vw-käfer

Fährt die Straßenbahn über Weichen oder in die Kurve, dann muss man als stehender Fahrgast achtgeben nicht gegen einen Sitz oder einen anderen Fahrgast geschleudert zu werden. Vor kurzem ist es mir in Salzburg so ergangen, dass ich halb gewollt und halb geschleudert auf einem Sitz gelandet bin, auf einer Pobacke. Zum Sitznachbar habe ich hörbar, mit einer gewissen Ironie gesagt, besser schlecht gefahren als gut gegangen. Ganz in der Nähe war ein Herr in Uniform, wahrscheinlich ein Fahrschein Kontrollor. Dieser hat mich streng angeblickt und nachgefragt: „Warum, was ist nicht in Ordnung? Ich habe geantwortet: „Dies ist ein Spruch aus den sechziger Jahren, wo nicht jede Familie ein Auto besessen hat“. War jemand aus der Nachbarschaft in Ferndorf mit dem Auto unterwegs, so hat man sich erkundigt ob man nach Politzen mitfahren könnte? Soweit Platz war hat der Nachbar alle auf den Berg mitgenommen. In einem VW Käfer der sechziger Jahre sind auf der Rückbank bis zu fünf Personen gesessen und dazu kamen die prallgefüllten Rucksäcke mit den Lebensmitteln auf dem Schoß. Dabei ist es im VW-Käfer eng geworden. Bevor jemand den etwa einstündigen Fußmarsch bergwärts mit einigem Gebäck auf dem Rücken auf sich genommen hat, ist man lieber schlecht gefahren als gut gegangen.

Das erste Auto in der Familie fuhr mein Bruder, ein VW- Käfer mit geteiltem Rückfenster und seitlichen Blinkerhebeln. Damit wurde das Rechts- oder Linksabbiegen angezeigt, keine blinkenden Lichter vorne und hinten. Bei den Ausflügen, Besuchen und Einkäufen mit dem Auto hatte oberste Priorität, dass daheim am Hof genug Leute waren um die Kühe, Schweine und das Pferd mit Futter zu versorgen. Für das Melken der Kühe musste jemand anwesend sein, der dies händisch konnte. Aus diesen Umständen sind Vater und Mutter nie gemeinsam mit dem VW-Käfer mitgefahren. Zur Unterstützung der Stallarbeit ist auch eines der Kinder zu Hause geblieben. Diese Regel war eine Absicherung, sollte es bei der Heimfahrt zu einer Verzögerung oder eventuell zu einem Unfall kommen, so war die Stallarbeit, wie die Fütterung und das Melken genannt wurden, auf jeden Fall sichergestellt. Vor jedwedem Vergnügen, Erholung oder Besorgungen hatte die Stallarbeit oberste Priorität.     

seniorchefin

Die gebückte, ältere Frau, welche über die Stufen aus dem Lager kam und der Floristin mitteilte, dass sie die leeren Kartons entsorgt habe, erinnerte mich an die Seniorchefin in meinem Ausbildungsbetrieb zum Buchhändler. In der Bahnhofstraße in Spittal / Drau absolvierte ich in einer alteingesessenen Buchhandlung meine Ausbildung. Ums Eck befand sich das Wohnhaus des Chefs und dort lebte auch die Seniorchefin. Der Chef hatte im Magazin, hinter einer Regalwand seinen Büroplatz. Dies war ein Schreibtisch mit einem Aufsatz, wo diverse Firmendrucksorten und Bestellkarten von verschiedenen Lieferanten steckten. Neben dem Schreibtisch türmte sich am Boden ein Stapel von Buchkatalogen und -Prospekten der Neuerscheinungen diverser Verlage. Am Schreibtisch gab es einen Stempelhalter mit dem diversen Firmenstempel, eine Schale für die Bleistifte, Büroklammern und den Anfeuchter für Briefmarken. Auf der linken Seite stand eine Kofferschreibmaschine. Zumeist saß der Chef versunken in seinem Stuhl, verarbeitete die Lieferscheine zu Rechnungen, füllte Bestellkarten aus oder blätterte in den Bücherprospekten mit den Neuerscheinungen. Im Regalschrank hinter ihm befanden sich die notwendigen Ordner für die Buchhaltung.

Zweimal die Woche, um halb zehn Uhr Vormittag, kam die zierliche Seniorchefin durch die hintere Eingangstür in das Magazin. Sie machte sich beim Altpapier, welches unter der massiven Schneidemaschine aufbewahrt wurde, zu schaffen. In den 60er Jahren wurden die Lieferungen von Büchern, Schreibgeräten, Formularbücher und Schulartikel in Schachteln geliefert und diese waren mit Packpapier umwickelt und mit Spagat verschnürt. Das Packpapier wurde von uns geglättet und im Verkauf zum Einpacken verwendet. Auch der Bindfaden wurde weiterverwendet. Die Seniorchefin stellte uns die Frage: „Ist Harry hier“? War der Chef anwesend setzte sie sich bei seinem Büroplatz auf einen wackeligen Sessel und schaute Harry bei der Arbeit zu. Manchmal unterbrach sie seine Arbeit mit den Worten: „Harry was machst du jetzt oder Harry warum machst du dies so“?

machtinstrument

Das überbordende Warenangebot ist ein Machtinstrument für die Kunden. Die Zeit der Mangelwirtschaft ist lange vorbei, die Ansprüche der Käufer werden immer größer. Würde man Kunden, Händler und Lieferanten auf verschiedene Stufen stellen, dann kommen die Lieferanten auf die unterste Stufe, die Händler auf die Mittlere und die Kunden auf die oberste Stufe. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man findet was gewünscht wird. Umgekehrt ärgert man sich darüber, dass es eine so große Auswahl an Shops und Auswahl an Waren in den Einkaufszentren gibt. Zusätzlich kommt dazu das Angebot im Internet. Bei der Fülle an Artikel rätselt man darüber, was das Passende sein könnte.

Im Blumenladen wünschte sich ein Herr im eleganten, winterlichen Anzug und Krawatte für seine Gattin, zum heutigen Hochzeitstag, einen Blumenstrauß. Kein Arrangement, er wählte Blumen in den Farben orange, rot und lila und dazu ein passendes Grünzeug. Beim Zahlen fragte er die Floristin, ob er die Blumen umtauschen könnte, wenn der Gattin eine Sorte oder Farbe nicht gefällt? Die Verkäuferin, einiges an Wünschen gewöhnt, war im ersten Moment sprachlos. Einen Blumenstrauß umzutauschen, dies habe sie in ihrer zwanzigjährigen Praxis nicht erlebt. Eigentlich müsste sie die Chefin fragen, aber ihre Erfahrung schließt dies aus. Sarkastisch hat die Verkäuferin reagiert und den Herrn darauf aufmerksam gemacht, der Umtausch der Blumen sei nur mit Kassenbon möglich. Wird der Herr, wenn der Blumenstrauß zu welken beginnt wiederkommen und sagen: „Der Frau gefallen die Farben der Blumen nicht“? Er hat die Rechnung eingesteckt und das Blumengeschäft verlassen. Sprachlos stand ich in der Nähe der Verkäuferin. Der Wunsch des Kunden überraschte mich als langgedienten Kaufmann. Bereits in meiner Zeit als aktiver Buchhändler haben die Kunden zu Recht ihre Ansprüche vertreten, etwas ähnliches habe ich nicht erlebt. Dies wäre dem Wunsch gleichgekommen ein Buch umzutauschen, wenn es beim Lesen nicht gefällt.

Sparsam

Zu einem fertigen Wohnhaus hat noch niemand nein gesagt.

Vielen älteren Personen ist die Abneigung gegenüber Familienfesten in der Gastwirtschaft eingebrannt, sie lehnen es ab eine Familienfeier in ein Gasthaus zu verlegen. Für einen Restaurantbesuch unter der Woche hegen sie keinerlei Verständnis. Dies ist unabhängig von der Pensionshöhe. Was gustiert wird sind die Gutscheine von Möbelhäusern, wo man ein deftiges Frühstück oder eine opulente Hauptspeise zu Minipreisen verzehren kann. Diese Gutscheine werden sorgfältig in der Brieftasche verwahrt. Der Sparwille lässt es zu, dass man ein tolles Bauernfrühstück für € 9.90 oder ein Champignonschnitzel mit Beilage für € 12.90 verzehrt. Die Sparsamen verzichten bei den Hauptspeisen auf ein Getränk, dieses kann man zu Hause viel billiger trinken.

Wie unter Sportlern, Tischlern oder Gärtnern gibt es extreme Personen, welche sich nicht den gängigen Vorbildern anpassen. Bei den Häuslbauer welche, nachdem sie mit einem Wohnhaus fertig sind und es einem der Kinder übergeben haben, beginnen sie ein neues Objekt. Zu einem fertigen Wohnhaus hat noch niemand nein gesagt. Eine weitere Variante ist ein Haus zu sanieren, um es dann zu einem moderaten Preis zu vermieten. Wer einem hartnäckigen Häuslbauer beim Renovieren hilft muss damit rechnen, dass für eine Zigaretten- oder Kaffeepause keine Zeit bleibt. Das geleistete Pensum hat Vorrang. Nach Meinung eines typischen Häuslbauer ist es zumutbar, dass der Handlanger vier bis fünf Stunden ohne Pause auskommt. Hätte er in seinem Arbeitsleben immer Pausen gemacht, dann hätte er es nicht zu seinen Besitzungen gebracht. Bei seinen Fahrten nach und von Oberitalien, für den Import von Elektrogeräten, hat er auf Pausen verzichtet. So war es möglich, die Elektrogeräte noch am selben Tag auf der Grenze in Thörl Maglern zu verzollen. Hätte er dies nicht geschafft wäre für die Zollabfertigung ein weiterer Arbeitstag notwendig gewesen. Im Laufe der Jahrzehnte hätten sich solche zusätzlichen Tage summiert und hätten am Ende vom Berufsleben für den großen Erfolg gefehlt.

sparwille

Ein Einfamilienhaus passt nicht in den Sarg und wird im Himmel nicht gebraucht.

Zurzeit liest und hört man über die Generation der Babyboomer zumeist negatives. Die Diskussion dreht sich um die Kosten für die Pensionen und den Wunsch nach kräftiger Pensionserhöhung, dem sich keine österreichische Bundesregierung entziehen kann. Die Rentner sind eine verlässliche und parteiorientierte Wählerschicht. Wer einmal christlich oder sozialistisch gewählt hat, wird im Alter kaum die Partei wechseln. Für die älteren Generationen ist der Gang zur Wahlurne eine staatsbürgerliche Pflicht, auch wenn es keine Wahlpflicht mehr gibt. Sie kommen dem Aufruf der Parteien wählen zugehen verlässlich nach. Die letzte Tranche der Babyboomer wird in den nächsten Jahren in Rente gehen. Dafür werden Horrorszenarien errichtet, eine aufkommende Gewitterfront, mit der Frage, wie die Pensionen in diesem Ausmaß finanziert werden sollen? Dazu muss gesagt werden, dass die Senioren für sich selbst wenig verbrauchen. Diese Generation ist sparen gewohnt und leistet sich nur das Notwendigste. Der Spar Wille führt bei ihnen dazu, dass der Rest von der Rente den Kindern, zumeist den Enkelkindern zugutekommt. Des Weiteren gibt es konkrete Vermögenswerte wie Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen oder Wertpapiere, welche allesamt nicht in den Sarg passen und im Himmel nicht gebraucht werden.

Woher kommen die Geldreserven der älteren Generation? Eine Voraussetzung war der sprichwörtliche Fleiß und in der Nachkriegszeit war die 50-Stunden Woche Normalität. Im Jahre 1959 wurde in Österreich die 45 Stundenwoche eingeführt. Während meiner Ausbildungszeit als Buchhändler, in den 1960er Jahren, war die 45 Stundenwoche bindend. Für mich war es selbstverständlich, dass ein Teil meiner Freizeit dazu benützt wurde, um am Bergbauernhof mitzuarbeiten. Der Verbrauch der Schillinge erfolgte sparsamst. Die Bekleidung wurde getragen bis sie untragbar war, keine aufwendigen Urlaube und kaum Ausgaben für das Freizeitvergnügen. Jene, mit handwerklichem Geschick unterstützten sich in ihrer Freizeit gegenseitig beim Hausbau. Mit dieser Nachbarschaftshilfe und dem Arbeitswillen wurden die vielen Eigenheime errichtet. Gerne werden in den Sonntagsreden der Politiker die erwähnten Häuslbauer zitiert, welche man von der wieder akut gewordenen Vermögens- und Erbschaftssteuer verschonen will.