brief:kasten

Im Zeitalter des Internet und der Handykultur verschwinden immer mehr praktische Einrichtungen aus dem öffentlichen Raum, ohne das dies zunächst auffällt und wir sie vermissen. Dies betrifft den ländlichen Bereich genauso wie die Innenstädte. Wer ist im Dorf oder in der Stadt noch darauf angewiesen, dass er für seinen Alltag eine öffentliche Uhr benötigt?  Außer an der Fassade oder in der Eingangshalle  vom Bahnhof  gibt es im öffentlichen Bereich kaum noch Uhren. Einen großen Chronometer, auf dem man vom Gehsteig aus, die Uhrzeit ablesen kann. Fast ausnahmslos hat jeder sein Handy in der Jackentasche und blickt zwischendurch immer wieder darauf. Vielen Handybenützer geht es einfach um die Uhrzeit. Je weniger die traditionellen  Armbanduhren von den Jugendlichen getragen werden, umso größer ist das Angebot in den Schaufenstern bei den Juwelieren. Vor Jahrzehnten war es üblich, dass die Mädchen und die Burschen zur Heiligen Firmung von der Firmpatin oder dem Firmpaten nebst einem Rosenkranz eine Armbanduhr als Geschenk erhalten haben. Danach war lange Zeit ein Fahrrad das passende Geschenk.

Eine öffentliche Uhr am Hauptplatz oder im Stadtpark diente vielen Verliebten als Treffpunkt für eine Verabredung. Damit wurden zwei Fliegen auf einen Streich erledigt. Zum Einem wusste jeder unmissverständlich wo sich der Treffpunkt befand, zum Anderem konnte man die Pünktlichkeit des Partners im Auge behalten. Vor der Jahrtausendwende konnte man sich eine Woche vorab für den Samstag um 14 Uhr bei der Weikhard Uhr am Grazer Hauptplatz verabreden und der Termin war bombensicher. Dazwischen gab es keine Telefonate und keine Terminverschiebungen, wie wir es heute, Dank oder Fluch des Handys, stündlich erleben. Die Weikhard Uhr zählt auch heute noch zu den wenigen Relikten öffentlicher Uhren. Diesen Treffpunkt gibt es seit vielen Generationen. Auch bei meinem Präsenzdienst in Graz diente der Platz rund um diese Uhr als Stelldichein. Inzwischen liegt die Amokfahrt eines 26jährigen durch die Grazer Innenstadt einige Monate zurück, wobei diese auch an diesem Treffpunkt vorbeiführte. Eventuell hatten sich Personen zu dieser Zeit, an dieser Stelle, verabredet und mussten die Amokfahrt mit den tödlichen Folgen mit ansehen.

Das gleiche Schicksal wie den öffentlichen Uhren ereilt die Briefkästen. Früher hat es an jeder Straßenecke einen gegeben, mit der leuchtend gelben Farbe haben sie einem sofort in das Auge gestochen. Mit dem Aufkommen von FAX und Email, mit dem verschicken von SMS per Handy,  wurden viele der Briefkästen abmontiert. Befindet man sich nicht in der Nähe des Haupt- oder Bahnhofpostamtes, dann bedarf es Adleraugen, um heute noch einen Briefkasten auszumachen. Da nützen auch die flotten Sprüche, welche die Briefkästen zieren, nichts: „Wenn es sicher sein soll, dann lieber mit der Post“ oder „Die Post bringt jeden etwas“. Um in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen, ist es heute von Amtswegen unerlässlich, dass man über eine feste Post- und Wohnungsadresse verfügt. Für Zahlungsüberweisungen ein fixes Bankkonto. In naher Zukunft wird auch dafür eine Handynummer oder ein Googlekonto genügen, wohin man die Post schickt und das Geld überweist.

Staatsbürgerschaftsnachweis.

jausen:brot II

Der Meldeamtbeamte war dabei seine Stolle zu verzehren und ich platze in seine Kanzlei. Schnell verschwindet das Jausenbrot in der offenen Schublade im Schreibtisch. Ein unwirsches, was brauchen sie,  ist der erste Satz den er mir entgegen schleudert. „Eine Wohnungsänderung, haben sie das Anmeldeformular bereits ausgefüllt? Nein, es liegt am Gang auf. Zudem Mietvertag bzw. eine Bestätigung des Vermieters, dass sie unter dieser Adresse wohnen, dann sehen wir uns wieder. Auf Wiedersehen. Eigentumswohnung, dann müssen sie den Kaufvertrag mitbringen“.  Beim Satzende ist die Schublade endgültig geschlossen und ich stehe am Gang vor der Türe. Das Formular zur Anmeldung eines Hauptwohnsitzes liegt am Eingang auf.

Geschwind lese ich die einzelnen Punkte durch, vielleicht gibt es noch die eine oder andere offene Frage? Etwas ist mir am Formular unklar, soll ich zuerst den alten Hauptwohnsitz abmelden oder mich zuerst neu anmelden und dann abmelden. Noch einmal in dasselbe Bürozimmer, lieber nicht. Ich probiere es beim nächsten Zimmer. Am Schreibtisch sitzen zwei junge Burschen, einer davon im Rollstuhl. Ein freundliches was können wir für sie tun, welches Anliegen haben sie? Ich habe eine Frage zum Wechsel des Hauptwohnsitzes, wir können die Ummeldung gleich vornehmen, haben sie ein Ausweisdokument mit? „Ja, den Reisepass, aber keinen Kaufvertrag.“  „Der Reisepass genügt, den Kauf  können wir online im Grundbuchregister nachsehen“.  Die Verständigung bei der alten Wohngemeinde vom Hauptwohnsitzwechsel erledigen wir. Nach fünfzehn Minuten habe ich einen neuen Meldezettel. Einen schönen Tag noch.

Resttage.

fahrt:taxi II

Kommt es zu dramatischen Vorfällen bei einer Taxifahrt, dann dringt dies in die Öffentlichkeit. Zumeist erzählen dann die Betroffenen, was sie alles mit ihren Kunden erleben. Zumeist unter den Tisch fallen die Erfahrungen, welche die Kunden mit den Taxifahrern erleben. Mit zwei Koffern sind wir am Sonnabend aus Villach mit dem ICE am Bahnhof in Prag angekommen. Unser Hotel befand sich etwa geschätzte zehn Fahrminuten vom Bahnhof entfernt. Vom Bahnsteig folgten wir den Hinweisschildern zum Taxistand. Von der Eingangshalle führte links ein Ausgang zu den Taxis. Vor uns parkten etwa sechs bis acht Taxis älterer Bauart, alle in gelber Farbe. Sofort näherte sich uns eine Person, der wir die Hoteladresse zeigten. Deutsch, und eine andere Person eilte herbei. Kein Taxi besaß einen Gebührenzähler, bei der Frage nach dem Preis zückte der Fahrer aus der Hosentasche eine Preisliste, mit verschiedenen Preisen. Er zeigte auf € 25.–. Meinem Gefühl nach schätzte ich die Strecke für eine Gebühr von  zehn bis zwölf Euro ein. Ich machte ihm klar, dies wäre viel zu teuer. Er versuchte es noch einmal und zeigte auf € 20.–. Wieder lehnte ich ab und es kam ein dritter Herr. Dieser fragte, was ich bereit bin zu zahlen. Ich wollte nicht unverschämt sein und sagte € 15.–, für zwei Personen. Er sagte es ist ok und winkte einem Kollegen, der sich wutentbrannt  an das Steuer setzte. Mit dem klapprigen Opel raste er wie die Feuerwehr durch die Stadt. Das Rot der Verkehrsampeln ignorierte er und die Kurven wurden geschnitten. Der Umstand, dass die Straßen um diese Uhrzeit wenig befahren waren, verhinderte wohl das Schlimmste. Ich vertröstete mich damit, dass die Fahrt bald zu Ende sein wird, sie dauerte gerade mal fünf Minuten.

Bei der Abreise organisierte uns das Hotel ein Taxi, es kam ein neuer Mercedes Van, wo wir wie in einem Wohnzimmer auf zwei Couch gegenübersaßen. Der Fahrpreis vom Hotel zum Bahnhof betrug € 10.–.  Während der Zugfahrt blätterte ich noch einmal im Reiseführer, dort wurde vor den Wucherpreisen der Taxifahrer gewarnt.

Gebührenpflichtig .

fahrt:taxi I

Oftmals werden von Politikern, Journalisten oder Meinungsforschern, wollen sie zu einem Thema die Stimmung in der Bevölkerung wiedergeben, die Meinung eines Taxifahrers zitiert. Aufgrund ihrer Tätigkeit haben sie mit vielen Menschen Kontakt und die Zeit im Taxi wirkt für manche zum Plaudern animierend. Für Reisende ist der Taxifahrer oftmals der erste Mensch mit dem er Kontakt hat, besucht man eine Stadt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel.

Die Aussagen der Taxifahrer gelten als Stimmungsbarometer,  was sich die Bevölkerung, der sogenannte kleine Mann, die Formel die kleine Frau wird ja nicht verwendet, über die Politik denkt: Zu einem Regierungsvorhaben wie der Steuer- und der Pensionsreform, zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage oder zu einem Bauprojekt in der Innenstadt. Die Themen lassen sich internationalisieren, was weiß der Taxifahrer über die Griechenlandhilfe oder über die Gefahren die vom Islamischen Staat ausgehen, zu berichten. Die Taxifahrer und immer öfter die Taxifahrerinnen sind Sammler bzw. Sammlerinnen von Meinungen. Während der Fahrt sprechen sich die Kunden und Kundinnen bei ihnen aus, zumeist dürfte es ein Ausschimpfen über unhaltbare Zustände in der Stadt sein. Etwas worüber man sich maßlos aufgeregt hat oder etwas was einem total gegen den Strich geht. Genauso, wenn von die Regierung neue Steuern einführt oder wieder einmal Steuergelder zur Banken- und Staatenrettung ausgegeben werden.Umgekehrt hört man von den Taxifahrern Unmutsäußerungen gibt es in der Stadt Baustellen und Umleitungen. Von den Stadtvätern verordnete Verkehrsberuhigungen, Share Zonen in der Innenstadt oder neue Radfahrwege und Einbahnregelungen. Von alldem sind sie am meisten betroffen.

Aufs Maul gschaut.

wunder:welt II

Auf Personen, die einem wirklichkeitsfremd erscheinen, sieht man gerne von oben herab. Sie nennt man Tagträumer und im schlimmsten Fall Spinner. Dabei wird oft übersehen wie viel Kreativität in solchen Menschen steckt. Wer kreativ sein will muss etwas von der Wirklichkeit verleugnen, Teile der Realität ausklammern. Bei vielen Poeten, Musiker, Maler und Philosophen fehlt oft der Bezug zur Gegenwart, zu den sogenannten praktischen Dingen im Leben. Im günstigsten Fall wird dies vom Partner, der Partnerin ausgeglichen. Bei einem Vortrag im Rahmen des Carinthischen Sommers hat der Philosoph Peter Sloterdijk seinen Vortrag abgebrochen, nachdem eine Glühbirne im Saal explodiert ist.

Kleine Hindernisse bei den alltäglichen Aufgaben  können eine Störung im kreativen Prozess auslösen. Auch Biologen, Chemiker oder Astronomen ziehen es vor, von der Wirklichkeit abgeschirmt zu forschen, obwohl sie reale Dinge der Welt erkunden: Pflanzen, chemische Prozesse und Planeten. Oftmals sind ihre Erkenntnisse für Laien so erstaunlich, dass sie zum Reich der Wunder gezählt werden.

Eine Art von Paradies ist für mich der Zustand in der Pension. Aus dem Arbeitsleben ausgeschieden  muss ich keiner geregelten Arbeit nachgehen und kann die Zeit als Buchhändler in Muse genießen. Ohne arbeiten zu müssen habe ich ein gesichertes  Einkommen. Dabei fühle ich  mich in dieser  Wunderwelt zeitweise unwohl und sehne mich nach der Arbeitswelt zurück.

Wunderkammer.