schuld:schulden II

Bei diesem schwierigen Umgang mit Entgleisungen ist es zum Impulsvortrag „Schuld und Schulden“ nur ein kleiner Schritt. Peter Heintel, Philosophieprofessor, steuerte dazu am Ende des Gottesdienstes seine Gedanken bei. Er fühle sich, wie er mit einem Schmunzeln anmerkte, gut aufgehoben, da er in die Fürbitten eingeschlossen wurde. Mit einer wissenschaftlichen Untersuchung über die Wirkung von Medikamenten beginnen seine Ausführungen. Warum wirken Medikamente bei dem einen Patienten besser, beim Anderen schlechter? Eine der Faktoren ist, dass Medikamente bei Menschen, die sich an der Krankheit mitschuldig fühlen, schlechter wirken. Die Mediziner schwingen gerne die Schuldkeule: „Hätten sie dies und jenes unterlassen, hätten sie dies und jenes getan“ und so fort. Im Schuldbekenntnis bitten die Kirchenbesucher um Vergebung, „dass sie Gutes unterlassen und Böses getan haben“. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen gibt es die Möglichkeit durch Opfergaben und Reue Gott milde zu stimmen. In der Vertreibung aus dem Paradies, dem Sündenfall, sieht Professor Heintel einen Sieg des Teufels. Der Satan hat Adam und Eva versprochen,  wenn ihr von diesem Baum der Erkenntnis esst, „werdet ihr sein wie Gott“. Die Menschen sind damit sehend geworden, sie können zwischen Gut und Böse unterscheiden und wählen. Wir haben das Gewissen als letzte Instanz, dieses hätte es ohne den Sündenfall nicht gegeben. Eine Anmerkung von mir, was wäre mit Gott als moralische Instanz, wenn wir noch im Paradies wären?

Im Alltagsleben haben wir oft ein Schulgefühl gegenüber den Eltern. Die Verpflichtung sie einmal im Alter und bei Krankheit zu pflegen und zu versorgen. Das Erzeugen von Schuldgefühlen birgt die Gefahr der Manipulation, eines Einzelnen oder einer Gruppe, in sich. Damit agieren und regieren immer noch politische Parteien, in dem sie Bittstellern einen Job, eine freies Geschäftslokal oder eine Wohnung vermitteln. Dafür erwarten sie von ihm, dass er ihre Partei wählt. Im Kreditwesen sieht der Vortragende einen Vorausgriff auf die Zukunft. Kreditwesen galt im Mittelalter als eine Sache des Satans.

Reichtum ist im aktiven Leben kein Hindernis und wird von den Wenigsten hinterfragt. Damit lässt es sich flott leben. Eine Bürde wird es im fortgeschrittenen Alter, wenn man für das Leben im Jenseits Vorsorge treffen will. Dann verschenken manche einen Teil ihres Vermögens für karitative Zwecke und nehmen so einen Kredit für das ewige Leben auf. Fürsten und Könige haben dazumal eine Kirche oder ein Kloster gestiftet und sich damit in den Himmel eingekauft. Unsere Gesellschaft hat das schuldlos schuldig erfunden und damit dem Schicksal die Schuld übertragen.

Schuldturm

vogel:flieg II

In der heutigen Berufswelt liegt die Aufmerksamkeit und Konzentration nicht bei der Arbeit selbst, sondern bei den Meldungen die über das Handy hereinkommen. Bei einem Drittel der Verkehrsunfälle ist heute die Benützung des Handy oder des Navigationsgerätes während der Fahrt mitschuldig. Es ist nicht verwunderlich, dass die Zukunftsstrategen dafür plädieren, die Steuerung des Autos gleich einem Computerprogramm zu überlassen. Der Mensch wäre nur mehr Beifahrer und könnte sich auch hier seiner liebsten Beschäftigung, dem Amüsement hingeben. Im jetzigen Alltag stellt die Führerscheinprüfung eine Auslese dar. Damit wird auch das Verkehrsaufkommen ein wenig gedrosselt. Wie wird es mit dem Straßenverkehr weitergehen wenn jeder, ohne einen Führerschein zu besitzen, mit einem selbstfahrenden Auto unterwegs sein kann?

Ob das computergesteuerte Gefährt weiter die Bezeichnung Auto tragen wird, ist noch offen. Eventuell schreitet die Optimierung des Menschen weiter fort und er selbst wird zu einem selbstfahrendem Gefährt. Der Ruf nach menschlicher Optimierung wird bestimmt zunehmen. Wir wissen, schon Leonardo da Vinci hat Fluggeräte konstruiert, um dem Menschen das Fliegen mit eigener Muskelkraft zu ermöglichen.

Die Vorstellung mit eigener Muskelkraft zu fliegen, hat seit Leonardo da Vinci nichts an Faszination verloren. So versuchte der Schneider von Ulm noch Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, den in Ulm zu Besuch weilendem Kaiser, davon zu überzeugen. Seine Vorführung mit einem Gleitschirm  ist wegen des ungünstigen Absprungortes kläglich gescheitert. Der Schneider fiel in die vorbeifließende Donau.

Eisschollen

vogel:flieg I

Vor drei Jahrzehnten hat Neil Postman seinen Bestseller „Wir amüsieren uns zu Tode“ veröffentlicht. Er befasste sich mit den möglichen Folgen, welche der stundenlange Fernsehkonsum für die geistige Entwicklung des Menschen haben könnte. In dem Buch setzte er sich mit der Gefahr auseinander, dass alles zur Show wird, ohne Inhalte: „Unsere Priester und Präsidenten, unsere Chirurgen und Anwälte, unsere Pädagogen und Nachrichtensprecher brauchen sich nicht sonderlich zu mühen, um den Anforderungen ihrer Fachgebiete zu genügen, sie müssen vor allem den Anforderungen gewachsen sein, die an eine gute Show gestellt wird.“ (N. Postmann)

Heute haben seine Aussagen noch mehr Gültigkeit, da es für die Amüsiertheit durch die permanente Verfügbarkeit von Filmen und Videos im Internet keine zeitliche Beschränkung gibt. Von 0 bis 24 Uhr. Zu Neils Postmann Zeiten war es üblich, dass Kinder und Jugendliche im häufigsten Fall, täglich ein bis zwei Stunden vor dem Fernseher saßen. In den meisten Familien beschränkte sich die Erlaubnis für die Kinder zum Fernsehschauen auf den Samstag- und Sonntagnachmittag. In Österreich gab es in den 70er Jahren noch viele Haushalte, welche keinen Fernseher hatten. Die Erwachsenen gönnten sich ein- bis zweimal die Woche einen Fernsehabend und dabei vor allem zum Wochenende. Es dauerte nicht lange und das Fernsehkastl wurde als Familienmitglied adoptiert.

Heiteres Beruferaten

drohne:flieg

Als Kind stand ich immer staunend vor einem Kellerfenster in Nußdorf. Das Fenster gewährte einen Blick in die Werkstatt eines Bastlers, die Nachbarn sagten eines Fliegerdamischen. Er hatte mehrmals den Versuch unternommen mit selbstkonstruierten Flugschwingen von Nußdorf  nach Olsach zu gleiten. Alle Flugversuche endeten zumeist sehr hart auf dem Wiesenboden. Für uns Kinder war sein Hobbyraum ein lohnendes Ausflugsziel, weil er uns verschiedenes mechanisches Spielzeug und bewegliche Figuren vorführte.

Ein neues Fluggerät beflügelt heute die Fantasie der Menschen, es sind dies die sogenannten Drohnen. Sobald sie preislich erschwinglich sein wird, wird sie sich so schnell verbreiten wie das Handy. Es ist anzunehmen, dass in manchen Familien ein Drohnenbausatz unter dem heurigen Weihnachtsbaum liegen wird. Die Drohne wird zum liebsten Spielzeug der technikverliebten Menschen werden und wohl bei nützlichen und unsinnigen Aktionen eingesetzt. Wie etwa einem Freund vier Häuserblock weiter mit Hilfe der Drohne eine Bohrmaschine zurückzugeben oder der Freundin im Nachbarort ein Stück vom selbst gebackenen Christstollen zum Kaffee zu servieren. Es wird um unsere Köpfe so summen, als würden wir von einem wild gewordenen Bienenschwarm verfolgt.

Vor kurzem hat die Kleine Zeitung berichtet, in Velden sei eine Frau um Haaresbreite ein Unfallopfer einer fehlgesteuerten Drohne geworden. Sie ist außer Kontrolle geraten und hätte besagte Frau beim Wäscheaufhängen fast am Kopf getroffen. Das Optimale wird sein, wenn jeder der es möchte zu einer fliegenden Drohne wird. Ist es Zufall, dass Red Bull mit dem Werbeslogan, Red bull verleiht Flügel, einen Umsatzrekord erreicht? Schlummert im Menschen immer noch die Sehnsucht zu fliegen wie ein Vogel?

Höhentauglichkeit

gehen:laufen

Dasselbe Wort kann in einem Satz eine unterschiedliche Bedeutung haben, nach Sinnhaftigkeit verschieden angewendet werden. Unsere Ausdrucksweise ist im Umgang mit Bekannten anders, als wenn wir im Berufsleben Kontakt mit den Vorgesetzten oder mit Kunden haben. Bei den engsten Freunden genügt die Unterhaltung in der Mundart, wobei sich diese auf die Menschen aus demselben Bundesland beschränkt. Zwischen Kärntner und Vorarlberger kann es bei einer Unterhaltung im Dialekt schon zu inhaltlichen Missverständnissen kommen. So entsteht bei dem einen oder anderen Satz eine Gedankenlücke. Mit der Umgangssprache sollte es zwischen Österreichern keine Probleme geben. Unterhält man sich mit Urlaubern, dann versucht man in der Schriftsprache zu sprechen, wie man sie auf einer Behörde oder bei einer Prüfung anwendet. Eigenartig verdreht klingen meistens die Sätze, spricht man mit Zuwanderern oder Migranten, dann verfällt man auch selbst in einen Zuwanderer Slang. Wir drücken uns bei der Unterhaltung mit verschiedenen sozialen Schichten jeweils anders aus, auch bei den Inhalten.

In Kärnten ist es gebräuchlich, dass man sagt: Man geht in den Supermarkt einkaufen. Ist die Zeit knapp, dann würde man sagen: Man geht einmal schnell in den Supermarkt etwas holen. Die Steigerung von gehen ist, dass man ein schnell vorsetzt. Dafür gäbe es noch viele Beispiele. Laufen hat in Kärnten eine ganz andere Bedeutung, dies bringt man meistens mit dem Sport in Verbindung. Der große LaufEvent heißt, Ganz Kärnten Läuft. Die Sportlichen laufen eine Runde im Park oder den See entlang. Nur bei Notfällen wird man das Wort laufen verwenden: Lauf schnell einen Arzt holen oder lauf schnell zu der Feuerwehr. Die Aufforderung zum Laufen in Notfällen wird heute durch das immer verfügbare Handy ersetzt. Dabei ist es notwendig, schnell, im Sinne von geschickt, das Handy zu bedienen.

Ein zu Besuch weilendes fünfzehnjähriges Mädchen aus Vorarlberg sagte: Sie läuft geschwind in den Supermarkt einen Laib Brot kaufen. Oder sie sagt: Sie läuft geschwind zum Nachbarn Äpfel holen. Auf meinen Einwand, sie hat genug Zeit um einen Laib Brot zu kaufen, erwidert sie: Sie wird nicht laufen, wie das  Wort vermuten lässt, sondern in Vorarlberg sagt man generell statt gehen laufen. Nach meiner Privatphilosophie  drückt sich darin etwas über die Bereitschaft der Vorarlberger zum Schaffen aus. Ihnen geht es darum viel zu machen und alles mit Tempo, sei es einen Laib Brot zu kaufen.

Tscherfl und Tscherfln