kehr büchl

Ich wurde zum Hüter des Feuers.

Zum Jahreswechsel versuchen Rauchfangkehrer ein kleines Trinkgeld zu ergattern, wenn sie bei den Hausparteien anläuten und ihnen ein gutes Neues Jahr wünschen. Dem Umweltbewusstsein ist es geschuldet, dass es immer weniger Kohle- und Ölheizungen gibt. Zumeist werden die größeren Wohnanlagen nach einer Sanierung mit Fernwärme beheizt. Die Situation bei den Siedlungen am Stadtrand, wo die Reihenhäuser ihre individuelle Heizung haben ist eine andere. Das Wohn- und Geschäftshaus in Arnoldstein war bei der Übernahme Anfang der 80er Jahre mit einem Heizkessel, der mit Kohle befeuert wurde, ausgestattet. Das Erdgeschoß hatte eine Zentralheizung, in den Zimmern im ersten Stock standen schlanke hohe Kachelöfen, die eine Behaglichkeit ausstrahlten, welche ein Zentralheizungskörper nie haben wird. Im Hof befand sich die Holzhütte, wo jede Wohnpartei ihr Holzabteil hatte.

Hier war es selbstverständlich, dass der Rauchfangkehrer alle Monate vorbeikam. Zum Jahreswechsel brachte er einen Kalender, wünschte ein gutes Neues Jahr und erhoffte sich ein Trinkgeld. Die schwarzen Gesellen hatten einen etwas unheimlichen Charakter und wurden auch als Kinderschreck verwendet. Waren Kinder schlimm, wurden ihnen gedroht, dass sie entweder der Krampus holen wird oder der Rauchfangkehrer sie im Keller einsperren wird.  

Im Kehrbüchl wurde der Tag und der bezahlte Betrag vom Kaminkehren vermerkt. An den rußigen Fingerabdrücken am Umschlag war das Kehrbüchl zuerkennen. Es hing an einem rotweißen Spagat beim Stiegenaufgang in das Dachgeschoß. Das Kehrgeld verwahrte der Rauchfangkehrer in einer Blechbüchse, wo davor die Hustenbonbons drin waren. Zum Schreiben benützte er einen Bleistift, welchen er sich hinter das Ohr geklemmt hatte.

Der Kohleofen vom Vorbesitzer war in die Jahre gekommen. Bevor ich übersiedelte, konnte ich von nebenan beobachten, dass an Wintertagen, wenn der Ofen frühmorgens eingeheizt wurde der Rauch nicht über den Schornstein abzog, sondern den Weg über die Kellerstiege in den Hof wählte. Bei den Renovierungsarbeiten ersetzte ich den Kohleofen durch einen Koksofen. Dass Heizen mit Koks machte es möglich, dass das Feuer über die Wintermonate durchbrannte. Ich wurde zum Hüter des Feuers, welche meine ständige Anwesenheit erforderte. Morgens und abends Koks nachzulegen war das Minimum. Wochentags wurde es richtig warm, wenn ich auch zu Mittag die Glut schürte und Koks nachlegte.

“Sinnstiftung durch soziale Einbettung”

Der deutsche Philosoph Michael Kühler erweitert in seinem Aufsatz „Sinnstiftung durch soziale Einbettung“[1] die Debatte, was gibt dem Leben Sinn, um den Aspekt der sozialen Einbindung von Handlungen. Die Sinnfrage wird in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Philosophie wiederentdeckt. Neben Moral und Ethik wird Sinn als eine eigenständige Kategorie für ein sinnerfülltes Leben gewertet. Deute ich den Aufsatz von Krüger richtig, setzt soziale Einbettung nicht voraus, dass die Aktivitäten moralisch wertvoll sein müssen. Bei der sozialen Einbettung kann es sich um die Mitarbeit beim Roten Kreuz, aber genauso um die Mitarbeit in einem Rauschgiftring handeln. Der Effekt einer sozialen Einbettung ist für die Sinnstiftung gleichwertig, einerlei ob es sich um eine humanitäre Organisation oder um eine kriminelle Organisation handelt. Beide mal ist für die Beteiligten die Mitgliedschaft sinnstiftend und kann zu einem sinnvollen Leben beitragen. Kühler nimmt Abstand von der These: „Ein sinnvolles Leben sei demnach grundsätzlich eines, in dem die Person bestimmten als wertvoll und daher sinnstiftend angesehenen Tätigkeiten nachgeht oder bestimmte zur Sinnstiftung geeignete Werte zu befördern sucht“.[2] Kühler meint: „Zum anderen stellt sich der Zusammenhang zwischen sinnvollem und wertvollem Leben so dar, dass ein sinnvolles Leben eben dadurch, dass es Sinn im Leben enthält, als ein für die Person in dieser Hinsicht wertvolles angesehen werden kann“.[3]

Michael Kühler macht darauf aufmerksam, dass bei der gegenwärtigen analytischen Debatte um ein sinnvolles Leben, der Wert der sozialen Einbettung der handelnden Person übersehen oder unterschätzt wurde. Allein mit der werttheoretischen Frage zum Sinn wird nach seiner Meinung die sinntheoretische Frage nicht gelöst. „Vor diesem Hintergrund entpuppen sich sinnstiftende Elemente im Leben für uns durchaus als wertvoll. Sie sind aber nicht deshalb sinnstiftend, weil sie von vornherein in bestimmter Weise, etwa moralisch oder ästhetisch wertvoll sind, sondern umgekehrt verleiht erst die sinnstiftende Funktion sozialer Einbettung ihnen den spezifischen Wert des Sinns im Leben“.[4]

Von einem Paradigma für Sinnerfüllung durch soziale Einbettung erzählte der Querschnittgelähmte „Alfi“: „Rückblickend betrachtet war es wichtig, dass ich mich nicht von der Umwelt abgekapselt habe. Schon in den ersten Tagen nach der Heimkehr aus dem Krankenhaus sind Freunde gekommen und haben mich zu den Veranstaltungen in der Gemeinde mitgenommen. In Seltschach bin ich in die Dorfgemeinschaft voll einbezogen. […] Ich bin Obmann des Fußballclubs Seltschach und organisiere die Vereinsmeisterschaften. Durch meine Funktion habe ich sehr viele Kontakte und Freunde in ganz Österreich“. [5]


[1] Michael Kühler, Sinnstiftung durch soziale Einbettung, Zeitschrift für Praktische Philosophie, Band 5, Heft 2, 2018; [2] Seite 152; [3] Seite 155; [4] Seite 177; [5] Alfons Brosch, Arnoldsteiner Porträt von Franz Supersberger; LVS “Sinn des Lebens, Sinn der Welt”, Prof. Clemens Sedmak, Uni Salzburg;

chat:bot

Künftig wird mehr Ehrlichkeit gefordert sein.

Die Einstellung zu etwas Neuem erfolgt am besten durch eine eigene Erfahrung. Der erste Rummel um Chatbot klingt gerade etwas ab. Wie nützlich ist die neue Software für mich? Ein Beispiel, die Stornierung meiner Mitgliedschaft bei Amazon prime. Für mich ist es nebensächlich, ob ich einen Artikel zwei Tage früher oder später erhalte. Die Möglichkeit sich im Internet bei einem Servicedienst anzumelden sind gut ersichtlich, zumeist wird man mehrmals danach gefragt, ob man der Plattform beitreten will. Möchte man sich irgendwo abmelden oder etwas stornieren dann verbirgt sich die Funktion zumeist hinter mehreren Fenstern. Für einen mittelmäßigen PC- Anwender schwer zugänglich. Die Unterstützung durch Chatbot meine Prime Version bei Amazon zu stornieren war erfolgreich. Zu guter Letzt wurde ich gefragt, ob ich noch eine offene Frage habe? Danach hat mir Chatbot viel Gesundheit und ein schönes Wochenende gewünscht. Neuerdings versprechen einige Stadtverwaltungen, dass sie die neue KI generierte Software Chatbot in ihre Webseite einbinden werden. Die Höflichkeitsformen werden von Chatbot bestimmt eingehalten. Die KI kennt keinen Stress oder Gefühlsschwankungen, auch keine Antipathie oder Empathie.

Etwas differenzierter und skeptischer sehe ich die Verwendung von Chatbot bei der Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten im Studium. Heute wird bereits vieles aus dem Internet kopiert und diese Textstellen nicht immer angeführt. Frei nach dem Motto: Wer sucht der findet, wer nicht sucht, vergibt eine Chance. Künftig wird mehr Ehrlichkeit gefordert sein. Wie die Erstellung von Texten durch Chatbot erkannt werden kann, daran tüfteln gerade die Unterrichtsexperten. Werden sie dabei auf die Hilfe der Künstlichen Intelligenz zurückgreifen, den Teufel mit Beelzebub austreiben?

Wie erlebt der Höllenbewohner die Ewigkeit, dabei möchte ich mir nicht vorstellen, Höllenqualen in Ewigkeit. Dazu habe ich von einem Schlupfweg gehört. Es könnte sein, dass nach der Reue und einem Schuldbekenntnis, die Barmherzigkeit Gottes die Ewigkeit in der Hölle endlich sein lässt.  

augen:blick

Rationaler, wo ist meine Zeit besser investiert?

Es ist nur eine Variante möglich, Buch oder Tageszeitung. Dafür gibt es keine Kosten- Nutzungsrechnung.  Höchstens in dem Sinne, was macht mir mehr Spaß oder was bringt mir einen höheren intellektuellen Gewinn? Rationaler, wo ist meine Zeit besser investiert? Werde ich mich nach sechs Monaten an den Inhalt des Romans Die Letze Bibliothek der Welt erinnern können? Meine bisherige Erfahrung ist, dass ich mich auch nach einem Jahr an den vagen Inhalt eines gelesenen Buches erinnere. Anderseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich bereits nach einer Woche mich nicht erinnern kann, was ich in der Samstagausgabe des Standards gelesen habe. Im schlechten Fall ist es vorgekommen, dass ich die Wochenendausgabe nach dem Durchschmöckern zur Seite lege und kaum etwas im Gedächtnis präsent ist. Die Entscheidung fällt zugunsten des Buches Die letzte Bibliothek der Welt. Auch aus Neugierde, wie schafft es die Autorin den Ausgang des Gefechts nicht zu minimalisieren, dazu kommt noch eine Liebesaffäre.

Passiert die Lektüre der Wochenendausgabe nicht während des Samstags, dann verliere ich das Interesse an der Zeitung. Den Zeitpunkt zum Lesen verschiebe ich vom Morgen auf die Zeit vor dem Mittagessen, später zum Kaffee trinken an Nachmittag. Mit der zeitlichen Verschiebung geht die Wanderung der Zeitung durch die Wohnung einher, vom Esstisch zur Couch, bei Schönwetter auf die Loggia und am Abend wieder zurück auf die Couch. Der Standard ist noch immer jungfräulich und wird es das Wochenende bleiben. Am Beginn der neuen Woche trudeln weitere Zeitungen und Monatszeitschriften in das Haus. Unteranderem die Zeitung der Stadt Villach, der Granatapfel und die Apothekerzeitung für Senioren. Mitte der Woche gibt es einen Kraftakt, ich gebe den Standard an einen Nachbarn weiter. Dieser vertieft sich in die ausführlich recherchierten Berichte und braucht die tagesaktuellen Meldungen nicht. Bevor ich die Zeitung terminmäßig weitergebe, nehme ich mir für den Standard Zeit, keine Ewigkeit, einen Augenblick.

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Das Erlebnis Buchhandlung darf man heute nicht eng bewerten.

Die Buchbranche befindet sich in mehrere Hinsichten im Wandel, feststellbar, wenn es zu Insolvenzen kommt, wie unlängst bei der Buchhauslieferung ÖBZ. Dadurch ist der Buchvertrieb für österreichische Verlage, sowie die Belieferung von kleineren Buchhandlungen gefährdet. Generell wird ein rückläufiges Leseverhalten verzeichnet. Bei den Neuerscheinungen ist mir ein Trend aufgefallen, die vielen Krimis.  Es gibt die Landkrimis, die Stadtkrimis, jeder Ort und jede Region hat ihre Toten. Spontan fallen mir ein: Wörtherseekrimis und Salzburgkrimis, der Florenz und der Grado Krimi. Von einem Gailtal- oder Arnoldsteinkrimi habe ich noch nichts erfahren. Dieser wird wahrscheinlich erst geschrieben. Einen umfangreichen historischen Roman gibt es von der Sage um die weiße Rose: Der Fluch der Rose  Die Flut an Krimineuerscheinungen wird auch dadurch befeuert, dass ein Drittel aller Filme im Fernsehen im Hauptabendprogramm Krimis sind.

Über die Macht des Onlineriesen Amazon, der mit dem Versand von Büchern großgeworden ist, wissen die meisten Bescheid. Inzwischen kann man auf Amazon vom Elefanten bis zu einer Pillendose alles bestellen. Der Genauigkeit halber muss man sagen, dass etwa dreizehn Prozent des Buchumsatzes über Internetportale verkauft werden. Neben dem bekannten Onlineriesen gibt es auch andere Internetbuchhandlungen, welche dasselbe leisten. Online Bestellungen von Büchern sind heute bei jeder größeren Buchhandlung oder Buchhandelskette möglich. Dabei wird auch die Möglichkeit geboten, ein online bestelltes Buch in der Buchhandlung abzuholen. Somit zwei Fliegen auf einen Streich, das online Erlebnis und das Buchhandels Erlebnis. Die verwurzelten Buchkäufer sind eher ein verstaubtes Völkchen, welche vorzugsweise eine Buchhandlung aufsuchen und stöbern. Das Erlebnis Buchhandlung darf man heute nicht eng bewerten. Es gibt fast keine Buchhandlung, welche um ihr Überleben zu sichern nicht einen Mehrwert beim Warenangebot anbietet. In Arnoldstein kann man in der Buch- und Papierhandlung auch naturnahe Zahnpasta, Duschgel und Handcreme, regionale Weine, Räucherwaren und Edelsteine kaufen.