Toten will man nicht zu nahe kommen. Lieber den Daumen digital nach oben, ein andermal nach unten drehen. Bei einem Cappuccino erzählte mir ein Bekannter von einem freudlosen Begräbnis. Die Teilnahme an einem Begräbnis hat mit Freude wenig bis nichts am Hut, freudlos, was könnte da gewesen sein? Fehlte es den anderen Trauernden an Herzlichkeit? Die Urne mit der Asche des Verstorbenen, befand sich in einer Abstellkammer der Aufbahrungshalle auf einen Tisch. Keine brennenden Kerzen und kein Blumenschmuck. Es hat Jahrzehnte gegeben, da wurde im Krankenhaus ein Schwerkranker, ein Sterbender in einen Abstellraum oder in einen Geräteraum abgeschoben. Die Urne hat der Zeremonienmeister einem Familienangehörigen in die Hand gegeben, er eilte der Trauergesellschaft vorneweg auf den Friedhof. Die Asche wurde in eine kleine Grube geleert, es fehlte jeder Blumenschmuck.

Keine Trost- oder Abschiedsworte von nahen Angehörigen oder Freunden. Die Anwesenden wurden vom Bestatter aufgefordert ein gemeinsames Vaterunser zu beten. Dann verflüchtigte, um nicht zu sagen ergriff der Zeremonienmeister die Flucht.

damoklesschwert

Mit dem Tod ausgesöhnt.

Beim Älterwerden führt kein Weg daran vorbei, dass ich mich mit dem Sterben und dem Tod beschäftige. Ungewollt, denn in meiner Bibliothek befinden sich einige Bücher welche Anleitungen und Erkenntnisse zum glücklichen Altern anbieten: Ernst Pöppel, Je älter desto besser; Michael Lehofer, Alter ist eine Illusion oder Johannes Huber, Länger leben, später altern.  Aber schließt gesund und glücklich zu altern die Fragen nach dem Sterben und dem Tod aus? Die Beschäftigung mit dem Tod wird heute immer weiter nach hinten verschoben. Wir sprechen heute von verschiedenen Stufen des Alterns: Junge Alte 60 – 74; Betagte Alte 75 – 84; Hochbetagte 84 – 89 und als letzte Stufe des Alterns, Höchstbetagte 90 – 99.  Dies war vor einem halben Jahrhundert anders, damals galt man ab sechzig Jahre als alt und mit siebzig Jahren konnte man sich auf das Altenteil setzen. Die Beschäftigung mit dem Tod ermöglicht erst ein glückliches und sinnerfülltes Altern. Bin ich über das Damoklesschwert des Sterbens, welches über jeden Menschen schwebt nicht im Reinen, dann kann ich in dieser Welt nicht glücklich werden. Wie kann ich ein Stück Brot mit Butter und Honig genießen, wenn mir der Gedanke an den Tod alles vermiest. Habe ich mich mit dem Tod ausgesöhnt, dann kann ich das Honigbrot genießen, den Honig auf der Zunge zergehen lassen.

Bei einem Begräbnis habe ich den Moment verabscheut, wenn nach dem letzten Gebet, wie auf ein Kommando am Kasernenhof, sich eine Seitentür der Totenhalle geöffnet hat und vier, in schwarze Arbeitsmäntel gekleidete Männer eingetreten sind und den Sarg aus der Aufbahrungshalle getragen haben. Vögeln gleich, welche sich aus vier Himmelrichtungen auf die Beute stürzen und die Beute mit ihren Krallen fortschleppen. Der Friedhof in Arnoldstein ist von Baumgruppen und Blumeninseln durchwachsen, um dem Tod etwas vom Schrecken zu nehmen. Ein Parkfriedhof, welcher uns an zärtliche und verliebte Stunden erinnern soll.

europa

Die Natur ist Ausgangsbasis für unsere Ernährung.

Wie soll das Argument einer Elite verstanden werden, dass diese und jene Partei kein Recht zum Regieren hat, obwohl sie von vielen Millionen Wähler gewählt wurde? Haben sich diese Menschen bei der Stimmabgabe geirrt?  Menschen stimmen aus ihrer persönlichen Erfahrung für diese und jene Partei. Wer hat dabei immer nur das Gute und Staatstragende im Sinn? Ist es legitim, dass sich die Elite nach Selbsteinschätzung bemüht, aus dem Rest der Bevölkerung bessere Menschen zu machen.  Diese Absicht kann auch in das Gegenteil umkippen. Was ist mit dem besseren Menschsein gemeint? In der Grünbewegung gibt es das Phänomen der Gewissensentscheidung.  Es ist legitim, dass demokratische Gesetzte gebrochen werden. Das „grüne Gewissen“ Gesetze übertritt, wenn es um das Gemeinwohl der Pflanzen und Tiere geht. Die Natur ist die Ausgangsbasis für unsere Ernährung, wir haben dies kommerzialisiert, wie wir unser ganzes Leben kommerzialisiert haben.  Der Kauf von fair trade oder Öko Produkte ist oft eine Frage der Finanzen, wer kann sich die Produkte leisten? Zuerst einmal ergehen sich die Parteien in Versprechungen, dass durch sie dies und jenes in Angriff genommen wird. Manche Funktionäre wagen sich weit aus dem Fenster sie versprechen, in der kommenden Regierungsperiode werden sie dafür sorgen, dass alles besser wird. Einige Male bleibt es bei den Versprechen, diese sind eine Vorgabe für die nächste Regierung. Wie im Fußballspiel, ein Mittelfeldspieler gibt einem Stürmer eine Steilvorlage und erwartet, dass dieser den Ball in ein Tor umwandelt. Kann der Stürmer die Steilvorlage nicht verwerten, dann bleibt bei diesem der Nimbus des Versagers.

Die politischen Verhältnisse in Europa sind nicht vergleichbar mit denen in Indien, der USA oder China. Obwohl es auch bei uns gesamteuropäische Wahlen für das Europaparlament gibt. Die Europäische Union leidet daran, dass sie aus durch Jahrhunderte geprägte Nationalstaaten besteht. Wir sind kein bunter Haufen von Einwanderern wie in den USA, ein Volk wie die Inder oder die Chinesen. Wir haben eine Tradition von eigenständigen Staaten, welche es in dieser Beständigkeit sonst nirgends gibt. Ein Außenminister der USA hat es so ausgedrückt: Haben wir ein Problem mit Indien oder China, dann melde ich mich bei deren Präsidenten, bei Europa melden sich mehrere Nationalpräsidenten.

dreisekunden

Drei Hundertstelsekunden entscheiden über einen Stockerlplatz.

Bei einem Topthema sortiere ich danach, was wurde zuletzt veröffentlicht. Dabei kommen mir Beiträge, welche einen Tag zurückliegen, als antiquiert vor. Zumeist lese ich die Beiträge, welche ein paar Stunden, besser ein paar Minuten zurückliegen. Zuerst lese ich die brandaktuelle Nachricht. Brandgefährlich geht es bei den Fahrgästen beim Verlassen des Bahnsteiges und des Bahnhofsgebäude zu. Die Schnellsten von ihnen stürmen die Stiege zum Ausgang hoch und nehmen einige Stufen gleichzeitig. Hier gilt die Rechtsregel wie im Straßenverkehr, die Langsamen werden von den Schnellen links überholt. In gewissen Sinnen funktioniert dies auch bei der Rolltreppe, die Menschen stehen auf der rechten Seite der Stufen und die linke Seite bleibt für die Überholer frei. Beim Einreihen zur Rolltreppe räumte mir eine Frau den Vortritt ein, es handelte sich um einen Vorsprung von etwa drei Sekunden. Bedeutungslos für meinen heutigen Tag, der mich in die Hautambulanz des Krankenhauses Klagenfurt führt. Denke ich dabei an die Skiweltmeisterschaft in Saalbach, dann entscheiden nicht drei Sekunden, sondern drei Hundertstelsekunden über einen Stockerlplatz oder es wird der vierte Platz. So grenzwertig wie im Skisport, mit den Differenzen von Zehntel- und Hundertstelsekunden geht es im Alltagsleben nicht zu.

Für unseren Alltag steht noch eine gravierende Beschleunigung bevor, wenn vieles mit Unterstützung der künstlichen Intelligenz gesteuert und getackt wird. Mit meinem Alter, siebzig plus, gehöre ich zur letzten Generation, welche nicht von der KI gesteuert und im Alltag ohne KI zurechtkommt. Beim Verlassen der Rolltreppe oder der Stiege fixieren die Augen der Pendler und Schüler die Anzeigetafeln mit den Verbindungen zum Anschluss an den Stadtverkehr. Es sieht gerade so aus, als ob am Bahnhofsvorplatz die drei Sekunden zur entscheidenden Metapher werden, um den Bus mit laufendem Motor zu erreichen. Ich husche hinein und die Tür schließt sich hinter mir. Werde ich diesen Zeitgewinn in der Dermatologie verwenden können? Beim Betreten der Dermatologie ist Entschleunigung gefragt, es warten ungezählt bestimmt über zwölf Patienten vor der Aufnahme für einen Behandlungstermin. In Anlehnung an einen Sager vom Skisport, dabei sein ist alles. Der Wunsch, die Ambulanz vor zwölf Uhr verlassen zu können, ist alles.