DREI:wochen

Vor drei Jahren habe ich um diese Zeit darüber nachgedacht wie es möglich sein wird bis zur Pension, arbeitsmäßig und gesundheitlich, gut zu leben. Zum Ende meines Arbeitsleben nicht einen Absturz zu erleben. Jetzt stehe ich vor der Tatsache, dass es bis zum Jahreswechsel nur mehr drei Wochen sind. Vieles dreht sich im Kreis und die letzten Tage gewinnen immer mehr an Fahrt. Es ist wie eine Talfahrt vom Wurzenpass, bei einem Gefälle von 12 Prozent, man tritt auf die Bremse, aber der Druck geht in das Leere. Das Auto wird immer schneller und man weiß nicht, ob man die nächste Kurve schaffen wird.

Bei einem technischen Gebrechen gibt es die Gebrauchsanweisung als Hilfe , es wird Punkt für Punkt überprüft. Anhand einer Übergeberliste hacke ich die einzelnen Punkte ab und erstelle neue Listen. Mit jeder Liste gewinne ich  festen Boden unter den Füßen und die Bremsen greifen. Vor einem Jahr war alles weit weg.

Neuschöpfung.

ZEIT:spanne IV

Unsere Datumaufzeichnungen werden immer präziser, zum Jahr, Monat und Tag fügt man heute die Stunde und die Minute dazu. Wir haben es in dieser Disziplin zu einer neuen Fertigkeit gebracht. Beim Bezahlen, sei es eine Tasse Kaffee, der Einkauf von Lebensmittel oder beim Tanken, wird auf dem Kassenbon auch die Sekunde ausgedruckt. Was hat der Genuss einer Tasse Kaffe, der Kauf von Lebensmittel und das Tanken mit den Sekunden zu tun ?

Die Namen der verschiedenen Zeitalter hat man erst Jahrhunderte später festgelegt. Heute wählt man eine schnellere Variante und spricht schon jetzt vom Automobilzeitalter, dem Fernsehzeitalter oder dem Computerzeitalter. Es ist fraglich was von diesen Begriffen übrigbleiben wird ? Die persönliche Lebensgeschichte hat ihre eigene Zeitrechnung: Wie die Zeit nach der Berufsausbildung, die Zeit vor der Ehe, die Zeit nach der Deutschlandreise. Manche nehmen die Essgewohnheiten, die sich je nach der gesundheitlichen Befindlichkeit verändern können, als Maßstab für Zeitrechnung. Bei mir ist es die Zeit nach dem Basenfasten.

Entlastungstag.

ZEIT:spanne III

Wir können uns ein Leben ohne Zeitrechnung nicht vorstellen, wir sind ständig dabei die Vergangenheit immer weiter nach hinten aufzurollen. Es gibt seit Jahrtausenden Aufzeichnungen von dem, was die Menschen gemacht haben. Bei den frühen Aufzeichnungen geht es darum, was die Herrscher gemacht haben, welche Kriege sie geführt, welche Frauen sie geliebt und welche Bauwerke sie errichtet haben. Es ist eine Sucht die bei den Aufzeichnungen anhält, unter welchen Regenten eine Burg, eine Hafenanlage, eine Brücke, eine Kirche gebaut wurde. Meistens ist der Name auf einer Tafel, die im Bauwerk integriert ist, eingraviert. Das Ritual, den Namen unter welcher Person der Bahnhof, das Kraftwerk oder das Schulgebäude errichtet wurde, auf einer Tafel festzuhalten, hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Es verewigen sich Minister, Landeshauptleute und Bürgermeister in solchen Inschriften. Dabei kann es sich um die Errichtung von einem Vereinshaus für den Fußballklub, den Stiegenabgang zum Kulturhaus oder um eine öffentliche WC Anlage handeln. Oft verkommt der Ort zur Bedeutungslosigkeit.

Spaziert man durch die Altstadt von Schärding, dann findet man an vielen Häusern Inschriften und studiert sie als Besucher mit Interesse. Je älter das Datum auf der Gedenktafel, umso höher der Stellenwert des Gebäudes. Eine Variante ist, dass auf der Tafel vermerkt ist, dass dieser Herzog und jener Kaiser auf der Durchfahrt in diesem Haus übernachtet hat. Mit solchen Tafeln schmücken sich Gasthöfe. Hat es ein Physiker oder Musiker, ein Botaniker oder Dichter zu einiger Berühmtheit gebracht, so wird in einer Inschrift darauf hingeweisen, dass der oder diejenige hier geboren wurde.

Anschauungssache.

ZEIT:spanne II

Befindet man sich auf einer Kur zur Wiederherstellung der Gesundheit, dann gibt es zwischen den Kurgästen eine Reihe von Benimmregeln. Es hängt auch davon ab, welches Publikum das Kurhaus hat. Man begegnet Menschen die man nicht kennt, die eine andere Herkunft und Ausbildung und ein anderes Schicksal haben, als man es selbst hat. Es spielt eine Rolle wie gesprächsbereit man ist und wie viel man bereit ist, von sich zu erzählen. Eine andere Sache ist, wie neugierig darf man anderen Personen gegenüber sein. Die gemeinsame Mahlzeit führt zu einem ersten Abtasten der Neuen. Ich bin in der besseren Situation, weil ich vom Aufenthalt aus betrachtet der ältere Kurgast bin. Im Kneipp-Kurhaus in Schärding wurde beim Abendessen an unseren Tisch eine Dame mit weißen Haaren zugewiesen. Sie war Bibliothekarin in der nahen Bezirksstadt und ist seit fünfundzwanzig Jahren in Pension. Sofort hat mir eine Frage auf der Zunge gebrannt und ich habe sie ausgesprochen: „Wie erlebt man die Zeitspanne zwischen sechzig und fünfundsiebzig Jahren.“ Die Jahre seitdem sie in Pension ist. Ihre Antwort ist schnell und offen gekommen: „Man soll die Zeit und die Möglichkeiten im Ruhestand nützen und vieles was man sich in der aktiven Arbeitsphase gewünscht hat umsetzen, soweit es die Gesundheit erlaubt.

Unruhestand.

ZEIT:spanne

Selten spürt man es, dass man in seinem Leben einen Wendepunkt erreicht hat. In jungen Jahren geht man damit meist sorglos um und hält diese für wiederholbar. Mit sechzig Jahren ändert sich dies und ich wünsche mir, dass es wie am PC einen Wiederherstellungspunkt geben würde, die Möglichkeit Ereignisse der letzten Jahrzehnte rückgängig zu machen. Dabei sollte das Wesentliche bleiben, die dunklen Tage, die Einsamkeit, das Gefühl der Überforderung, die hohen Ansprüche an mich selbst, das Horchen auf das Echo der Anderen. Eingespannt im System der Abhängigen, der wahrgenommen wird, weil man von ihm etwas fordern kann.

Es ist gut, wenn man solche Wendepunkte zu feiern weis. Der sechzigste Geburtstag ist ein neuer Lebensabschnitt. Man sollte ihn nicht übergehen, auch wenn man das Altersetikett bekommt. Bei einer Feier kann man die Verwandtschaft, denen man bisher ein schönes Bild von sich präsentiert hat, ein Bilderbuchleben, darauf aufmerksam machen, was man nicht erreicht hat und für immer offen bleiben wird. Auch erklären, dass man mit dem öffentlichen Bild nicht eins zu eins übereinstimmt.

Jubilar.