Die Wahrscheinlichkeit krank zu werden ist gleich groß wie die Wahrscheinlichkeit gesund zu bleiben. Niemand weiß warum jemand krank wird und der andere nicht, oder wo man sich infiziert hat. Unser Wissen über Gesundheitsvorsorge und gesunde Ernährung ist groß, sodass man oft nicht mehr unterschieden kann, was krank macht und was gesund erhält. Würde man alle Gesundheitsvorschläge befolgen, wäre man am Ende krank. Wie krank man sich fühlt, hängt von der eigenen Vorstellungskraft ab. Man kann sich gesund, aber auch krank denken. Spekulieren, was daran schuld ist, dass man sich nicht wohl fühlt, die kalte Luft, der Nebel oder der Wetterumschwung. Ein breites Spektrum von Beschwerden löst die Nahrungsunverträglichkeit aus, sodass man gezwungen ist, tageweise zu hungern. Die sogenannten Hungerkünstler auf den Jahrmärkten im Mittelalter zählten zu den gesündesten und zählebigen Menschen.
Hinter den Spekulationen über Symptome steckt oft der Versuch sich einer Untersuchung zu entziehen, den Gang zum praktischen Arzt zu verzögern. Man gibt den Beschwerden eine Schonfrist, dass sie sich zurückziehen und verschwinden können. Meistens schlummern sie nur ein, um später wieder zu erwachen. Als Erwachsener will man vieles überspielen und den Weg zum Facharzt vermeiden. Als Kind schreit man einmal zu oft, wenn einem etwas weh tut. Es hat genügt, wenn ein Erwachsener ein wenig auf die wunde Stelle geblasen hat oder ein Stück Leukoplast über die schmerzende Stelle geklebt hat. Ein sichtbares Trostpflaster.
Die Erwachsenen waren zu Hause bei der Stallarbeit, das Vieh füttern und die Kühe melken. Mein Bruder und ich waren am Acker bei der Roggenernte und dabei fügte er sich mit der messerscharfen Sichel eine Schnittwunde am Knie zu. Ich war etwa dreizehn Jahre alt, er noch jünger. Ich konnte die Gefährlichkeit der Verletzung nicht einschätzen und war nur von dem Gedanken beseelt, dass wir versuchen mussten den Bauernhof zu erreichen. Dies war mit einem Fußmarsch von etwa fünfzehn Minuten möglich. Die Wunde hat durch den Schock zuerst nicht geblutet, erst als wir in die Nähe des Bauernhauses kamen. Der Vater machte die Erstversorgung der Schnittwunde, die sich durch den Fußmarsch vergrößert hatte. Der Bruder wurde von einen herbeigholten Nachbarn, mit seinem Auto, zum Arzt gefahren. Dieser schickte sie weiter in das Bezirkskrankenhaus. Dort wurde die Schnittwunde genäht und der Bruder musste im Krankenhaus bleiben. Am Sonntag besuchten wir den Bruder mit dem Auto, wobei einige Familienmitglieder zu Hause blieben, damit im Falle eines Verkehrsunfalles, die Versorgung der Viecher gesichert war.
Leukoplast.