un:ruhe

Über den Hotels und den Häusern von Opatija erhebt sich am Hang die bis heute unvollendete Kirche, „Maria Verkündigung“. Die Grundsteinlegung erfolgte im Jahre 1906 durch den Wiener Kardinal Nagel. Der Bau wurde bei Ausbruch des 1. Weltkrieges  eingestellt und erst im Jahre 1927 wieder fortgeführt. In den folgenden Jahren wurde die Kuppel gebaut, die Kirche mit einem Dach versehen und die Kirchenfenster eingesetzt. Der Altarraum ist bis heute unvollendet. Die Kirche ist über eine breite Mitteltreppe und zwei Seitenaufgängen von der Stadt erreichbar. Im Urlaub kommt man selten zur Ruhe, meistens ist man in Unruhe. Vor der Kirche ist ein schöner Platz um sich auszuruhen. Die natürliche Umgebung tut den Augen gut. Die Zypressen, die Kastanien- und Feigenbäume, sowie die Palmen  wachsen wild, ohne Pflege. Die Blumen und Sträucher rund um die Kirche werden kaum betreut. Die Sonne scheint und die Meeresoberfläche leuchtet zwischen den  renovierungsbedürftigen Villen durch. Manches Dach hat einen blauen Abschluss. Hier sitzen keine zahlenden, daher fordernden Gäste Capuccinotrinkend auf der Terrasse. Den Vogelgesang gibt es in Stereo. Einmal zwitschern die Vögel rechts, dann drei Vögel hinter einem oder ein einzelner Vogel erhebt seine Stimme zum Sonnengesang. Vom Meer kommt kein Laut, kein Geräusch, mit den Wellen hat man Augenkontakt. Oft wird es dazwischen ganz still, dann unterbricht der Schrei einer Katze oder Hundegebell die Stille. Die vielen Hochhäuser von Rijeka erscheinen aus der großen Entfernung wie große Bäume im Häusermeer.

Ruhestand.

aus:bürger ll

Man gesteht heute jedem ein Burnout zu, ihn dieses nichtssagende, schönfärbende Wort haben sich viele geflüchtet. Depressiv klingt abstoßend und ekelerregend. Gerade wenn man sagt, sie liegt in der Psychiatrie. Beim Krankenbesuch bleibt man zurückhaltend, man hält das Burnout  für ansteckender als eine Grippeinfektion.  Am besten umgeht man dies, wenn man in der Neurologie aufgenommen wird. Dort kann man davon ausgehen, dass es mit einer organischen Erkrankung zusammenhängt. Eine Einweisung in die Psychiatrie erscheint als großes Manko. Der Hausarzt verschreibt einem ein Schlafmittel oder ein Beruhigungsmittel gegen Herzbeschwerden oder bei Reizdarm. Alles ist besser als ein Besuch bei einer Psychologin oder Psychotherapeuten.

In der Konsumgesellschaft gibt es kaum noch Werte, alles ist austauschbar geworden. Auf Ebay kann man  alles kaufen und verkaufen, Emotionen, Glück, Zufriedenheit. Die Zeit des Anstands liegt Jahrzehnte zurück, hinter dem sich auch viel verborgen hat. Wo der menschliche Wert, mit dem Besitztum gestiegen ist. Man gab sich lustig und fidel, dass Erbe der Väter und der Großväter wurde hochgehalten. Man will ebenso erfolgreich sein und im Ort seinen Status verteidigen, zur gesellschaftlichen Oberschicht dazugehören. Im Ort gehört einem ein Hotel, der Hotelbetrieb im Ort. Suchte ein ranghoher Politiker oder ein Medienjournalist eine Unterkunft im Ort, so  gehörte das Hotel zur ersten Adresse. Der Zeitgeist fand sich im Hotel wieder, der Besuch der Hotelbar  bildete den Abschluss nach einem Konzert, einer Festveranstaltung oder einer Ausschusssitzung. Das Warnsignal hat man missachtet, den äußeren Glanz auf Kredit am Glänzen erhalten. Die Bank hat ihre Jahreshauptversammlung  im  Speisesaal des Hotels abgehalten und ihren Kredit fällig gestellt.

Im Polizeibericht ist zu lesen, dass am frühen Morgen des 26.8. in der Nähe der Waldsiedlung ein Spaziergänger mit seinem Hund den Hotelier vom Ort tot aufgefunden hat. Neben ihm die Tatwaffe, sein Jagdgewehr, Fremdverschulden ausgeschlossen. Über  die Theke wird ein Partezettel gereicht.

Das rote Herz.

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Am Beginn eines Entfremdungsprozesses steht die Ausbürgerung aus der Gesellschaft, dann die innerliche Abmeldung von den Mitmenschen und zuletzt steht man außerhalb der Gemeinschaft. Der Selbstmord ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, er ist nicht diskutabel. Er existiert außerhalb des Wahrnehmungsgeflechts, er wird gerne verleugnet. Man akzeptiert ihn in Künstlerkreisen, bei Schauspielern oder Musikern, nicht bei Alltagsbürgern. Ist jemand gescheitert bedeutet dies, dass etwas in der Gemeinschaft nicht funktioniert hat. Niemanden gesteht man ein Scheitern zu, dies ist immer ein gesellschaftliches Manko, erst recht in der modernen Hochleistungsgesellschaft. Es gibt diesen Überfluss, wie soll man da an Selbstmord denken. Nie würde man sich gegenüber anderen dazu äußern, dass man selbst mit Selbstmordgedanken spekuliert hat. Der besten Freundin würde man bestenfalls anvertrauen, dass man den hübschen Mann aus dem nächsten Stiegenaufgang verführt hat. Wie aufregend es am Wochenende mit dem Freund nach dem Besuch des Schwimmbades in der Umkleidekabine gewesen ist.

Heute gibt es Fluchtmöglichkeiten, man kann aus der Ehe ausbrechen, den Mann verlassen und sich scheiden lassen, man muss nicht beim Mann bleiben bis zum bitteren Ende. Die Lieblosigkeit, die Gefühlskälte ertragen, wo für den Jagdhund und für das Kalb mehr Gefühle und Streicheleinheiten frei werden, als für die Ehefrau. Während der Ehejahre ist man durch die Arbeit unansehnlich geworden, hat etwas an Körperformen eingebüßt. Die Bekleidung ist mit den Jahren gealtert. Neu hinzugezogen ist in der Nachbarschaft eine junge Jägerin, welche den Männern schöne Augen macht.

Bei einer Frau ist der Tod weiblich. Die großen Gewässer haben eine magische Anziehungskraft auf  Frauen. Vom Wasser geht eine Geborgenheit aus, im Wasser fühlt man sich aufgehoben. Drei von mehreren Drautaler Selbstmörderinnen sind in die Drau gegangen. Eine Scheidung kam nicht in Frage,  es ist ehrenhafter den Ausweg des Selbstmordes zu wählen.

Badesaison.

nach:hall

Viele PensionistInnen benehmen sich als sei es selbstverständlich, dass ihnen das Paradies auf Erden zusteht. Sie schauen nur auf ihren Vorteil, sie beanspruchen dies, verdient durch die hohe Beamtenpension ihres Mannes. Jetzt können sie das Fünfsterne Kurhotel genießen. Die Bedienung kann es ihnen nicht recht machen, das Frühstücksbuffet ist nicht gut genug, es sollte noch besser und reichhaltiger sein. Obwohl man sich darunter nichts Konkretes vorstellen kann, aber man wäre ein paar Tage weniger gelangweilt. Unter uns leben auch die Zufriedenen, die es zu schätzen wissen, dass sie einen gesicherten Lebensabend genießen können. Nach menschlichen Vorstellungen ein kleines Paradies.

Befindet man sich im Pensionsdrive, dann fließen an einem oftmals die Meldungen aus der Politik, der Wirtschaft oder der Gesellschaft achtlos vorbei, als gäbe es kein Außen. Da nimmt man auch vom politischen Sommergewitter, von den Streitereien über die Einführung einer Millionärssteuer und Erbschafssteuer oder wer blutet für die Schulden der Hypo Alpen Adria Bank, nichts wahr. Mehr Aufmerksamkeit gibt es, kommt ein Anruf, dass in der Nachbarschaft ein bekannter älterer Herr gestorben ist. Eine solche Nachricht zählt nicht zu den Alltäglichkeiten, der Tod  eines Bekannten bekommt eine neue Bedeutung, ist man selbst im Pensionsalter. Noch deutlicher stellt sich dann die Frage nach der Nachhaltigkeit der Pensionstage. Man sucht nach Alternativen zum Apfelmusessen, bevor man sich mit dem Istzustand abfindet. Der Widerstand kostet Kraft. Es ähnelt dem Aufbegehren in der Jugendzeit, damals war es ein Protest gegen die Strukturen der Erwachsenen, die uns ihre Welt vorgegeben haben. Heute wüsste ich gerne etwas über die  Denkinhalte der Jungen und bin doch weit entfernt. Ich suche in den Medien, manches Mal in den Filmen, nach Aussagen, wo ich an die eigene Jugend anknüpfen könnte. Dazwischen liegen vierzig Jahre Berufsalltag und ein gewisser Sehwinkel. Bei aller Offenheit der ich mich verpflichtet fühlte, ist es darum gegangen wirtschaftlich zu überleben.

Zielpunkt.

tier:mensch lll

Bei der Lehrveranstaltung „Natur und Technik“ wurde der Mensch unter anderem auch durch sein Bewusstsein von seiner Sterblichkeit definiert. Wir unterscheiden zwischen Vergangenheit und Zukunft und können uns im Spiegel selbst erkennen. Martin Heidegger sagt, „der Mensch ist weltbildend und das Tier, welches über oben genannte Fähigkeiten nicht verfügt, ist weltarm. Der Mensch kennt die Langweile, das Tier die Benommenheit. Das Tier sei getrieben, immer ruhelos auf der Suche nach Nahrung und Fortpflanzung. Der Mensch könne über sein „nichts tun“ entscheiden.“  Ich halte dagegen, dass sich auch Tiere dem Nichtstun hingeben, der Muse, auf jeden Fall Katzen.

In der Fachliteratur gibt es das oft zitierte Beispiel von Jakob von Uexküll. Er hat einer Biene eine Tasse Honig vorgesetzt und als diese gierig mit ihrem Rüssel am Honig saugt, den Hinterleib entfernt. Die Biene hat davon unbeeindruckt weitergesaugt, der Honig ist aus dem Hinterleib geflossen. Ein Beispiel, um die stumpfe „Verfressenheit“ bei den Tieren zu beweisen. Mein Einwand war, dass auch wir sehr Essens orientiert sind. Es gibt Berichte über Todeskandidaten, die kurz vor ihrer Hinrichtung ihr Lieblingsgericht bestellt und verzehrt haben. Welchen Sinn macht ein Festmahl im Angesicht des Todes?  Ich habe natürlich nicht das Recht, der ich, Gott sei gedankt, nie in einer ähnlichen Situation war, darüber zu befinden. Ähnliches wird von den Rauchern über ihre letzte Zigarette berichtet.

Wie kam Heidegger zu dem Ergebnis, dass die Tiere weltarm und die Mensch weltbildend sind?

Letzten Endes.