glogg.nitz I

Wer sich dagegen sträubt mit der Eisenbahnbahn längere Strecken zurückzulegen, hier erzähle ich von einer Fahrt von Villach nach Wiener Neustadt. Wäre ich mit dem eigenen Auto zum Stift Vorau angereist, hätte ich diese Unterhaltung nicht erlebt. Wobei Bahn fahren auch für kurze Strecken eine unterhaltsame Alternative zum Berufsverkehr ist. Die Eisenbahn hat seit meiner Buchhandelslehre riesige Fortschritte und Verbesserungen erfahren. Die Waggons waren in den sechziger Jahren noch nicht nahtlos miteinander verbunden, man ist im Freien über eine Plattform in den nächsten Waggon gegangen. Beim Übergang konnte man auf die Anhängekupplung und die Puffer, sowie auf die dahin rasenden Eisenbahnschwellen  schauen. Die Übergänge waren durch einen einfachen Metallrahmen, den jeder jederzeit öffnen konnte, gesichert. Im Nahverkehr hatten die Waggons einfache Holzbänke und bei Bedarf  konnte man die Waggonfenster öffnen. Verboten war es Flaschen oder sonstige Gegenstände beim Fenster hinauszuwerfen. Zum Schließen der Fenster hat man an einem Ledergurt gezerrt. Es gab Raucher- und Nichtraucherwaggons. Sobald unsere Clique gesessen ist, haben wir ein Büschel Spielkarten aus dem Seesack gezogen und bis zum Aussteigen in Ferndorf Karten gespielt. Im Zug war es um vieles bequemer und vor allem gab es die bessere Luft als in den Postautobussen. Diese waren zu den Stoßzeiten  restlos überfüllt und die Luft sehr stickig.

Während ich es mir auf meinem Sitz im Eurocityzug bequem mache verlassen wir den Bahnhof Villach. Mit meinen Gedanken bin ich bei der Vorauslektüre für das literarische Wochenende im Stift Vorau. Ich bin schon gespannt, was die übrigen Seminarteilnehmer über das Buch, Das große Heft von Agota Kristof, zu berichten haben. Welche Gefühle und Empfindungen sie bei der Lektüre bewegt haben. Am Zugfenster rauscht der Wörthersee vorbei, drei Sitzplätze vor mir hat sich ein älterer Herr von seinem Platz erhoben. Er steuert auf die nächste Mitreisende zu und fragt sie, wann wir endlich in Gloggnitz ankämen. In der Hand hat er einen Fahrplanausdruck, den ihn der Fahrdienstleiter in Gloggnitz vor seinem Kurantritt in Bad Gastein mitgegeben hat. „Er könne nicht verstehen, warum wir jetzt am Wörthersee vorbeifahren, wo Gloggnitz gleich hinter dem Semmering liegt. Er müsse, da der EC- Zug nicht in Gloggnitz hält bis nach Wiener Neustadt fahren und dann mit einem Regionalzug wieder zurück nach Gloggnitz. Warum er jetzt durch Kärnten fährt, könne es sich nicht erklären, dies sei ja die total falsche Richtung. Er will dem Fahrdienstleiter von Gloggnitz nichts Böses unterstellen, aber dies sei ja eine Weltreise bis er von Bad Gastein nach Gloggnitz kommt“. Nach dem ihm die Nachbarin zusagt, sie werde ihm Bescheid geben, sobald  der Semmering und danach  Wiener Neustadt kommt setzt er sich beruhigt auf seinen Platz. Seinen großen Koffer, für den dreiwöchigen Kuraufenthalt, hält er mit einer Hand fest….

Fortsetzung folgt….

fata:morgana

An einem warmen Nachmittag, Anfangs September, sitze ich in der Loggia und vertiefe mich in die Wochenendausgabe der  Presse. Die ersten Seiten mit den Berichten über die Kriegsschauplätze im Nahen Osten und in der Ukraine, die neuerliche Diskussion über die Steuerreform und wie viel Milliarden braucht das Bundesheer, habe ich nur überflogen. Ich vertiefe mich in die Beiträge der Beilage Spectrum, da unterbricht die Feuerwehrsirene meine Gedanken, sie macht einen Schnitt in das Gehirn, wie ich es vom Sezieren kenne. Aus den Reagenzgläsern wird die gefaltete schwabbelige Masse herausgenommen und in Scheiben geschnitten. Die heutigen und gestrigen Akademiker schneiden mit derselben Absicht die Gehirnmasse in Stücke und sind verblüfft, wenn sie die Schnittfläche betrachten. Werden aus dieser Schnittfläche die Gedanken auf den Tisch tropfen, oder sieht man in einen menschlichen Abgrund? Die Teile werden gewendet unter das Mikroskop gelegt und ähneln dem Verhalten der Katze Undine. Bei der Fernsehsendung Universum,  über das Tierleben in den Wäldern Polens, hat sie gebannt auf den Bildschirm geblickt. Jedes Mal, wenn eine Wildkatze oder ein Fuchs aus dem  Bild verschwindet, blickt sie rechts oder links hinter den Fernseher. Irgendwo hinter dem Fernsehgerät, müsste die Wildkatze oder der Fuchs wieder auftauchen. So ähnlich blicken die Wissenschaftler auf die Hirnhälften, irgendwo müssten die Gedanken, das Bewusstsein zu sehen sein.

Ein paar Minuten vergehen und von der Bundesstraße ertönen die Signalhörner des Feuerwehrautos, gefolgt vom Notarzt- und dem Rettungswagen. Die Sirenen rasen in Richtung Autobahn. Auf der Alpen Adria Autobahn gehören die ersten Septembertage zu den starken Reisezeiten. Scharenweise fahren Familien mit schulpflichtigen Kindern aus dem Mittelmeerraum zurück in den Norden, für die Kinder steht der Schulbeginn unmittelbar bevor. In die andere Richtung fahren Späturlauber, welche die jetzt etwas ruhigeren Strände an der oberen Adria genießen. Noch einmal rast ein Rettungswagen durch das Kurgebiet. Ich befürchte einen Megaunfall auf der Autobahn, möglicherweise in einem Tunnel, wo es immer wieder zu Auffahrunfällen kommt. Viele sind zu schnell unterwegs oder auch von der langen, eintönigen Fahrt auf der Autobahn übermüdet. Inzwischen habe ich die Arme gesenkt und die Wochenendausgabe der Presse liegt auf den Oberschenkeln. Die üblichen Straßengeräusche setzen ein, ein leises Rauschen vom fließenden Verkehr. Nur die Geräusche der Motorrader sind als solche einzeln zu erkennen. Ich hebe meine Arme und nehme die Lektüre wieder auf, vertiefe mich in die Buchbesprechung von Alexandra Millner, Aus dem Kopf klopfen.  Der neue Roman von Josef Winkler.

Am nächsten und am übernächsten Tag studiere ich die lokalen Meldungen in der Zeitung genau, es gibt keinen Bericht, der einen Zusammenhang zu den Rettungsfahrten herstellt. Möglicherweise bin ich einer spätsommerlichen Fata Morgana aufgesessen.

Aus dem Kopf klopfen.

wohn:turm ll

In Villach gibt es bescheidene Wohnsilos, im Judendorfer Feld stehen mehrere zehngeschossige Hochhäuser, Wohnblöcke mit bis zu vierzig Parteien. Menschen, die aus Großstädten hierher kommen sagen, dies hat den Charakter eines kleinen Dorfes. Dazwischen finden sich kleinere Wohnanlagen, mit einer Eingangshalle, wie wir sie von Familienhotels kennen. Sie sind, passend zur Jahreszeit, dekoriert. Mit Weihnachtskugeln und Krippe, mit Girlanden und Faschingsmasken oder ein Strauß mit Sonnenblumen und Getreidehalmen. Dazu gibt es am Tisch Leckerli, die von den Hausfrauen zur Verfügung gestellt werden. Auf dem Weg zum Briefkasten können sich die Männer an den Süßigkeiten bedienen. Über einen längeren Zeitraum werden diese immer aufgefüllt.

Bei  den Mahlzeiten verhält es sich immer wieder so, dass die Männer das normale Menü und die Frauen das Seniorenmenü wählen. Die Frauen bestellen bei einer Hauptspeise, sei es ein Schweinebraten oder eine Pizza,  zumeist eine kleine Portion und die Männer normal.  Dies ist wohl noch ein genetisch geprägtes Verhalten, wo die Männer körperlich schwer arbeiten mussten und eine größere Essensration brauchten. Dies trifft nur mehr in wenigen Fällen zu. Zumeist behalten die Männer ihre Essgewohnheiten auch in der Pension bei und der Leibesumfang nimmt schnell zu. Bei den süßen Verführungen, welche die Frauen den Männern bereitstellen sollten sie zugreifen, anderseits aber abnehmen. Ein Teufelskreis, wie im Paradies bei Adam und Eva.

Sündenfall.

wohn:turm l

Im Alltag einer Hausgemeinschaft gibt es immer Überraschungen, vor allem in den größeren Wohnanlagen, den sogenannten Wohnblocks. Die überdimensionierten Wohnsiedlungen kenne ich nur aus dem Fernsehen oder von einer Fahrt durch die Vorstädte von Wien und von Berlin, wo es riesige Wohntürme gibt. In diesen Hauptstädten strahlen die Wohnsiedlungen eine ordentliche Bauweise und gepflegte Instandhaltung aus. Anderes denke ich mir, beim Anblick der Wohnblöcke, nähere  ich mich der Stadt Laibach. Die Fassaden sind unansehnlich, die  Balkone verströmen den Eindruck als könnten sie jederzeit abbrechen. Die Siedlung ist in der kommunistischen Ära Jugoslawien gebaut worden und hat keine Sanierung erfahren. Als blockfreier Staat hatte Exjugoslawien einen eigenen Charakter unter den Ostblockstaaten. Den Besuchern, den Urlaubern, den Fremden ist man mit großem Misstrauen begegnet. Das Gesicht der Autofahrer ist bei der Zoll- und Passkontrolle in der Dämmerung von Neonröhren angeleuchtet worden. Die Zöllner haben die Pässe eingehend kontrolliert und seitdem es Computer gibt, diese zur Suche in der Fahndungsliste  benützt. Ohne Angabe von Gründen wurden das Gebäck, die Handtaschen und das Auto kontrolliert. Nach einer solchen Kontrolle, beim Grenzübertritt Görz, von Italien nach Jugoslawien, habe ich in der Stadt umgedreht. Von Neugörz bin ich zurück nach Italien gefahren und habe dort eine Urlaubswoche verbracht.

Personenkontrolle.

am:meer ll

Prekär ist der Besuch in den Restaurant, die zwischen der alten Stadtmauer und dem Strand in Umag angesiedelt sind. In den Konoba, Trattoria finden sich in der Vorsaison um die Mittagszeit kaum Gäste. Ich sehe pro Restaurant mit großer Terrasse vier bis sechs Leute die ein Gericht essen. Dabei  spazieren zumeist drei Ober zwischen Terrasse und Lokal hin und her und bestimmt sind sie zu zweit in der Küche. Wir gelangen am Ufer von einer Terrasse in die Nächste und auf jeder Terrasse wird man eingeladen sich  hinzusetzen und die Speisekarte zu lesen. Für jemanden, der mit Gästen im Fremdenverkehr zu tun hatte, ein bedrückendes Bild. In der Hauptsaison werden die Restaurants mehr Zuspruch haben, aber die Anzahl der Lokale bieten ein vieles mehr an Sitzplätzen, was an Gästen möglich ist. Dazu kommen noch die Gaststätten in der zweiten Reihe, in der Fußgeher Zone. Es ist unmöglich überall einzukehren, man bekommt Herzweh und man leidet mit jedem einzelnen mit.  Als pensionierter Papierkrämer weiß man, wie einem Selbständigen zumute ist, wenn die Kundschaft vorbeigeht oder ausbleibt.

Besser sind die Umstände für die Mitarbeiter in den großen Hotels, für sie gibt es regelmäßig den Lohn, vorausgesetzt das Hotel ist gut gebucht.

Strandpromenade.