REGEL:werk

Die Beschäftigung mit religiösen Gedanken, mit Überlegungen zur Seele, erscheint mir sinnvoll, um selbst eine Antwort zu den Vorgängen von Geburt, Leben und Tod, zu finden. Wir sind zwischen den Eckpunkten, Geburt und Tod eingezwängt, gezwungen zum Leben. Für manche beginnt der Kampf bei der Geburt, so spricht man bei einer Frühgeburt davon, dass das Frühchen einen starken Lebenswillen hat. Es folgt das Tauziehen um einen Platz in der Klassengemeinschaft, sich gegen andere Mitschülern zu behaupten. Hier herrscht das Recht des Stärkeren und des Gescheiteren. Verfügt man weder über die eine noch über die andere Eigenschaft, so muss man sich eine Nische aussuchen um zu überleben. Dabei kann ein besonderes Talent, ein geschickter Fußballspieler, eine schöne Gesangsstimme, ein schneller Läufer oder ein guter Zeichner zu sein, von Vorteil sein. Die Kämpfe setzen sich im Leben fort und nehmen an Schärfe zu. Meistens hat derjenige mehr Chancen, welcher der Bessere, Größere oder Stärkere ist, oder für sich eine Nische gefunden hat. In der Nische funktioniert es ohne dem Nachuntentreten, dem Verdrängen und das Schlechtmachen von anderen.

Das Leben funktioniert nach einem Regelwerk, welches vielfach unverständlich ist. Um vieles unverständlicher ist das Regelwerk für die Seele. Das Verständnis für Geburt, Leben und Tod ist um vieles einfacher, wenn wir das Regelwerk einfach akzeptieren. Ich glaube, dass sich Maler, Komponisten und Schriftsteller nicht all zu viel mit den Regeln der Kunst  beschäftigen. Viele Regeln werden von den Betrachtern, den Hörern, den Lesern hineininterpretiert.

Regeltechniker.

HÖRIG:keit III

Das Wort Hörigkeit bringt man  meistens mit menschlichen Gefühlen in Verbindung. In den verschiedenen Lebensphasen kommt es zu wechselnden Abhängigkeitsverhältnissen. Die meiste Anhänglichkeit gibt es in der Kindheits- und Jugendphase, zu den Eltern, Lehrer oder  Präfekten. Das Internatsleben führt schon in frühen Jahren zu einer Abnabelung von den Eltern und verursacht bei vielen Heimweh. Dort hofft man auf die Gunst des Präfekten. Bei einer Schar von sechzig Kindern, in einer Schulstufe, geht es im  Studiersaal und in den Schlafsälen, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, um Ordnung und Gehorsam, nicht um Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Ein Kreuzzeichen auf die Stirn vor dem Schlafengehen bedeutete ein Auserwählter zu sein. Das Kreuz wurde mit dem Fingernagel eingeritzt. Man versucht das Kreuz abzuschütteln, es glingt in den wenigsten Fällen, außer es ist jemand bereit das Kreuz mitzutragen. Nicht für einen lokalen Kreuzweg zur Osterzeit, für ein Leben lang. 

Es gibt Kinder, die sich der Hörigkeit durch musikalische, literarische oder malerische Begabungen entziehen. Sie leben in ihrem eigenen musischen Kosmos. Das Gefühl der Hörigkeit gegenüber jemanden, der einen aus der Not des irdischen Alltages gerettet hat, kann einen ein Leben lang begleiten.

Befreiungsschlag.  

IN:vasion

Ich weiß, dass es geschehen ist, es kann aber gestern gewesen sein, oder auch vor fünf, ja sogar vor zehn Jahren. Nicht, dass ich mich nicht daran erinnern kann, nein, denn ich sehe es noch genau vor meinen Augen. Nur kann ich ihnen nicht sagen wann es geschehen ist, denn ich habe jeglichen Sinn für Zeit verloren. Sie werden dies schrecklich finden, aber ich habe mich daran gewöhnt, seit…..ich weiß nicht wann.

Ich, dass ist ein Herr nach der „Norm Acht“. Ich würde ihnen diesen Begriff, seine Bedeutung, seinen Zusammenhang gerne erklären, doch bin ich dazu nicht in der Lage, denn ich verfüge über keine Kenntnisse von der Art meines Staates. Wohl aber kann ich ihnen eine Beschreibung meines Äußeren geben: Fußlänge 80 cm, Rumpflänge 70 cm, Kopflänge 20 cm. Wann immer sie einen Mann mit solchen Maßen begegnen, dann wissen sie, dass er zu der Gruppe „Norm Acht“ gehört, vielleicht bin es sogar ich. Ich habe dies alles erzählt, damit sie das Folgende leichter verstehen können.

Es beginnt alles wie gewöhnlich, besser gesagt entsprechend der „Norm Acht“. Ich öffne die Augen, ohne es zu wollen. Über mir höre ich dauernd ein Geräusch von hohem, tiefem und schrillen Kratzen, ich glaube man prägte dafür das Wort Musik. Ich stehe auf, trete an das Waschbecken und lasse das Wasser über die Finger laufen. Es hört sich komisch an, dieses Gurgeln und Plätschern, und in diesem Moment werden in mir irgendwelche Reize berührt, die mich darin erinnern, selbst einmal solche Laute von mir gestoßen zu haben. Jetzt erkenne ich, ich weiß nicht, ob diese Erinnerung Stunden, Tage oder Jahre dauert, was mit mir geschehen ist. Ohne es ändern zu können, ohne es überhaupt ändern zu wollen, ja es erfüllt mich nicht  mit Traurigkeit, mein jetziges zeitloses Leben.

Ich beobachte mich als einen Mann, der einen dauernden Zeitlauf mit der Zeit betreibt, von einem Termin zum nächsten jagt. Bis zu jenem Zeitpunkt, als die „Zeitlosen“ die Erde überfallen. Ich weiß, dass dies geschehen ist, nur kann ich nicht sagen wann. Ich lebe nach diesen Erinnerungen weiter wie gewöhnlich, entsprechend der „Norm Acht“.

MILCH:brot

In einer italienischen Tageszeitung konnte man die Schlagzeile lesen: „Es scheint, dass die Hölle leer ist“. In meiner Jugend war der Ausdruck „Todsünde“ noch üblich. In der Kirche hat bei der Bestrafung der Sünder eine Trendwende eingesetzt. Es wird  nicht mehr der strafende Gott, sondern der verzeihende Gott in den Vordergrund gerückt. Eine Episode, die gerne während des Mittagsessen in Bildungshäusern erzählt wird: Petrus serviert den wenigen Bewohnern des Himmels das Mittagessen. Es gibt seit  Jahren täglich nur Milch und Brot. Durch ein Fenster kann man beobachten, dass einen Stock tiefer, in der Hölle, die feinsten Speisen serviert werden. Dort gibt es zum Mittagessen verschiedene Fleischgerichte, alkoholische Getränke und als Nachtisch Mehlspeisen. Ein Himmelsbewohner fragt Petrus, wie  kommt es, dass wir nur Milch und Brot bekommen, während sie in der Hölle mit Fleischgerichten und alkoholischen Getränken verwöhnt werden. Petrus antwortet: „Für uns wenige zahlt es sich nicht aus zu kochen“.

Ähnlich verschieden war die Stimmung bei einem Aufenthalt in einem Kurzentrum. Ist man durch den Speisesaal der Kassenpatienten gegangen, gab es dort Hintergrundmusik und man erlebte fröhliche und gesprächige Menschen. Betrat man den Privatspeisesaal, dann saßen Kurgäste an Einzeltischen, in die Zeitung vertieft. Jedes Geräusch von Gabel und Messer war im ganzen Restaurant zu hören. Wurde zwischen Bedienung und Gast gesprochen, dann geschah dies im Flüsterton. Jetzt kann man sich überlegen, welche Menschen haben sich beim Essen wohler gefühlt.

Zu ebener Erde und im ersten Stock.          

GE:hört

Der Heilungsprozess, angeregt durch einen Kuraufenthalt hört nicht mit der Kur auf, sondern setzt sich nach der Kur fort. Dies bedeutet kein Vertrösten der Kurgäste, die oftmals während den Behandlungen über mehr Beschwerden klagen als vor der Kur, auf später. Die Kurärztin verweist bei der Abschlussuntersuchung darauf, dass sich die Kurerfolge in vier bis sechs Wochen nach der Kur zeigen, dies sei wissenschaftlich erwiesen. Aus der Erfahrung weis man, dass sich manche Verspannung nicht durch die  verordneten Therapien, sei es Galvanisation, Moorbad oder Wassergymnastik lösen, sondern indem sie sich Gehör verschaffen, dass ihnen jemand zuhört. Ein Ort sich Gehör zu verschaffen mit der Aussicht, dass jemand zuhört, ist in Bad Vigaun der Kurheurige Georg. Es ist dort am Abend nicht einfach, das man gehört wird, weil das Stimmengewirr ist groß. Alle hoffen darauf jemanden zu finden, der ihm zuhört. Viele der Kurgäste sind Pensionisten und diese klagen schmerzlich darüber, dass ihnen niemand mehr zuhören will, obwohl sie eine Menge an Erfahrungen gesammelt haben.  Auch ist es jetzt möglich manches auszusprechen, was man früher aus Rücksicht auf seinen Arbeitsplatz, seine Kollegen, auf eine Geschäftsbeziehung oder auf  einen Kredit nicht ausgesprochen hat. Viele meinen,  ist man aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden, wird man in der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen. Jetzt ist der Kurheurige  eine der wenigen Möglichkeiten sich auszusprechen und viele nützen dies  in großem Umfang. Es kommen in unserer Gesellschaft in der Regel nicht diejenigen zu Wort die wesentliches zu sagen haben, sondern jene, die sich mit rücksichtslosen  Methoden Gehör verschaffen.

Das Zusammentreffen von Menschen aus den verschiedensten Orten Österreichs kann auch dazu dienen, um  festzustellen, was kennt man in anderen Orten vom eigenen Ort. Über die Ortsgrenze hinaus bekannt ist das Wirken des Grenzlandchores und ein ehemaliger Akteur beim Villacher Fasching. Sie sind sozusagen die Aushängeschilder des Ortes. Faschingskrapfen.