schnecken:tempo I

Beim Schmökern in meinem ersten Buch „Alles Schlagloch“ habe ich den Eindruck, dass vieles nicht aus der Mode gekommen ist. Die Veröffentlichung des Buches liegt über zehn Jahre zurück. Manche Einträge erscheinen mir heute erst aktuell, wenn man mit aktuell einen Gedanken bezeichnet, über den es sich lohnt nachzudenken. In der aktuellen Literaturszene  wird man zuallerst danach beurteilt, was man zuletzt veröffentlicht hat. Hierbei unterscheidet sich das Buchgeschäft, aber auch die Literaturvermittlung, nicht von einer Modeboutique im Einkaufszentrum Atrio. Es zählt nur die aktuellste Mode. In einem Handy- oder Fotoshop sind nur das neueste Handy und die neueste Kamera interessant. In Kürze ist es soweit, dann nähert sich die Literaturvermittlung der Kurzlebigkeit einer Tageszeitung. Die Aktualität eines Buches wird dieselbe Verfallszeit haben wie eine Zeitung, gerade einmal vierundzwanzig Stunden. Die Sinnhaftigkeit des aktuellen Literaturbetriebes stelle ich in Frage, er gleicht einem Eventbetrieb.

Die Tageszeitungen graben sich ihr eigenes Grab oder wie man in Kärnten umgangssprachlich sagt, schaufeln sich ihr eigenes Grob. Sie werben massiv dafür, dass die aktuellsten Meldungen im Internet zu finden sind. Mir ergeht es so, finde ich in meinem Zeitungsarchiv einen Artikel der zehn, zwanzig oder sogar dreißig Jahre auf den Buckel hat, finde ich diese Seiten interessanter als die Abendausgabe der Tagespresse. Darin lese ich mit Aufmerksamkeit, weil ich feststellen kann, trifft der Inhalt heute noch zu?  Was ist von den versprochenen Ankündigungen eingetroffen und wie habe ich damals diese Situation beurteilt? Artikel aus der Vergangenheit schätze ich sehr. Einem aktuellen Zeitungsartikel kann man innerlich widersprechen oder eine andere Sichtweise einnehmen. Bei Ansagen zur Zukunft lässt sich kaum widersprechen, auf keinen Fall das Gegenteil beweisen, dies wäre vom menschlichen Verstand aus nicht möglich.

Archivar

frühjahr:putz II

Ein Highlight beim Frühjahrsputz ist das Bücherregal und die darin deponierten Bücher abzustauben. Es ist erstaunlich, wie viel Staub sich auf dem oberen Buchrand sammelt. Mit einer Bürste werden die Bücher vom Staub befreit. Gerade so, wie ich es in meiner Buchhandelslehre in Spittal/ Drau gelernt habe. Dort war das Aufnehmen der Bücher in die Inventurlisten und das Abstauben der Bücher zum Jahreswechsel angesagt. Vor kurzem bin ich auf einen Blogartikel gestoßen, wo jemand über das Ausmisten von unnötigen Haushaltswaren, Kleidern und Büchern berichtet hat. Sie hat das Loslassen von Gebrauchsgegenständen des Alltags, das Entsorgen von unnötigem Hausrat als eine Erleichterung empfunden. Als Ballast abwerfen, welcher sich auch in der Befreiung von sonstiger seelischer oder beruflicher Alltagslast niederschlägt. Ein Akt der Befreiung. In diesem Blogartikel wurde auch darüber diskutiert, ob zum Ballast abwerfen auch das Entsorgen von Büchern gehört? Oder fallen diese in eine höhere Kategorie, will heißen in einen geistigen Status? Es war die Rede davon, dass man alle gelesenen Bücher entsorgen kann, es bleiben dann immer noch genug Bücher übrig. Bücher, die ungelesen im Regal stehen. Dazu gesellen sich noch ein- bis zweidutzend Lieblingsbücher, oder Bücher aus Kindheitstagen.  Eventuell Bücher, welche man vom ersten, selbstverdienten Geld gekauft hat.

Lieblingsbuch

frühjahr:putz I

Beim Frühjahrsputz  mitzuhelfen fühle ich mich verpflichtet. Zudem ist es körperlich angenehm zwischendurch die Bewegungsabläufe zu ändern. Gemeint ist die sitzende Haltung beim Schreiben von Blogtexten. Vor einem Jahr habe ich mir ein mobiles Stehboard angeschafft, wo gleichzeitig Platz für den Drucker und für Ordner ist. Es hat auch die ideale Höhe um stehend am Laptop zu schreiben, bis heute habe ich dies kaum genützt. Am liebsten schreibe ich sitzend, bequem, wobei alle Parameter passen müssen. Die Höhe des Bürostuhles, aber auch eine Abschottung von den übrigen Aktivitäten in der Wohnung. Im Frühjahr freut sich mein Auge über den Blick auf die Obstbäume in Nachbars Garten. Etwas entfernter, aber gut positioniert, der Mittagskogel, immer auf demselben Fleck. Diese Idylle steht im Gegensatz dazu, dass in nächster Nähe, zu Fuß etwa zwanzig Minuten, Villachs größtes Shoppingcenter steht. Das Einkaufszentrum Atrio, Mediamarkt, Bauhaus, Leiner und Andere. Von den Einkaufstouristen, egal ob zu Fuß oder per Auto bleibt unsere Wohnanlage völlig unberührt, nimmt an dem Trubel keinen Schaden. Es ist für mich eine fremde Welt, wenn ich ab und zu im Atrio bin. Dort sehe ich künstliches Grün und Frühlingsdekorationen aus Plastik, begegne trotz des großen Warenangebots eher mürrischen und unzufriedenen Gesichtern. Wahrscheinlich ist es der Überfluss, dass sich nicht entscheiden können, was man ob der großen Auswahl kaufen soll. Im Alltag schätzt man das Kleid oder die Weste kaum, weil so günstig. Beim Kauf  denkt man schon darüber nach, was wird diese Weste in kurzer Zeit ersetzen. Heute kauft man Bekleidung nicht mehr im Bewusstsein auf Dauer, sodass man das Stück persönliche schätzt, sondern im Bewusstsein, es wird bald entsorgt. Spätestens in der nächsten aktuellen Jahreszeit. Die Vorstellung ein Kleidungsstück nur kurz in Gebrauch zu haben, senkt auch die Freude am Kauf. Durch die Kurzlebigkeit der Konsumgüter haben wir uns selbst die Freude am Besitz abgegraben.

Frühlingserwachen.

alles:neu

Die Pharmaindustrie hat für jedes Gebrechen im Alter, für jedes Wewechen eine Pille. Um mit diesen die Standardwerte der Weltgesundheitsorganisation, sei es beim Blutdruck, den Zucker- und Cholesterinwerten, wie sie für Dreißigjährige festgelegt wurden, zu erreichen. Kaufmännische Ambitionen haben auch die Verkäufer von Brillen und Hörgeräten. In regelmäßigen Abständen werben die Hersteller von Hörgeräten in den Zeitungen für unsichtbare Hörgeräte und bieten zumeist einen kostenlosen Test des Hörvermögens an. Hinter den ideellen medizinischen Gründen steckt eine hintergründige Verkaufsabsicht. Bekommt man vom Partner zu hören, du hörst schlecht oder du hörst mir nicht zu, ist man besser beraten sich in die Praxis eines Hals-Nasen- und Ohrenarztes zu begeben. Dort erfährt man erhellendes. Im Alter ist es normal, dass man bestimmte Frequenzen nicht mehr so gut hört. Zumeist sind davon die extrem tiefen oder die extrem hohen Tonfrequenzen betroffen. Dieser Ausfall sei Normalität und es macht wenig Sinn, sich deswegen ein Hörgerät anzuschaffen.

In den Hörstudios wird man dagegen versuchen ein Hörgerät zu verkaufen. Mich wundert es nicht, dass ich manches Mal die Partnerin nicht verstehe, weil bei mir besteht bei den hohen Tönen ein Defizit. Von den Frauen ist bekannt, dass sie, schaffen sie etwas an, in einer höheren Stimmlage reden. Die höhere weibliche Stimmlage ist ein Attribut an unsere Evolution. Die Mutterrolle verlangt, bei Gefahr die Nachkommen zu warnen, Alarm zu schlagen. Manche Forderungen erreichen mich von niemanden, da sie zumeist in erhobener Stimmlage ausgesprochen werden. Kein Nachteil ohne Vorteil.

Alles hinhören.

alles:beim alten II

Persönlich schmerzt es, wenn man spürt, dass bei der Körperverfassung nicht alles beim Alten bleibt. Wie sagt man so schön, Alter allein ist nicht gut genug. Kaum merkbar hört man nicht mehr so gut, versteht manches schlecht und muss sich dem Gesprächspartner zuwenden. Unterhalten sich bei einer Tischgesellschaft mehrere Personen gleichzeitig, ist es plötzlich schwierig dem Gespräch zu folgen. Ähnlich schleichend verläuft es beim Sehvermögen, die Linse trübt ein, bei Bestellungen und Verträgen kann man das Kleingedruckte nicht mehr entziffern. In der Tageszeitung kann man nur noch die Schlagzeilen und das Fettgedruckte leicht lesen, damit wird die Anschaffung einer Sehhilfe unerlässlich. Eine weitere Schwachstelle sind die Zähne. Viele Jahrzehnte war man durch die Fülle an Zähnen verwöhnt und ist damit recht sorglos umgegangen. Solange, bis vermehrt Beschwerden einsetzten und sich die Zähne durch Zahnfleischschwund verabschiedeten. Beim ersten Überschlag wird man sagen, diese Beschwerden kann man relativ einfach beheben. Dafür gibt es heute erprobte technische Hilfsmittel, zumeist noch von Eleganz. Die meisten Menschen im fortgeschrittenen Alter glauben, dass die Medizin für jeden Mangel, für jedes Gebrechen einen künstlichen Ersatz hat. Egal ob künstliche Herzklappe, Knieprothese oder Zahnersatz, alles lässt sich in den Körper implantieren. Um kein Fremdkörper zu sein müssen sie exakt funktionieren, wie im Urzustand. Manche plagen sich für den Lebensrest mit Rehaaufenthalten. So kann man in das Lamento einschließen, hoffentlich bleibt alles beim Alten.

An den Verlust der Beweglichkeit beim Hineinschlüpfen in die Sonntagshose, beim Zuschnüren der Festtagsschuhe gewöhne ich mich langsam. Ohne das es mir selbst bewusst wird. Ähnliches passiert beim täglichen Spaziergang. Vor Jahren gehörte zumindest eine steile Wegstrecke dazu, heute kann ich darauf auch verzichten. An manchen Tagen lasse ich den Spaziergang bewusst aus und ergebe mich der trügerischen Gewissheit, es ist immer noch alles beim Alten.

Sonntagsstimmung.